Großvenediger (3657m) über den gesamten Westgrat - Einer der schönsten Grate Österreichs


Publiziert von BigE17 , 9. September 2019 um 21:59.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:20 August 2023
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 12:30
Aufstieg: 2300 m
Abstieg: 2300 m
Strecke:29 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Matrei in Osttirol. Nun ins Virgental hineinfahren und dabei immer auf der "Hauptstraße" bleiben. Kurz vor Ströden zweigt rechts eine Straße in Richtung Parkplatz Wiesenkreuz ab. Dieser bis zum Parkplatz folgen.
Unterkunftmöglichkeiten:Johannishütte, Defreggerhaus, Kürsinger Hütte

Der Großvenediger gehört zu den höchsten Gipfeln Österreichs. Dementsprechend ist er sehr bekannt, und wird sehr häufig bestiegen. Ich hatte ihn bisher allerdings noch nicht bestiegen. Vor 4 Jahren hatte ich bereits einmal versucht, über den Westgrat aufzusteigen. Doch zu große Schwierigkeiten, zu wenig Zeit und fehlende Ausrüstung zwangen mich und meinen Tourenpartner auf 3360m zur Umkehr. Heuer war es an der Zeit, den Westgrat erneut zu versuchen. Und die Gegebenheiten waren anders: Wir wollten den Grat zu fünft versuchen, wobei 2 sehr erfahrene Bergsteiger dabei waren. Außerdem hatten wir ein Seil dabei, um schwierigere Kletterstellen zu sichern, und nach dem Gipfelsieg über den Gletscher abzusteigen. Zusätzlich hatten wir auch noch E-Bikes, um den Zustieg zur Johannishütte abzukürzen.

 

So starteten wir um kurz vor 6:00 beim Parkplatz Wiesenkreuz. Wir fuhren über den Schotterweg über 2 Steilstufen ins Dorfertal, bis kurz vor die Johannishütte. Dort zweigte links ein weiterer Schotterweg ab, der zum Aufzugshüttl fürs Defreggerhaus führt. Kurz vor dem Aufzugshüttl führte linker Hand noch kurz ein weiterer Weg weiter ins Dorfertal hinein, dem wir noch kurz folgten. Schließlich deponierten wir die Räder, und begannen mit dem langen Aufstieg ins Obersulzbachtörl.

 

Anfangs ging es entlang von Steigspuren flach ins Tal hinein, diese verloren sich aber recht schnell wieder. Erst nach einiger Zeit begann das Tal langsam anzusteigen, dort wechselten sich glatte Platten mit Blöcken und Schutt ab. Oberhalb erreichten wir einen flachen Talboden, den wir bis zum Ende durchquerten. Es folgte ein mäßig steiler Schutt- und Blockhang, nach einem weiteren kurzen Flachstück, wo ein Bach zu überqueren war, folgte ein weiterer kurzer Hang. Oberhalb von diesem erblickten wir zum ersten Mal das Obersulzbachtörl. Wir stiegen auf der rechten Seite des Tales taleinwärts, wobei das Vorwärtskommen schon ziemlich mühsam war. Wir stiegen über einen Blockhang und ein Schneefeld auf, dann querten wir kurz nach links. Nun befanden wir uns 50 Höhenmeter unterhalb vom Obersulzbachtörl. Diese waren allerdings sehr anstrengend, da wir über große und wackelige Blöcke aufsteigen mussten. So gelangten wir 3 Stunden nach dem Start zum Törl.

 

Direkt beim Törl begann der 2,5 km lange Großvenediger-Westgrat, der 4 Nebengipfel beinhaltet. Der erste Aufschwung wirkte dabei schon ziemlich einschüchternd. Nach ein paar leichten Kletterstellen über große Blöcke (I) standen wir auch bereits unter dem Aufschwung. Ich hatte beim Besteigungsversuch vor 4 Jahren bei diesem Aufschwung große Probleme (Kletterei III und ordentlich ausgesetzt), ich wusste aber, dass er links umgangen werden kann. Daher tat ich dies auch, so mussten nur ein paar Stellen im 2. Schwierigkeitsgrad überwunden werden. Die anderen bezwangen den Aufschwung direkt, teils gesichert, teils seilfrei. Oberhalb führte der wieder flachere Blockgrat weiter zum unscheinbaren Obersulzbachtörlkopf SW-Gipfel (I). Der Weiterweg zum Obersulzbachtörlkopf war am relativ breiten Grat ebenfalls nicht allzu heikel, aber an ein paar wenigen Stellen mussten wir schon ein wenig zupacken (Stellen II, sonst I). Der Weiterweg zum Gletscherköpfl wurde nun deutlich ausgesetzter und anspruchsvoller (Stellen II+, viel II). Besonders die ersten Meter, und eine kurze Stelle kurz vor dem Gletscherköpfl waren sehr luftig. Dabei blieben wir meist auf der Gratkante, Umgehungen waren nie weiter als 3 Meter unter der Gratkante.

