Höhentraining oberhalb St. Moritz


Publiziert von ZoSi , 18. Dezember 2020 um 16:55.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Oberengadin
Tour Datum:11 Oktober 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 

An diesem wunderschönen Herbsttag – einer von vielen während meinen diesjährigen Ferien in Sent –  beschloss ich, die vom Holzspalten müden Arme beim Wandern zu entspannen. Also tuckelte ich  frühmorgens mit der RhB von einem bis zum anderen Ende der Geleise durch das herbstliche Engadin.

Meine Tour startete nicht wirklich in wilder Natur, denn zuerst wollte ich über die von Skipisten vernarbten Hänge gegen den Gipfel des Piz Nair aufsteigen. So folgte ich den gelben Markierungen in Richtung Corviglia. Nach wenigen Metern verlor ich diese jedoch und irrte zwischen den zahllos vorhandenen noblen Residenzen umher. Irgendwie erreichte ich schliesslich das Ende dieser Klein-Ausgabe von Beverly Hills in den Schweizer Alpen und brachte den nun folgenden trostlosen Teil bis zum Piz Nair möglichst schnell hinter mich. Diese kleine Sprinteinlage sollte ich später noch bereuen. Auf dem dank maschineller Direktbeförderung von St. Moritz zur Gipfelantenne gut besuchten Berg grüsste im Süden die Bernina im Winterkleid; im Norden der felsige und grösstenteils schneefreie Grat. Diesen wollte ich an diesem Tag noch überschreiten.

Piz Schlattain
So verliess ich dieses Denkmal der Ingenieurskunst im Hochgebirge möglichst rasch und erreichte über schiefrige Hänge die Fuorcla Schlattain. Von dort lässt sich der Piz Schlattain, welcher ein letztes Bollwerk aus Dolomit im ansonsten von Gneisen und Serpentiniten dominierten Gebiet bildet, über dessen West-Grat ersteigen. Die kurze aber überraschend ausgesetzte Kletterei (II)im scharfen Dolomitgestein zog die Haut meiner Finger bereits zu Beginn der Tour arg in Mitleidenschaft. Der Restschnee auf den Felsen tat sein Übriges, den Fokus auf das Überleben zu richten. Den Abstieg bewältigte ich etwas weniger spektakulär über Wegspuren in der Südseite des Grates.

Piz Grisch – Piz Corviglia – Piz Glüna
Der nächste Gipfel, der Piz Grisch, erreichte ich überraschend angenehm über das Schuttcouloir der Südseite und den nachfolgenden Gratabschnitt. Der Abstieg über den verschneiten NE Grat zur Fuorcla Persa war hingegen mühsam rutschig.  
Über den blockigen Grat erreichte ich den Vorgipfel des Piz Corviglia (Punkt 3059). Nach Spurarbeit im wadentiefen Schnee der SE-Flanke des Berges stand ich endlich auf dessen Hauptgipfel.
Ohne grossen Zeit- und Höhenverlust ging es über den Vorgipfel zum Hauptgipfel des Piz Glüna. Der finale Aufstieg zum Piz Glüna wartet mit schönen Kletterstellen auf (II). Die Platte, welche direkt aus der Lücke zwischen den beiden Gipfeln in die Höhe leitet, stellt die Schlüsselstelle dar. Zurück in der Lücke vernichtete ich etwas Höhe durch das südseitige Schuttcouloir und querte dann unterhalb der Felsen ohne nennenswerten Wiederanstieg in die Fuorcla Saluver.

Piz Saluver
Nun endlich gelangen wir zum Bijou dieser Tour: Der SW Pfeiler führt in gutem Gneis aus der Lücke in gerader Linie direkt auf den Gipfelgrat. Die Kletterei ist äusserst ansprechend und abwechslungsreich und führt auf dem leichtesten Weg im zweiten Grad in die Höhe. Die Tour lässt sich jedoch bestens mit etwas schwierigeren Stellen im griffigen Gneis würzen. Der Gipfelgrat leitet in willkommener Abwechslung zum breiten Pfeiler etwas luftiger zum höchsten Punkt. Der laut dem im Steinmann deponierten Büchlein sehr selten besuchte Gipfel lädt zum Verweilen ein. So gönnte ich mir mein Zmittag bestehend aus Unterengadiner Roggenbrot und Hirschsalsiz des Metzgers meines Vertrauens. Dazu wurde die ausgetrocknete Kehle mit den letzten vorhandenen Tropfen reinen Berquellwassers, abgefüllt im Bahnhofs-WC in St. Moritz, benetzt. Der Durst drängte mich zum raschen Verlassen dieses wunderbaren Fleckchen Erde, da mir der Name des nächsten Gipfelzieles Besserung versprach!
Der Berg beschenkte mich im Abstieg reich, so konnte ich die ansonsten staubtrockene Westwandrinne in bester Skifahrermanier in wunderbarem Herbstsulz hinunterrauschen. Nachdem ich die Höhenmeter derart effizient vernichtete, ging es an den diesmal etwas längeren Gegenanstieg zum letzten Gipfel des heutigen Tages.

Piz da la Funtauna
Meine Beine meldeten sich müde wimmernd zu Wort – nicht zuletzt dank meines Tempoanstieges in den Morgenstunden. Der Berg schien seinem Namen keine Ehre zu machen: Weit und breit keine Quelle in Sicht, um mich mit erquickendem Nass zu stärken. So trottete ich auf Wegspuren gegen den Gipfel, mit dem Wissen, dass im Talgrund auf der anderen Seite des Berges die Funtauna Fraida hervorsprudelt. So war mein Aufenthalt auf diesem Gipfel ebenfalls von kurzer Dauer, wobei im Abstieg bei einer gewissen Quelle eine etwas längere Rast eingelegt wurde. Der weitere Weg nach Samedan war Genuss pur: Im Blickfeld immer das weisse Gebirge der Bernina über den leuchtend eingefärbten Lärchen.
Rüstet man sich mit einem genügenden Wasservorrat und lässt man sich nicht von einem eintönigen Aufstieg durch wenig rücksichtsvoll angelegte Skianlagen abschrecken, so bietet diese Tour eine wunderschöne Überschreitung der zu Unrecht äusserst selten besuchten Gipfel oberhalb von St. Moritz. Besonders der Piz Saluver wäre auch als eigenständige Tour ein lohnendes Ziel, sei es im Herbst oder im Winter mit den Skis!
 
Nachtrag
Eingelullt von den schönen Eindrücken dieser Tour, nahm ich als unverbesserlicher Heimwehzürcher den Zug zurück ins Unterland, anstatt nach Scuol, dem RhB Anschluss meiner Ferienresidenz. So mussten sich meine bereits in Regeneration befindlichen Beine nochmals zu einem einem Sprint von Spinas zurück ins Haupttal nach Bever gezwungen sehen. Mit einer Stunde Verspätung erreichte ich dann das andere Ende der Geleise im Unterengadin doch noch.  Allerdings mit strapazierten Nerven und Oberschenkelmuskulatur.

Tourengänger: ZoSi


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