Weißkugel (3.739 m) - geschmolzener Nordgrat, Nord-Süd Überschreitung ab Melag


Publiziert von boerscht , 31. Juli 2020 um 11:29.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:18 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I   A-T 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:27,0 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Via Reschenpass nach Melag. PP 8€/12 h
Unterkunftmöglichkeiten:Weißkugelhütte

Dieses Wochenende ist nur Samstag/Sonntag Zeit, das Wetter jedoch super gemeldet und die Verhältnisse für hohe Touren sind zur Zeit nicht übel. Es muss also was in der Nähe ohne ewige Anfahrt her und gerne auch etwas spanendes. Die Weisskugel kommt mir in den Sinn mit dem wenig begangenen und auch hier auf hikr wenig beschriebenen Nordgrat. Das ganze wollen wir mit Biwak machen. Nordgrat rauf, Normalweg runter ab Melag. Klingt doch erstmal gut.

Tag 1:

Melag - Melager Alm - Weißkugelhütte T2; 1:30 h:

Wir starten am großen Wanderparkplatz in Melag. Der kostet für 12 h 8€, das reicht jedoch nicht also kostets letztendlich 20€, ganz schön happig. Dafür gibts am Parkplatz Toiletten und Trinkwasser.
Den breiten Weg gehts das Tal hinein zur Melager Alm. Hier wird der Fluss überquert und in einigen Serpentinen führt der Wanderweg nun steiler aber unschwierig zur schön gelegenen, kleinen Weißkugelhütte hinauf.
Stefan, der Hüttenwirt begrüßt uns freundlich und wir erzählen von usnerem Vorhhaben dem Weißkugel Nordgrat. Er meinte es sollte eigentlich gute Verhältnisse haben, der Grat ist allerdings nicht oft begangen. Mehr Leute gehen die Ostwand hoch, ein schöner, steiler Firnanstieg auf den Gipfel.
Nach leckerem Kaisermschmarren machen wir uns auf den Weiterweg.

Weißkugelhütte - Langtauferer Ferner T3; L: 1:30 h:

Von der Weißkugelhütte aus gehts nun auf gutem Wanderweg auf die riesige Moräne des Langtauferer Ferners. Diese wird etwas unterhalb auf gutem Weg abschüssig gequert. Der weitere Weg zum Beginn der Gletscherzunge mit eindrucksvollem Gletschertor ist nicht zu verfehlen und führt über eine Brücke, welchen den Gletscherbach quert. Auf Steigeisen anlegen und anseilen können wir auf der langen, flachen Gletscherzunge getrost verzichten, da diese komplett aper ist. Die Zunge längs querend gehts auf die linke Seite des Gletscherbruchs und hier wahlweise in Firn oder einem markanten Schuttband hinauf. Auf dem nun flachen mit noch etwas Firn bedecktem Gletscher angekommen suchen wir uns in der Nähe eine Felsinsel welche sich als Biwakplatz eignet. Das ist jedoch gar nicht so einfach. Nach ca 20 Minuten Steine verrücken und eine schöne Mauer gegen den Wind bauend haben wir einen super Biwakplatz errichtet. Vllt kann ja der ein oder andere davon noch nutzen machen. Liegt quasi direkt am Wegrand über den Gletscher und sollte nicht zu verfehlen sein.
Leider ist das Wetter nicht so toll wie vorhergesagt und es zieht ganz schön zu. Den ganzen Abend und auch die Nacht über regnet es leicht. Nicht so angenehm ohne Zelt. Die andern beiden haben noch dazu ihren Biwaksack vergessen. Zum Glück halten die Schlafsäcke mittlerweile auch im leichten Regen noch ordentlich warm.

Tag 2:

Langtauferer Ferner - Weißkugel Nordgrat - Weißkugel ZS, II-III; 5,5 h:


