Nur fünf Minuten Regen - Auf das Sonnjoch und einige seiner Trabanten
|
||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Das Hahnkampl ist der Tipp eines wohlgesonnenen Arbeitskollegen. Ich bin begeistert und beschließe das mit einer wiederholten Besteigung des Sonnjoch zu verbinden - das Sonnjoch endlich einmal bei Sonnenschein. Vielleicht geht ja zum Schluss sogar noch eine Verlängerung über das Gramaijoch.
Die Engalm wach gerade erst auf, als die hohen Wände über dem Talschluss bereits in der grellen Sonne liegen. Ich habe diesen Schlenker auf dem Weg zu Binsalm bewusst gewählt, um etwas von dieser Morgenstimmung einzufangen.
Der Aufstieg zum westlichen Lamsenjoch verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Dort angelangt steht man zusammen mit den umliegenden Gipfel auch endlich in der Sonne. Der weitere Weg auf das Hahnkampl verläuft unaufgeregt, bis auf ein, zwei Stellen, an denen es dann doch seitlich etwas abpfeift. Insgesamt, wie bereits gesagt bzw. geschrieben, alles recht unaufgeregt und sehr angenehm. Am Gipfel ist noch nicht viel los, als ich nach etwas mehr als zwei Stunden dort ankomme.
Eigentlich könnte man die Tour hier vorzeitig beenden und den ganzen Tag damit verplempern, hier zu sitzen und die sagenhafte Aussicht zu genießen. Aber da ist die offene Rechnung mit dem Sonnjoch, das ich endlich einmal bei Sonnenschein besuchen möchte.
Es geht also schon wieder weiter und man quert unterhalb des Gramaijoch auf einem sehr matschigen Weg hinüber an den Fuß des schuttigen Aufschwungs. Ich bin heute schnell unterwegs. Aber immer wenn Du denkst, Du seist der Schnellste, dann überhohlen Dich am Ende doch zwei lange Beine mit Pferdeschwanz, geschätzte Steigrate 600 Hm/h. Langsam kann ich mich aus den Fängen der Wirbelschleppe befreien, gewinne mein Gleichgewicht wieder und arbeite mich in sengender Sonne über Schutt und Geröll höher.
Aha, so sieht das also bei Sonnenschein hier oben aus! Na, dafür hat sich der Körperschweiß dann doch gelohnt. Alles tummelt sich um das Gipfelkreuz. Ich stehe im Weg und soll aus dem Gipfelfoto irgendeiner unbedeutenden Person verschwinden, wird mir unhöflich bedeutet. Covid-19 befällt also nicht nur die Lungen, sondern auch Anstand und Sitten…
Etwas abseits ist es ohnehin viel schöner. Auch hier könnte man einen ganzen Tag in Müßiggang vergammeln, ja sogar die Nacht, denn es gibt genügend Platz für Schlafsack und Isomatte.
Gerade will ich zum Abstieg blasen, da gerate ich unvermittelt in eine anregende Unterhaltung mit einer sehr charmanten, intelligenten, jungen Dame, eben jenem Pferdeschwanz, in dessen Wirbelschleppe ich vorhin ins Straucheln geraten bin. Nach einer halben Stunde stellen wir fest, dass wir uns auch beim gemeinsamen Abstieg weiterhin unterhalten können. Man muss dazu nämlich gar nicht stehen bleiben…
Am Gramaisattel trennen sich unsere Wege und ich habe ein bisschen mehr das Gefühl, dass für diesen Planeten und seine Bewohner doch noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft besteht!
Jetzt noch auf das Gramaijoch. Leider bin ich schlecht vorbereitet, d.h. gar nicht. Ich schaue den Mugel also an und bilde mir eine gangbare Latschengasse in dessen Nordhang ein. Es gibt sogar so etwas wie Wegspuren, allerdings nur von Kühen. Alte, rote Farbmarkierungen zeugen von einer früheren Zeit. Es ist steil und meine Pumpe überschlägt sich. Mehr Trinkwasser wäre jetzt gar nicht so schlecht. Von einer dichten Schicht aus Baumharz überzogen verlasse ich den Latschengürtel und erreiche den ungeschmückten Gipfel. Leider ist die Sonne mittlerweile auch verdeckt. Das ging schnell. Nur eben ein paar Fotos, dann die letzten Tropfen Wasser vom Boden der Trinkflasche gelutscht und es geht wieder abwärts zum Binssattel, dieses Mal auf einer deutlich sichtbaren Spur.
Fünf Minuten vor Erreichen des Alpengasthofs Eng beginnt es dann zu regnen. Ich kann gerade noch den Fotoapparat in den Rucksack retten, für die Regenjacke ist es da schon zu spät. Unter einem Baum fische ich den Autoschlüssel aus dem Rucksack, als mich eine verregnete Frau anspricht: „Das war aber perfektes Timing, gell?“ Tja, so unterschiedlich können die Ansprüche an Perfektion sein.
Abgesehen von der Restfeuchte in der Hose war es aber tatsächlich ein perfekter Bergtag!

Kommentare