 

Nun begann das lange, spannende Gratstück in Richtung Weißer Zahn. Doch zuerst mussten wir ausgesetzt vom Gletscherköpfl absteigen (II+), dann querten wir in die Nordflanke und umgingen so ein paar Gratzacken über Bänder (I). Nach einer kurzer Rückkehr zum Grat war eine erneute Umgehung notwendig. Diese war anfangs einfach, am Rückweg zum Grat war jedoch ein sehr kräftiger Zug in ausgesetztem Gelände notwendig (III-). Aber diese Stelle kam mir von meiner ersten Besteigung noch bekannt vor, also halb so wild. Doch ab nun wählten wir eine andere Route, als vor 4 Jahren. Damals waren wir weiterhin sehr viel in der nordseitigen Flanke unterwegs, jetzt wollten wir allerdings immer in Gratnähe bleiben. Das war auch ohne Probleme möglich, wir mussten nur kurze Umgehungen in Gratnähe machen, meistens bleiben wir jedoch am Grat. Die Kletterei machte hier richtig Spaß (abwechselnd I und II, etwas ausgesetzt). Irgendwann gelangten wir zu den Zacken auf ca. 3360m Höhe, wo wir das letzte Mal auch umgekehrt waren. Dort wurde der Grat dann plötzlich viel schmäler und schärfer. Da mussten wir auch kurz eine Platte bezwingen (III), gleich danach kam ein unangenehmer Reitgrat mit einer messerscharfen Schneide (III). Auch diese beiden Stellen kamen mir noch bekannt vor, sie lagen unmittelbar vor der Umkehrstelle. Doch dieses Mal probierten wir eine etwas andere Route, wie damals. Wir blieben am Grat, mussten an einem unangenehmen, überhängenden Block vorbeiklettern (III), und dann in über plattigen Fels steil in die Scharte absteigen (II+). Diese Stellen waren gerade noch so seilfrei machbar. Immerhin hatten wir damit die Umkehrstelle vom letzten Mal umgangen, ab nun war der Grat Neuland für mich.

 

Den nächsten Zacken umgingen wir südseitig, dabei musste ein kurzer, enger Gang zwischen 2 großen Blöcken durchstiegen werden (I). Dahinter gelangten wir wieder auf einen angenehmen Blockgrat. Und wieder mussten wir abwechselnd im 1. und 2. Schwierigkeitsgrad in der Nähe der Gratkante aufsteigen. Kurz vor dem Weißen Zahn wurden die Blöcke wieder größer und auch luftiger, dabei waren auch Reibungskletterei, sowie ein paar Spreizschritte nötig (III-). Schließlich standen wir am Gipfel des Weißen Zahnes, das Gipfelkreuz vom Großvenediger schien nicht mehr allzu fern.

 

Nach einer kurzen Gipfelrast kletterten wir weiter. Eigentlich sah der Weiterweg bis zu jenem Punkt, wo der Zustieg von der Kürsinger Hütte zum Westgrat eintrifft, nicht schwierig aus. Doch nach einigen schönen Blöcken (II) standen wir völlig unerwartet vor einer kleinen, nicht umgehbaren Scharte. Hier war zumindest für mich ein seilfreier Abstieg nicht mehr möglich. Nachdem 2 von uns diese Stelle tatsächlich seilfrei gemeistert hatten, trat ich den Abstieg in die Scharte gesichert an. Dabei war ein kurzer, sehr steiler Riss abzuklettern, gefolgt von einem luftigen Spreizschritt in die Scharte (III-IV). Auch das folgende Reitgratstück meisterte ich gesichert, da auch dieses sehr luftig und schwierig war (III+). Danach wurde das Gelände wieder einfacher (I), und schon bald traf links von uns der Weg von der Kürsinger Hütte her ein. Ab nun fehlte nur noch ein 200 Meter hoher Aufschwung zum Gipfel des Großvenedigers. Dabei kletterten wir abwechselnd an der Gratkante, oder wenige Meter nördlich davon. Die Kletterei war nicht allzu schwierig (II), aber der Fels war ab nun deutlich brüchiger, als weiter unten. So gelangten wir bis unter den Gipfelaufbau. Hier wurde es nochmal sehr steil, und die letzten Schwierigkeiten warteten auf uns (II+). Aber nach dieser kurzen Passage standen wir beim Gipfelkreuz.

