Über den östlichsten Grat der Schweiz


Publiziert von Delta Pro , 23. August 2020 um 23:38.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Val Müstair
Tour Datum:23 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Münstertaler Berge   CH-GR   I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 3190 m
Strecke:35 km

Grandiose und lange Grenz-Tour im äusserten Osten der Schweiz - 16 km Grat und 11 Gipfel an einem frühen Morgen

Der Piz Chavalatsch ist der östlichste Punkt der Schweiz - dies schon ein Grund ihn einmal zu besuchen. Noch viel anziehender jedoch ist der insgesamt 16 km lange Grat entlang der Landesgrenze, der dort ansetzt und sich ohne grössere Einschnitte begehen lässt. Eine Grattour der Superlative - immer spannend, nie schwierig, unglaubliche Panoramen, und eine konditionelle Herausforderung. Die Überschreitung vom Chavalatsch zum Stilfserjoch ist von Zolliker hier schon beschrieben. Angesichts der dort aufgewendeten fast 10 Stunden trotz Fahrdiensten am Anfang und Schluss war mir klar, dass ich früh losmusste, wenn ich die Tour mit Start und Ziel in Müstair an einem Vormittag abschliessen wollte. Es klappte und wurde belohnt durch einen unvergesslichen Tourenmorgen am Ostrand der Schweiz. Grundsätzlich liegen die Schwierigen dieser Tour nicht hoch: Chavalatsch bis Cotschen ist durchgehend italienisch markiert, ein schmaler Weg ist vorhanden. Dennoch halte ich T4+ für gerechtfertigt, da fast der ganze Grat felsig ist, und immer wieder abschüssige Stellen auftreten. Die Schlüsselstelle meiner bis zum Piz Val Gronda verlängerten Runde ist der Piz Stabels, wo das Gelände wilder wird und etwas geklettert werden muss. 

Lange hatte ich überlegt ob das Wetter an diesem Sonntagmorgen gut genug wäre: MeteoSchweiz sagte ziemlich explizit, dass Gipfel über 2000m in Wolken blieben und vor allem gegen Osten nicht mit viel Sonne zu rechnen wäre. Doch es schien mir, dass am ganz frühen Morgen ein Schönwetterfenster über dem Münstertal sein müsste. Und tatsächlich: Als ich um Viertel nach drei in dunkle Nacht trete, funkeln die Sterne. Nach nur 5 Minuten einlaufen ist fertig gejoggt - die nächsten 1500 Höhenmeter von Müstair zum Piz Chavalatsch sind steil. Im Schein der Stirnlampe purzeln die Höhenmeter. Trotz den starken Regenfällen vom Vortag hat es erstaunlich gut abgetrocknet und wider erwarten sind meine Schuhe nur wenig nass als ich noch vor der Dämmerung am östlichsten Punkt der Schweiz ankomme. Im Osten macht sich der Tag bemerkbar, die Silhouetten der Gipfel sind erkennbar, aber obwohl nirgends in der Schweiz die Sonne früher aufgeht, bin ich zu früh dran. Egal, war so geplant. Nach kurzer Rast mache ich mich auf den langen Ritt über den Grenz-Kamm.

Gemäss Kartenbild hatte ich erwartet bis zum Fallaschjoch eher langweilige Grasgrate anzutreffen. Das ist aber nicht der Fall. Ab der Scharta ist der Kamm praktisch durchgehend felsig, jedoch fast immer breit und einfach zu begehen. Dennoch macht das Gehen Spass, ist spannend und abwechslungsreich. Obwohl viele kleine Erhebungen überschritten werden (versteckte Höhenmeter) sind es mehr als 3 km zum ersten benannten Gipfel (Piz Sielva). Ein komisches Ding, da vier fast gleich hohe Gipfel quasi im Kreis nebeneinander stehen - man wähle einen aus. Ich nahm den zackigen links, der mir am höchsten schien (Gipfelbereich T4). Weiter geht es entlang den deutlichen Wegspuren und Markierungen. Im Sattel vor dem Piz Mischuns kommt die Sonne - unglaublich schön! Recht steil hinauf zum Piz Minschuns (knapp T4). Bis ins Fallaschjoch kann gerannt werden, bevor der Grat wieder steiler wird. Die Markierungen nehmen die Routensuche im teils etwas unübersichtlichen Gelände ab. Da ich den Fallaschkopf nicht verpassen will, verlasse ich den Weg und klettere über schöne Platten dem Grat entlang (II), biege dann aber auf Höhe des oberen Fixseils auf dem Weg doch wieder in die Westflanke ab. Der Fallaschkopf folgt später und wird mit wenigen Metern Kraxelei vom Pfad erreicht. Über ein weitere Erhebung gelangt man in abwechslungsreichem Anstieg zum Piz Costainas (insgesamt T4+). 

