Gross Fiescherhorn 4049 m und Hinter Fiescherhorn 4025 m - Normalweg von der Finsteraarhornhütte


Publiziert von Cubemaster , 27. August 2020 um 20:01. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:19 August 2020
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m

Das letzte Ziel unserer Hochtourenwoche in den Berner Alpen sollten die Fiescherhörner sein. Die Finsteraarhornhütte war schon unser Stützpunkt für die Touren auf das Finsteraarhorn und das Gross Wannenhorn gewesen (siehe Raphaels Berichte Finsteraarhorn und Gross Wannenhorn). Da nun nochmal nahezu perfektes Wetter angesagt war, wollten wir von dort aus nun auch noch die Fiescherhörner angehen (im Zuge von Raphaels Projekt, alle 4000er der Schweiz zu besteigen).
Wir wussten, dass man hier schnell sein muss, wenn es denn mit beiden Gipfeln hinhauen soll, aber wir fühlten uns fit und gut akklimatisiert. Eine Gruppe war am Vortag auf dem Hinter Fiescherhorn gewesen, der Weg durch den noch gut schneebedeckten Eisfall sollte also möglich sein. Einzig Raphaels immer schlimmer werdende Blasen an den Hacken gaben Anlass zur Sorge...

Wir frühstückten um 4.00 Uhr, zusammen mit einigen Finsteraarhorn-Aspiranten und starteten um 4.40 Uhr. Zuerst dem nördlichen Abstiegsweg zum Gletscher hinunter folgend (ca. 100m Abstieg), dann mit Steigeisen und Pickel, aber noch ohne Seil über den blanken Gletscher. Man sollte hier schauen, dass man zügig Richtung Gletschermitte kommt, um den Spaltenzonen am rechten Rand auszuweichen.
Ca. 2 km ging es ganz gut zu gehen (ein paar Spalten müssen beherzt übersprungen werden, alles nichts Ernstes), dann endete langsam der apere Bereich und wich einer fürchterlichen Buckelpiste von hartgefrorenen Schneeresten. Weitere 2 km ging es dann also relativ anstrengend und unangenehm weiter, Raphael kämpfte sich hinter mir her, er hatte einen denkbar schlechten Start in den Tag erwischt und die Realisierung der Tour war zu diesem Zeitpunkt eher fraglich.

Um 6.30 Uhr erreichten wir (inzwischen angeseilt) den unteren Bereich des Eisfalls. Die Spur vom Vortag war schon größtenteils wieder zugeweht und nur noch schwer erkennbar. Teilweise der schwachen Spur folgend, teilweise mit der richtigen Spürnase durchquerten wir den unteren Teil der gewaltigen Bruchzone weit an der rechten Seite. Rein optisch sehr beeindruckend, technisch aber weniger schlimm als befürchtet (WS würde ich sagen, vermutlich aber stark von den Bedingungen abhängig!) ging es immer im Zickzack nach oben. Als am gefährlichsten emfand ich hier eine Stelle wo man durch recht steiles Gelände (ca. 40 Grad) oberhalb eines riesigen Lochs queren musste. Hier darf keiner ausrutschen, sonst liegen beide unten...

Als wir oben flacheres Gelände erreichten, mussten wir trotz der ganzen objektiven Gefahren eine kurze Frühstückspause einlegen, sonst wäre wohl gar nichts mehr weitergegangen. Ab hier besserte sich Raphaels Zustand dann auch rapide. Es geht dann flach ansteigend weiter, immer relativ weit an der rechten Talseite bleibend. Hier sind einige gigantische, bodenlose Löcher, die Spur führte natürlich um viele in gebührendem Abstand herum, aber einige müssen dann doch über Schneebrücken überquert werden. (Hier muss vernünftig mit dem Seil umgegangen werden, ein bloßes alibimäßig-am-Seil-Gehen, wie man es leider so häufig sieht, kann hier katastrophale Folgen haben!)

