Erstaunlich wild: Hoschbachgraben


Publiziert von ABoehlen , 31. Juli 2020 um 12:37.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Emmental
Tour Datum:27 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 500 m
Abstieg: 500 m
Strecke:Worb – Walkringen – Hoschbachgraben – Aetzrütti – Mänziwilegg – Wattenwil – Worb, 18 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Worb Dorf
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Worb Dorf
Unterkunftmöglichkeiten:zuhause
Kartennummer:LK1167 Worb

Schon sind fast 7 Monate dieses Jahres verstrichen und die Wanderschuhe stehen immer noch unbenutzt im Schrank. Höchste Zeit, sie einzulaufen! Während des Lockdown waren anspruchsvolle Touren tabu und für die täglichen Runden über den Worbberg reichten die Turnschuhe. In die Alpen gelangt man derzeit aber nur maskiert und sowieso ist es vielerorts überlaufen, was man so hört und liest. Das macht aber nichts, denn ein Mittelgebirge liegt direkt vor meiner Nase: Die Wägesse. Der Teil nördlich und westlich von Worb gehört zur eiszeitlichen Terrassenlandschaft, Richtung Osten, gegen das Bigletal hin, zeigt sich jedoch eine Napf-ähnliche Erosionslandschaft mit steilen, engen Gräben. Dort will ich hin!

Abmarsch ist ca. um 08:15 Uhr, erst auf bestens bekannter Strecke durch den Worbberg-Wald nach Enggistein. Dort beginnt dann ein eher mühsamer Abschnitt, schnurgerade und völlig ohne Schatten durch das Moos, an Walkringen vorbei, talabwärts. Ca. um 09:30 Uhr erreiche ich den Eingang zum Hoschbachgraben.

Dieses Tal ist mir beim Vorbeifahren schon oft aufgefallen. Sehr steil ragen seine Abhänge empor, mehr als 200 Höhenmeter. Obwohl es keinerlei Strassen gibt, sind von der Hauptstrasse und der Bahnlinie aus deutlich Häuser zu sehen, die wie an den Hang geklebt erscheinen. Es gibt nur einen Ort, Hosbach (amtlich), der aber nur aus einer Handvoll Häuser besteht, wovon das grösste eine Mühle ist. Der Strassenverlauf auf der Karte stimmt hier nicht, so würde man wohl direkt im Mahlwerk landen. Stattdessen muss man aussen um das Gebäude herum und mündet danach in eine Dreckstrasse, die weiter hinten im Bach endet. Laut Karte führt dort ein Pfad zu einem Haus, das in einer winzigen Lichtung steht. Enorm steil geht es bergan, aber die Spuren verlieren sich bald im allgemeinen Grünzeugs und dieses Haus kriege ich nie zu Gesicht. Ich halte daher auf den von Norden kommenden Wasserlauf zu, der in einer sehr steilen Rinne gluckert. Wohl gab es mal ein Brett zur Querung, dies liegt jedoch nutzlos im Abhang. Dann halt auf allen Vieren, irgendwie. Das ist regelrechtes Val Grande-Gelände, sogar mit ein paar dornigen Robinien garniert. Und so nahe von Zuhause, eigentlich unglaublich!

Zwischen diesem und dem nächsten Rinnsal soll es ein weiteres Haus geben, aber ich bin wohl schon zu hoch. Der Abstieg zu diesem Bach ist dann wirklich halsbrecherisch steil und wäre ohne Bäume zum Festhalten nicht zu meistern. Genau am Bach stosse ich aber auf den in der Karte eingetragenen Hangweg und gleich darauf zu einem Haus, wo dieser zu enden scheint.

Meine Bemühungen, die Fortsetzung zu finden, werden von der Bewohnerin bemerkt und sie zeigt mir, wie's geht. Dazu muss man unter einem Teil des Daches hindurch! Der Weg sei noch begehbar, werde aber nicht mehr benutzt und gepflegt, erfahre ich. Wir unterhalten uns noch eine Weile, danach ziehe ich weiter. Die Sicht hinunter zur Mühle, hinaus ins Bigletal und bis zu den Schneebergen ist sehr eindrücklich. Der Pfad führt nun abermals in ein Bachtobel, steil und eingewachsen, und auf morschen Holzbalken gelange ich hinüber. Das nächste Haus heisst Schlössli, aber vom Weg, durch die dichte Vegetation sehe ich es nur schemenhaft.

Es folgt nun eine Spitzkehre und erneut geht es taleinwärts. Aber dann scheint endgültig Schluss zu sein. Ein mächtiger Baum ist auf den Weg gestürzt und hat das Holzgeländer zerschmettert. Hinüberklettern kann ich nicht, der Baum ist zu gross und liegt nahezu im 45° Winkel im Steilhang. Erst beim Zurückgehen sehe ich beim genauen Hinsehen eine dünne Spur, die abzweigt und aufwärts führt. Es ist tatsächlich eine Umgehung, sogar mit einzelnen Stufen, wo es ganz steil ist. Problemlos gelange ich so hinüber und erreiche ein weiteres entlegenes Heimwesen, genannt Stäubi. Ein Zickzackweg führt mich von dort hinauf zur Hangkante und weiter auf das Plateau zum Pt. 912.

Dieser Übergang ist einzigartig; als käme man aus dem Grand Canyon hinauf auf das Plateau! Die Sicht weitet sich, Felder dominieren und der enge, steile Graben scheint auf einmal weit weg zu sein!

Der Rückweg führt nun wieder durch bekanntes Gelände: Über die Ätzrütiegg, den höchsten Punkt heute, nach Aetzrütti, weiter zur Mänziwilegg und schliesslich bergab, Worb entgegen. Über Schlattacher, Wattenwil und Schiessstand Lehn treffe ich schliesslich nach etwas mehr als 4 Stunden wieder zuhause ein. Die Füsse brennen und es hat sich eine kleine Blase gebildet, aber insgesamt hat alles tadellos geklappt und ich durfte eine weitere unbekannte Ecke unserer Heimat entdecken. Dazu hatte ich meine Ruhe, denn andere Wanderer habe ich keine getroffen. Was will man mehr!

Tourengänger: ABoehlen


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»