Nach einer Pause, die fantastischen Blicke auf den Ortler und Co geniessend, geht's weiter. Der Abstieg in die Fuorcla Costainas ist nicht schwer, aber stellenweise doch steil (T4, Fixseile). In Geröll über den Gross Tartscherkopf. Der Klein Tartscherkopf wird in wenigen Minuten vom Weg über Platten bestiegen (T4). Von oben in den sehr steilen Südgrat einzusteigen scheint mir ungeschickt, also zurück auf den Weg. Über den namenlosen Pt 2937 führt der Weg mit einer kurz etwas exponierten Querung durch die Westflanke zum Korspitz und dann einfach zum Piz Cotschen, dem höchsten Punkt der Tour. Da das Wetter nach wie vor hält, entscheide ich den Grat noch zu verlängern, bzw. das Hufeisen ums Val Costainas abzuschliessen. Das ist sehr lohnend, aber weiter als ursprünglich gedacht und auch etwas wilder, da keine Begehungsspuren auszumachen sind. Durch eindrückliches Geröllgelände folge ich dem Kamm weiter und lasse mich etwas weit in die Flanke abdrängen, da ich vielen Erhebungen am Kamm einsparen wollte. Schliesslich quere ich wieder hinauf. Die Plattenfluchten in die Scharte vor dem Piz Stabels lassen sich erstaunlich gut begehen (T4+). Aus der Scharte zuerst auf einem Gemswechsel etwas nach rechts, dann direkt über den Grat hoch. Die Felsstufen vor dem Gipfel lassen sich direkt in gutem Fels ersteigen (einige Stellen T5, II). Der Piz Stabels ist eine Hikr-Erstbeschreibung - mittlerweile eine Seltenheit in der Schweiz. Der Grat wird nun breiter, bleibt aber landschaftlich wunderschön und zieht sich bis zum Piz Val Gronda noch ziemlich in die Länge. Hier verlasse ich den Grat nach 16 km und gut 4 Stunden - genial war's! Für den Abstieg ins Val Costainas wähle ich die Direttissima über den Ostsporn - ziemlich steil (T4+), aber es macht Spass und ist sehr effizient. Dann kommt das 12 km lange Auslaufen... Zuerst das Val Costainas hinaus und zum Restaurant Plattatschas, der Umbrail-Passstrasse entlang bis ca. 1500 m.ü.M. und dann auf dem Höhenweg zur Cascada da Pisch und runter nach Müstair, wo ich die Familie auf dem Spielplatz treffe.



Durchgangszeiten:
Müstair: 3.20
Piz Chavalatsch: 5.16
Piz Minschuns: 6.37
Piz Costainas / Furkelspitz: 7.25
Piz Cotschen / Rötlspitz: 8.47
Piz Val Gronda: 9.35
Müstair: 11.15

Tourengänger: Delta


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Kommentare (3)


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Alpin_Rise hat gesagt: Schöne Runde!
Gesendet am 24. August 2020 um 09:35
Kartenbild und Realität sind genau vertauscht: in der ersten Hälfte Chavaltsch - Minschuns doch unerwartet felsig, während die zweite, wild aussehende Hälfte Minschuns - Cotschen dank dem nicht eingezeichneten Pfad recht flüssig geht. Eine der lohnendesten Alpinwanderungen der Gegend, erstaunlich wenig bekannt.

Schön hat der Piz Stabels jetzt einen Eintrag; war damals schon auf dem Weg dorthin, als ich es mir anders überlegte ;-)

Gratuliere und G,
Rise

BaumannEdu hat gesagt:
Gesendet am 24. August 2020 um 10:11
Wow. Eine Gewaltstour!

3614adrian hat gesagt:
Gesendet am 24. August 2020 um 10:46
Gratulation zur tollen Frühmorgenrunde!
Lg
Adrian


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