Mittlere und Große Ohrenspitze (3101m) - hohe Felsgipfel gegenüber vom Hochgall


Publiziert von BigE17 , 8. Juli 2020 um 11:15.

Region: Welt » Austria » Tirol » Rieserfernergruppe
Tour Datum:28 Juni 2020
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:17 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Huben. Hier führt eine Straße nach Westen ins Defereggental. Man fährt bis Erlsbach, dann zweigt rechts die mautpflichtige Straße zum Alpengasthaus Oberhaus ab. Ca. 3 km vor dem Oberhaus erreicht man die Patscher Alm, bei der es einen großen Parkplatz gibt.
Unterkunftmöglichkeiten:Barmer Hütte

Die Barmer Hütte steht mitten in einer Blockwüste hoch über dem Patschertal - einem Seitental des Hinteren Defereggentales. Nicht weit von ihr ragt der Hochgall empor - der höchste Gipfel in der Rieserfernergruppe. Dieser ist aber definitiv nicht der Hüttengipfel - dieser ist definitiv die Mittlere Ohrenspitze, deren Nordgrat bis vor die Hüttentür reicht. Trotzdem wird sie nur sehr selten bestiegen. Ihre Nachbarin - die Große Ohrenspitze - bekommt mehr Besuch - in erster Linie im Frühjahr. Wegen des mühsamen Blockgeländes im Zustieg sind diese Gipfel nur im Frühsommer zu empfehlen. Deshalb entschieden ich und ein Tourenpartner, die beiden Gipfel Ende Juni zu besteigen.

Start war um 6:00 bei der Patscher Alm. Anfangs folgten wir einem Schotterweg in Richtung Barmer Hütte. Er war recht steil und schottrig, daher waren wir froh, nicht mit dem Rad unterwegs zu sein. Nach einem längeren Flachstück wurde aus dem Weg ein Steig, da erwarteten uns dann auch schon die ersten - wenn auch vollkommen harmlosen - Felsblöcke. Auch das erste Schneefeld ließ nicht lange auf sich warten, war aber problemlos. Trotzdem war der Steig super zu begehen und wir erreichten im Nu die letzten Überreste der Alten Barmer Hütte. Die neue Hütte steht ca. 80 Hm weiter oben. Zu dieser gelangten wir über ein gut begehbares Schneefeld.

Unser nächstes Ziel war die Remscheidscharte, die die Große von der Mittleren Ohrenspitze trennt. Zuerst musste ein Schneefeld gequert werden, das leider nicht mehr so toll zu begehen war. Zweimal brach ich bis zur Brust ein. Danach folgte wieder ein kurzer Abschnitt über Blöcke, dann konnten wir schon Richtung Scharte emporschauen. Wir entdeckten Spuren von anderen Bergsteigern, die gestern auf der Großen Ohrenspitze gewesen sein mussten. Wir folgten diesen über einige Schneehänge, die zum Teil auch steiler wurden (30°). Wegen der guten Spuren benötigten wir keine Steigeisen, nebenbei brachen wir auch nicht mehr ein. So gelangten wir angenehm zur Remscheidscharte.

Unser erstes Ziel war die Mittlere Ohrenspitze über den SO-Grat, auf dem gottseidank nur noch an wenigen Stellen Schnee lag. Anfang bewegten wir uns in der Flanke nördlich des Grates, wobei das Gelände äußerst brüchig war (I). Als wir dann den Grat erreichten, wartete auch schon die Schlüsselstelle auf uns: Eine plattige, ausgesetzte Schneide musste überklettert werden (II+). Nach einer weiteren nordseitigen Umgehung (I) wurde aus dem Grat ein Blockgrat, über den wir bis zum Gipfelfelsen gelangen konnten (max. I-II). Hier führte uns ein Band durch die Südflanke hinüber zum obersten Südwestgrat, über den wir den Gipfel einfach erreichen konnten (I).

Wegen des tollen Wetters war die Aussicht fantastisch: Im Süden ging der Blick durch das Antholzertal hinaus nach Olang, im Hintergrund standen die Dolomiten. Im Norden war der Großvenediger. Das Highlight waren aber sicher der Hochgall und der Wildgall im Westen. Während der Hochgall noch tief winterlich verschneit war, zeigte sich der Wildgall als unnahbare Felsburg.

