Alter Alpweg im Val d’Ambra: Tecc Stevan – Alpe Tramoggia – Pian Tasin
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Frank Seeger (www.alpi-ticinesi.ch) berichtet über das Val d’Ambra folgendes: (Zitat immer kursiv, fett) „Langes, sich mehrfach verzweigendes Seitental der Leventina. Das Tal wurde einst intensiv genutzt, so dass sich an sehr vielen Orten Wegreste oder zumindest mögliche Routen aufspüren lassen“ Ein Eldorado für Berggänger, welche schwer auffindbare Wege lieben und vom Tessin-Virus unheilbar befallen sind.
1. Tag:
Heute sind Abendgewitter angesagt. Der Hüttenanstieg hält sich in Grenzen, da ich vom Bacino bis zu Tecc Stevan weniger als zwei Stunden brauche; dazu die Möglichkeit, in greifbarer Nähe ein schützendes Dach, Baum oder überhängenden Felsen zu finden. Es ist heiss und drückend. Kurzbesuch im verlassenen Cassinone. Zurück zum Wald und Aufstieg im Schatten. Ein Gewitter braut sich über dem Nachbarstal, Val Marcri, zusammen. Donnergrollen! Oh Glück: Durch die Bäume ersperbere ich (wieder was für Henrik) die Brücke über die Rierna und die neu erbaute Cascina Tecc Stevan auf einer grosszügig gerodeten Waldwiese. Dieses Mal bin ich alleine. Ich mache es mir gemütlich. Warmes Nachtessen mit Bratwurst, Zucchetti-/Tomatenwürfel und feine Hörnli. Tourentee bereiten. Frühes Zubettgehen.
2. Tag:
Tagwache Sechs Uhr dreissig. Gut geschlafen. Frühstück. Abwaschen. Wischen. Einzahlungsschein ausfüllen und einstecken. Danke, es war wunderschön. Über die Brücke zum Weg zurück. Dort aufwärts bis nach Gallina, wo ich das Feld-WC benütze. Hat dort auch Wasser. Etwas steiler hinauf nach Miregn, welches bewohnt ist. Tessiner Gastfreundschaft. Danke für den Kaffee und die Ratschläge für das Auffinden des Weges nach Tramoggia. Er sei schwer zu finden. Doch noch besser von unten nach oben, wie umgekehrt. Dann folgen äusserst nützliche Ratschläge, wie es sich herausstellen wird.
In Marzòch befindet sich, neben der schon erwähnten Einmündung von Sciresa di sopra, auch eine Abzweigung zur Alpe Tramoggia: Der Weganfang ist nicht leicht zu finden, er befindet sich in der Nähe der nur auf der neuesten Ausgabe der Landeskarte verzeichneten Jägerhütte von Strecia auf ca. 1260m. Hier ist die letzte Möglichkeit Wasser aufzufüllen bis zu den Hütten von Marcri.
Eine weitere Route befinde sich laut Angabe von Jägern etwas mehr östlich oberhalb Marzòch. Ich wähle die Variante von Frank Seeger. Sie führt von der Jägerhütte dem PVC-Rohr entlang bis zur Wasserfassung, ziemlich genau nach NW über eine bewaldete Kuppe, welche zugleich die orografisch linke Seite des Iametta-Grabens begrenzt. Zuerst sichte ich ein Plastik-Reservoir, später am Fuss der Felswand auf 1320m die Wasserfassung mittels eines stehenden, etwa 15 cm dicken und zwei Meter hohen PVC-Rohrs. „Sesam-öffne Dich!“ Zur Linken führt eine Treppenanlage durch einen Einschnitt und überwindet den – auf der LK gut sichtbaren – ersten Felsgürtel von gut 30 Meter Höhe.
Die genannte Kuppe, später auch Grat – vorwiegend bewaldet – wird immer wieder von Felsgürteln und Felshöckern unterbrochen. Direttissima ist angesagt. Sich nicht von Wildspuren horizontal ablenken lassen! Der schwer auszumachende Weg holt immer wieder nach rechts aus, um wieder zum Grat zurückzukehren. Das Ganze bis auf 1760m, wo man das erste Mal nach links abzweigt, um auf die saftige Wiese unterhalb der Hütte und den Ruinen von Alpe di Tramoggia aus dem Wald zu treten. Unterstützt bei der Suche wird man von Steinmännern und schwarzen Plastikbändern an Birkenstämmen. Da und dort sind Schnittspuren sichtbar.