Weiter oben gibt es immer weniger Spalten und wir mussten (nun endlich in der Sonne) den anstrengendsten Teil der Tour absolvieren: Der Neuschnee der letzten Tag war leicht und pulverig, aber tief. So stapfte ich dann auch der verwehten Spur entlang über die endlosen, flachen Hänge immer weiter nach oben, bis sich auf ca. 3700m meine Kraft dem Ende neigte. Aber Raphael hatte inzwischen eine Wunderheilung durchlebt und war wieder fit. So übernahm er das Spuren und ich schnaufte hinterher. Um 9.30 Uhr erreichten wir dann den Einstieg in den Felsgrat des Gross Fiescherhorns (ca. 3950m). Hier deponierten wir unsere Eisausrüstung (nicht ganz optimal, die Steigeisen wären weiter oben hilfreich gewesen) und begannen zu klettern.

Wir gingen den Grat am laufenden Seil (nicht ganz Raphaels Lieblingsmethode, aber einfach am schnellsten). Ich hatte einen 0.5er und einen 1.0er Camalot dabei, die ich auf dem ersten, ziemlich plattigen Stück (max II+) auch ganz brauchbar fand. Man gelangt dann an einen ziemlich luftigen Abseilstand, an welchem ostseitig in die folgende Scharte abgeseilt werden kann (ca. 6-8 Meter), was wir auch taten. Unten in der Scharte ist ein weiterer Stand für den Rückweg, der entweder dazu verwendet werden kann, bis ganz unten zum Gletscher abzuseilen (Seillänge dafür?), oder den Wiederaufstieg am Grat abzusichern.

Weiter geht es nun wiederum über plattige Felsen hinauf (max II+), bis man irgendwann links um ein Eck herumkraxelt und ein Stück in der Westflanke absolvieren muss. Hier lag noch ordentlich Schnee, ohne Steigeisen war das eine recht rutschige Angelegenheit, mir war nicht so 100prozentig wohl dabei. Glücklicherweise gab es hier in brauchbaren Abständen aber zwei große Felsen, um die sich das laufende Seil legen ließ, was die Situation etwas entspannte. Durch eine schneegefüllte Rinne gelangten wir wieder auf den Grat (ausgerechnet am steilen Ende der Rinne brach mir ein sehr solide aussehender Griff aus, aber durch meine vorsichtige Kletterweise war das nicht schlimm).

Der Rest war dann recht einfach und um 10.30 Uhr standen wir auf dem Gross Fiescherhorn. Das Wetter war super: nicht zu kalt, tolle Fernsicht, einfach ein Traumtag. 15 Minuten genossen wir die Aussicht, machten Bilder und stärkten uns kurz. Dann stiegen wir wieder ab, relativ unproblematisch erreichten wir wieder die Scharte. Da wir unsere Eisausrüstung ja am Gratanfang deponiert hatten, kam nur Wiederhochklettern infrage. Raphael wollte schon wieder einfach drauflos, aber dafür sah mir die Stelle einfach zu ernst aus. Am Stand gesichert stieg ich also vor bis zum Beginn eines langen Risses. Dieser eignete sich auch perfekt zum Sichern mit den beiden Cams, und so kletterte ich perfekt gesichert auf ein flaches Podest hinauf (III+, ausgesetzt). Den Felsen mit dem Abseilstand umkletterte ich dann hinten (westseitig) und gelangte schließlich von oben wieder zur Abseilstelle. Von hier kann man mit Körpersicherung den Nachsteiger perfekt absichern.

Auch auf dem letzten Stück hinunter muss man nochmal Vorsicht walten lassen, und um 11.30 Uhr standen wir wieder am Einstieg. Ich hatte so grob 12 Uhr als Deadline im Kopf für diese Stelle, um noch den zweiten Gipfel anzugehen. Das hatten wir nun eindeutig geschafft, also los: Über eine sehr steile, vom Wind schon wieder komplett zugewehte Spur wühlten wir uns dann Richtung Hinter Fiescherhorn hinauf (nicht wirklich heikel, da darunter Auslaufbereich ist). Oben noch über ein paar einfache Felsen, dann (12.10 Uhr) hatten wir auch den zweiten Gipfel dieses Tages geschafft. Nochmal genossen wir die tolle Fernsicht und machten Bilder. Um 12.30 ging es dann schließlich hinunter. Denn schließlich wird der Eisfall ja nicht besser mit der Nachmittagshitze...