Nach der nicht sehr erhohlsamen Nacht auf dem Langtauferer Ferner stehen wir gegen kurz vor 5 auf. Das Wetter sieht nun super aus. Der Himmel ist klar und es geht kaum Wind. Gurt, Helm Steigeisen an und anseilen. Das Biwakzeug lassen wir alles liegen, wir kommen hier ja auf dem Rückweg über den Normalweg auch wieder vorbei.
Wir folgen der breiten Spur über den noch gut eingeschneiten Langtauferer Ferner in Richtung Weißkugeljoch. Der Schnee hat über nacht gut abgestrahlt und so sinken wir nur wenig ein. Auf etwa 3.150 m verlassen wir jedoch die Spur und peilen in ziemlich direkter Linie den Einschnitt am Nordgrat auf etwa 3.200 m an, welcher sich südlich vom markanten P.3.253 befindet. Achtung hier befindet sich eine Randkluft bevor es steil wird. Diese war bei uns noch gut eingeschneit und somit kein problem. In etwa 35-40 Grad steilem Gelände gehts in einigem Zickzack in die Lücke hinauf, welche den Beginn des Nordgrates zur Weißkugel markiert.
Der Weiterweg ist nun logisch. Es geht immer den Grat entlang. Dieser ist zunäcsht noch schneebedeckt und recht flach. Zum Sonnenaufgang gönnen wir uns eine erste kurze Pause und verkürzen das Seil und machen die Bremsknoten raus.
Der Grat macht bald einen leichten Rechtsknick und es geht in recht bröseligem Fels weiter hinauf. Stark ausgesetzt oder sonderlich steil ist es hier nicht. Ab und an brauchts mal die Hände und die ein oder andere Stelle ist noch mit Schnee bedeckt. Bisher jedoch alles sehr gemütlich und gut zu gehen. Der brüchige Fels zeigt aber schonmal einen kleinen Vorgeschmack von dem was noch kommen soll. Bis hier Kletterei alles nur im I. Grad.
Auf etwa 3.500 m Höhe wird der Grat flach und man steigt wieder auf Gletscher. Hier wäre ein Abstieg nach Osten auf den Langtauferer Ferner möglich. Was wir nun sehen sieht nur auf den ersten Moment schön aus. Eine im unteren bereich tolle Firnschneide. Diese sollte jedoch laut älteren Berichten den ganzen Grat hoch gehen. Pustekuchen, die gibts nur noch im unteren viertel. Weiter oben alles mit Felsen durchsetzt und von einer Gratschneide nichts mehr übrig.
Wir überlegen uns den besten Weg durch die Felsbänder. Das unterste wollen wir links im Schnee umgehen, dann durch das zweite an geeigneter Stelle durch und wieder auf das, was etwas einem Grat ähnelt. Puhh, steil schauts aus. Der untere Teil des Firns ist gut zu gehen, weicht jedoch schon langsam aufgrund der hohen Temperatur auf. Bis auf Höhe des ersten Felsbandes gehts ganz gut. Dann wird die Flanke jedoch verdammt steil (50-60 Grad). Ich will nun bis zum zweiten Felsband vorsteigen, dort Stand machen und die andern beiden Nachsichern. Bis zum Fels gehts gut über den Firn hinauf. Der Fels selbst ist dann leider verdammt brüchig und abwärtsgeschichtet. Nach etwas Kletterei (III) finde ich zum Glück einen festen Brocken um den man eine Schlinge legen kann und einen Riss für einen 0.4er Keil.
Über den Stand bin ich recht Glücklich, da das Gelände echt ungut zu klettern ist aufgrund der brüchigkeit und nasser, dünner Schneeauflage. Es folgt weiterhin sehr steiler Firn. Ein richtiger Grat ist nicht ausgeprägt. Vor einer sperrenden Felswand in brüchigem gestein nach links (osten) auf den hier ausgeprägten Ostgrat traversieren und diesen nun einfacher hinauf zum Firngrat. Dieser führt von einer Kletterstelle unterbrochen wunderschön direkt auf den Gipfel. Für den Gipfelfirngrat waren es die Strapazen vorher wert. Der ist wirklich der Knaller und die Blicke der Leute am Gipfel welche über den Normalweg kommen sind einem garantiert.
Glücklich den Nordgrat geschafft zu haben stehen wir am gut besuchten Gipfel der Weißkugel, welcher eine tolle Aussicht bietet.

Weißkugel - Normalweg - Hintereisjoch - Hintereisferner - Weißkugeljoch - Langtauferer Ferner - Weißkugelhütte WS+, I; 2,5 h:

Hinab gehts über den hier schon vielfach beschriebenen Normalweg. Vom Gipfel den Grat im Fels entlang in meist festem Fels und einfacher Kletterei (I). Hier sichern wir nicht mehr. Ab dem Wintergipfel dann wieder über Schnee eine steile Flanke hinunter, um den Wächtenkessel herum ins Hintereisjoch und nun der lange und einfache Gletscherlatsch übers Weißkugeljoch zurück zum Biwakplatz. Hier sammeln wir unser Zeug auf und kochen uns nochmal etwas Wasser auf, da wir den Trinkvorrat etwas knapp bemessen hatten und den ganzen Rückweg ohne Wasser auskommen mussten. Auf bereits bekanntem Weg dann einfach wieder zur Weißkugelhütte zurück, was sich allerdings nochmal ordentlich in die Länge zieht.

Weißkugelhütte - Melager Alm - Melag T2, 1 h:

Von der wirklich tollen und nett bewarteten Weißkugelhütte gehts nun auf bereits beganntem Weg in schöner Hochgebirgszenerie wieder hinab zur Melager Alm. Der flache, breite Forstweg von dieser nach Melag ziegt sich dann ganz schön in die Länge. Besser wärs, hier ein MTB an der Melager Alm zu deponieren, der Weg eignet sich bestens hierfür. So würde man sich nochmal 30 min Latscherei sparen.

Noch kurz zum Material:
  •  Zumindest ein Eisgerät ist sinnvoll
  • Wir waren mit 60 m Petzl Rad Line unterwegs, nicht ganz optimal da wir doch gesichert haben, was eigentlich nicht eingeplant war. Besser ein Halbseil mitnehmen.
  • 3-4 Schlingen 80-120 cm. Kleines Set Keile.
  • Bei schlauerer Routenwahl im steilsten Bereich und oder besserer Schneelage kommt man auch gut ohne Sicherungen aus.

Alles in allem eine meiner bisher spannendsten Bergtouren. Ich bin ziemlich Glücklich, dass diese Überschreitung des immerhin dritthöchsten Österreicher Berg trotz einiger unerwarteter Schwierigkeiten doch so reibungslos geklappt hat. Den Nordgrat kann ich zumindest zu dieser Jahreszeit definitiv nicht weiterempfehlen. Die Ostwand soll heute super Bedingungen gehabt haben schnappten wir auf der Hütte auf. Der Nordgrat ist wohl eher was fürs Frühjahr, wenn der ganze Bruch noch unter Schnee liegt. Dann sicher eine geniale und sehr lohnenswerte Tour, welche nicht oft begangen ist.

Tourengänger: boerscht


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