Traurig nehme ich den desolaten Zustand der Alp Tramoggia zur Kenntnis. Das Dach der letzten Hütte wird keine fünf Jahre überdauern. Einsturzgefahr! Kein Wasser. Tannen überwachsen schön langsam die ganze Weidefläche. Eine breite Weganlage führt horizontal Richtung Osten. Wohin? Ist dort der alte Weg zu suchen? Oder führt er nach Er del Metòn? Die Querung von Tramoggia nach Metòn wurde von mir ebenfalls schon ausgeführt. Es finden sich hier keine Wegspuren, das Gelände ist anspruchsvoll.
Als Ausgleich zum traurigen Zustand der Alp zeigt sich die traumhafte Aussicht in den riesigen Talkessel des Gagnone-Passes und in die weiteren Seitentäler Rierna und Bri, sowie auf den fünfhundert Meter hohen Felsabsturz der Cima d’Efra über dem Iametta-Graben, unter der sich noch bis vor dreissig Jahren ein weiterer Alpweg nach Pian Tasin und zum Passo dei Rampi befunden haben soll. Ferner ist bekannt, dass einst eine Route von Strecia durch das Tobel des Valle della Iametta die Alpe Tramoggia erreichte. Details hierzu fehlen.
Die Fortsetzung des Weges finde ich diagonal nach links oberhalb der Alp. Ich wähle die nördliche Richtung, zugleich Fortsetzung des Grates, auf welchem ich offensichtlich Erfolg hatte. Ich erreiche die Waldgrenze und das Gebiet wird schlagartig übersichtlich. Ich befinde mich auf der Anhöhe östlich der Ruinen Pt 1985 auf etwa 2020m Höhe, klare und logische Fortsetzung der „Grat-Theorie“. Von dieser Alp sind nur noch rudimentäre Grundmauern vorhanden. Als Trost steht eine etwa 30 jährige Tanne in der Mitte – Leben in toten Mauern.
Es ist heisses und allerschönstes Sommerwetter. Ich habe zu wenig Wasser bei mir und bin dankbar um die Früchte. Nektarinen haben Saison. Das hat mich dazu verleitet, davon ein ganzes Kilo mitzunehmen. Der Vorrat schwindet. Wenn ich nur in Strecia noch die Flaschen aufgefüllt hätte…
Bei den Ruinen Pt 1985 vorbei führen Wegspuren, welche durch die Geröllhalden leicht ansteigen. Ich lasse mich dazu verleiten, hangwärts nach rechts stark anzusteigen. Besser ist die Routenwahl, wie sie in Fragmenten auf der LK angegeben ist. Eigentlich will ich die Via Alta nicht kopieren. Ich breche die happige Übung ab und traversiere auf etwa 2200m (!!) nach Pian Tasin hinüber.
Ich liebe Pian Tasin. Gemsen auch. Und auch Murmeltiere und Blumen und alles, was da Odem hat… Trotzdem steige ich zu den schönen Seen hinunter ins Val Marcri, das neuerdings als Waldschutz-Gebiet erklärt wurde (und jetzt mehr Helikopterflüge zu verzeichnen hat). Ich habe Zeit, im Stabbio di Mezzo nochmals zu übernachten.
3. Tag
Beginnend mit Nebel, wird der Tag mit jeder Stunde schöner. Ich steige über Cavalüm ab. Und wieder gönnt mir der Herrgott eine Plauderstunde. Danke für Alles. Bei der neu aufgekommenen Hitze bin ich um den Schatten des Waldes im „Quattro Gambe“ echt froh. Der letzte Tourentee ist aufgebraucht, als ich beim Auto ankomme. Zurück nach Hause.
Wie soll ich meine Befindlichkeit beschreiben? In mir hat sich etwas verändert: Entrückt? Verzaubert? Geläutert?
Tourengänger:
Seeger

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