Trotz Tiefschnee ging es zügig hinunter (einfach durchwühlen!). Besonders gefährlich waren nun natürlich die Schneebrücken über die bodenlosen Riesenlöcher, mit stramm gespanntem Seil überquerten wir diese respektvoll. Der untere Teil des Eisbruchs sollte ebenfalls zügig passiert werden zu einer solchen Tageszeit, denn links darüber hängen richtige Eisberge, die bei warmen Temperaturen schonmal den Weg in die Tiefe antreten können. Um 14 Uhr hatten wir dann auch den Auslauf des Eisfalls und somit die sichere Zone erreicht.
Der weitere Rückweg gestaltete sich dann als eine ziemliche Wasserschlacht (Raphael bezeichnete einen größeren Bereich in der Gletschermitte als "Binnenmeer") und meine Schuhe waren komplett durchnässt, als wir endlich am aperen Bereich des Gletschers ankamen. Über diesen latschten wir dann noch bis zum Beginn des Hüttenwegs und quälten uns die 100m über Geröll und Felsen hinauf. Total erledigt, aber mit einer fantastischen Tour im Gepäck erreichten wir um 15.40 Uhr wieder die Hütte.

Bemerkung zum Begehen solcher Gletscher als Zweierseilschaft:
Als Zweierseilschaft muss unserer Ansicht nach auf so großen Gletschern besonders umsichtig vorgegangen werden. Wir setzen hier in erster Linie auf Selbstrettung, d.h. wir sind bereits mit Seilrolle mit Rücklaufsperre eingebunden, so dass mit wenigen, kurzen Handgriffen ein Flaschenzug zur Selbstrettung installiert ist. (Das haben wir vorher auch nochmal geübt.) Eine Rettung mit Fixpunkt durch den haltenden Partner ist nur das letzte Mittel, falls der in der Spalte hängende Partner nicht mehr handlungsfähig ist.
Dass man das Gelände jederzeit auf Gefahren untersucht und das Seilhandling entsprechend danach gestaltet, sollte selbstverständlich sein (leider sehe ich viel zu oft genau das Gegenteil).

Tourengänger: Cubemaster, Raphy


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

ADI hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2020 um 17:22
SEHR starke Unternehmung, bei der allein nix geht....
GRATULIERE!

Beste Grüße!


ADI

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. September 2020 um 12:31
Vielen Dank Gunter!

Das war auch wirklich eine sehr gelungene Teamleistung. So wie es sein sollte ;-)

SEalpin hat gesagt: Interessanter Bericht
Gesendet am 20. September 2020 um 09:55
Danke für den sehr guten und sehr informativen Bericht - und natürlich Glückwunsch zur erfolgreichen Tour!

Diesen Sommer war ich auch auf der Finsteraarhornhütte und dem Finsteraarhorn und wir haben uns aus der Ferne die Spaltenzone angesehen. Auf dieser Grundlage sowie der Führerliteratur hatte ich diesen Weg schon eher als im Sommer zu heikel und schlecht begehbar abgetan, obwohl ich die Fiescherhörner eigentlich gerne auch einmal über diese Route besteigen würde.

Daher finde ich es sehr hilfreich, dass du mit deinem Bericht einen gute dokumentierten Einblick in diese Route bietest. Die Passage unter den "Eisbergen", vor der auch in der Literatur gewarnt wird, scheint mir aber tatsächlich nicht ganz ohne zu sein.

Cubemaster hat gesagt: RE:Interessanter Bericht
Gesendet am 23. September 2020 um 10:33
Vielen Dank für das positive Feedback, das hört man natürlich gerne!

Ich hatte vor der Tour auch recht wenig Informationen über die Route gefunden und wollte genau deshalb mit diesem Bericht etwas mehr (aktuelle) Informationen bereitstellen.

Die Passage unerhalb der "Eisberge" bildet natürlich ein latentes Risiko, hier kann man nur die üblichen Maßnahmen zur Risikominimierung beherzigen: Morgens so früh wie möglich durch und nachmittags zügig die Stelle passieren (ca. 15 min im Abstieg wenn man nicht trödelt).


Kommentar hinzufügen»