Schon bald begannen wir mit dem Abstieg über denselben Grat, wobei die Schlüsselstelle in diese Richtung deutlich einfacher zu überwinden war. Vor uns baute sich nun der steile NW-Grat der Großen Ohrenspitze auf. Am Anfang stiegen wir am einfachen Blockgrat höher (I), doch schon bald erwartete uns die Schlüsselstelle: Wir mussten erst ein brutal steiles Schneefeld für ca. 10 Meter queren (ca. 50°), gottseidank war es gut gespurt. Dann erreichten wir eine Kette. Mittels dieser Kette zogen wir uns empor. Das war relativ schwierig, da der Fels vereist war. Außerdem war diese Stelle äußerst ausgesetzt. Ohne die Kette wäre an diese Stelle sehr schwierig (IV). Danach folgten noch einige steilere Blöcke (I-II) sowie ein kurzes Schneefeld (30 Grad), dann wurde es immer flacher. Nach einem weiteren kurzen Aufschwung (I) erreichten wir ein flaches Plateau voller Schnee. Über dieses konnten wir die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel überwinden.

Im Gegensatz zum aperen Gipfel der Mittleren Ohrenspitze lag hier doch noch ordentlich Schnee, lediglich das Gipfelkreuz war zu sehen. Hier erwartete uns ein imposanter Tiefblick über die Südwand ins Antholzertal. Aber auch der über 500 Meter entfernte Ostgipfel sah von hier aus toll aus - nur besteigen möchte man diesen besser von der anderen Seite. Als Abstieg standen uns 2 Alternativen zur Auswahl: Entweder am Aufstiegsweg, oder durch die steile Nordflanke. Wir entschieden uns für den Aufstiegsweg, da die Nordflanke im unteren Teil bis zu 45° steil war und wir keine Steigeisen dabei hatten. An der Schlüsselstelle war nochmal große Vorsicht geboten. Einen Absturz würde man hier kaum überleben. Der restliche Abstieg zur Remscheidscharte war einfach.

Nun konnten wir durch den Schnee abrutschen, bis wir auf die Spur zwischen Jägerscharte und Barmer Hütte trafen. Dieser folgten wir bis zur Hütte, wobei ich kurz vor der Hütte wieder zweimal tief im Schnee einbrach. Während unserer kurzen Einkehr in der Hütte hatte sich der Himmel allerdings stark verdunkelt. Schnell stiegen wir unterhalb der Materialseilbahn zu einem Schneefeld ab, das uns wieder zurück zur Alten Barmer Hütte führte. Der restliche Abstieg war dann einfach, zog sich jedoch noch ordentlich in die Länge. Immerhin blieb der Regen aus und wir konnten trocken wieder den Parkplatz erreichen.

Erwähnenswertes:

1. Die Große Ohrenspitze wird eher mit Ski im Frühjahr bestiegen, als im Sommer. Da muss man durch die bis zu 45° steile Nordflanke aufsteigen. Diese kann man über die Jägerscharte erreichen.

2. Bei Ausaperung führt der einfachste Anstieg ebenfalls durch die Nordflanke, wobei dieser Anstieg dann sehr mühsam ist.

3. Der Ostgrat auf die Große Ohrenspitze ist sehr schwierig (IV). Es ist fraglich, ob es einen einfacheren Weg gibt, den Ostgipfel zu erreichen.

4.. Der NW-Grat der Großen Ohrenspitze ist bei aperen Bedingungen einfacher zu begehen, allerdings ist dann der Zustieg zur Remscheidscharte wegen des Blockgeländes sehr mühselig. Daher ist Ende Juni die beste Jahreszeit, diese Tour zu unternehmen.

5. Die Remscheidscharte kann man auch erreichen, indem man vom Antholzer See weglos über Wiesen, dann über etliche Blöcke und zum Schluss durch eine fürchterlich steile Schuttrinne aufsteigt.

6. Es gibt keinen alternativen Weg, den Gipfel der Mittleren Ohrenspitze zu erreichen. Der SO-Grat ist größtenteils einfach, lediglich an der Schlüsselstelle ist große Vorsicht geboten. Vor der Schlüsselstelle, wenn man sich in der Flanke bewegt, ist der Fels sehr brüchig, im oberen Teil wird er viel besser.

7. Die Mittlere Ohrenspitze wird nur sehr selten bestiegen, die Große deutlich häufiger. Daher ist Bergeinsamkeit nicht garantiert, aber überlaufen ist die Große Ohrenspitze auf alle Fälle auch nicht.

8. Bei idealen Verhältnissen erwartet einen ein toller Tag im Hochgebirge, sofern man allen Schwierigkeiten gewachsen ist. Eine Besteigung dieser Gipfel ist sehr zu empfehlen.

Tourengänger: BigE17


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Kommentare (1)


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georgb hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2020 um 10:23
Danke für den Bericht. Bin kurz vor deiner Veröffentlichung gegangen ecco. Die Mittlere war mit zu ungewiss, werde ich wohl nachholen müssen!?
Grüße Georg


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