 

Wegen des tollen Wetters war die Aussicht phänomenal. Wir konnten auf alle anderen Gipfel der Venedigergruppe hinabsehen. Auch in der Ferne waren fast alle Gipfel niedriger, lediglich der Großglockner und die Glocknerwand waren noch höher. Außerdem waren die Temperaturen heute angenehm warm (es war immerhin einer der heißesten Tage im Jahr). Deshalb dauerte die Gipfelrast auch deutlich länger, als sonst.

 

Schließlich begannen wir mit dem Abstieg über den Normalweg Richtung Defreggerhaus. Vor dem Abstieg war ich allerdings ziemlich nervös, war dies doch meine erste Gletschertour. Aber in einer Fünferseilschaft fühlt man sich dann doch recht sicher. Wir folgten dabei stets der gut sichtbaren Spur, die größeren Spalten waren allesamt offen und gut umgehbar. Zwischendurch mussten ein paar instabil aussehende Schneebrücken übersprungen werden. Im unteren Teil war der Gletscher zwar blank, aber nicht steil, also auch kein Problem. Unangenehm waren lediglich die letzten Meter über schuttbedecktes Eis. Wir legten danach unsere Ausrüstung wieder ab, und stiegen einen seilversicherten, aber steinschlägigen Hang auf. Von dort waren es nur noch 100 unschwierige Höhenmeter Abstieg zum Defreggerhaus.

 

Nach einem Getränk bei einem 45-minütigen Aufenthalt in der sehr schönen Hütte begannen wir mit dem Abstieg am markierten Weg. Nach 300 Höhenmeter verließen wir den Steig, um weglos ins Dorfertal abzusteigen, weil wir da ja noch die Fahrräder geparkt hatten. Dies stellte sich jedoch als nicht ideal heraus, weil wir den Bach im Tal nicht überqueren konnten, und daher bis zum Aufzugshüttl zum Defreggerhaus talauswärts gehen mussten. Nach einem kurzen Marsch taleinwärts erreichten wir wieder die Räder, mit denen wir ins Tal abfuhren. Schließlich kamen wir um kurz nach 19:00 beim Parkplatz an.
 

Erwähnenswertes:


1. Der Aufstieg über den Westgrat zum Großvenediger ist eine sehr anspruchsvolle und vor allem lange Tour. Schon für den Zustieg zum Obersulzbachtörl brauchten wir trotz E-Bike 3 Stunden, für den Grat benötigten wir weitere 5 Stunden Kletterzeit. Die Schwierigkeiten sind großteils I und II. Es gibt zwischen durch jedoch Stellen im 3. Schwierigkeitsgrad, und eine Schlüsselstelle im Schwierigkeitsgrad III-IV. Von den 3-erstellen sind jene auf ca. 3360m recht unangenehm, die anderen sind eher kein Problem. Eine Seilsicherung ist an den schwierigen Stellen ratsam.

2. Der Abstieg über den Normalweg zum Defreggerhaus ist eine nicht zu unterschätzende Hochtour, weil der Gletscher ziemlich spaltenreich ist. Hier ohne Seil zu gehen, ist wie Russisches Roulette zu spielen. Man sollte zumindest in einer Dreierseilschaft gehen.

3. Man kann das Obersulzbachtörl auch von Norden her erreichen. Dieser Zustieg ist aber noch viel länger, als jener über das Dorfertal, und ist daher nicht zu empfehlen.

4. Man kann den oberen Teil des Großvenediger-Westgrates auch erreichen, indem man von der Kürsinger Hütte über das Obersulzbachkees aufsteigt. Man erreicht den Grat kurz nach der Schlüsselstelle. Ein Zustieg zu diesem Punkt über das Dorferkees ist wegen dem Gletscherrückgang schwierig und nicht mehr zu empfehlen.

5. Die 4 Nebengipfel am Großvenediger-Westgrat sind auf leichtestem Wege im Anstieg vom Obersulzbachtörl zu erreichen.

6. Es gibt eine Vielzahl an anderen Wegen, um den Großvenediger zu erreichen. Die wichtigsten Alternativen sind die Gletscheranstiege von der Neuen Prager Hütte und von der Kürsinger Hütte, sowie der Nordgrat.

7. Der Großvenediger ist im Winter als alpine Skihochtour erreichbar. Dabei sollte man am Seil aufsteigen und auch wieder absteigen, weil auch im Winter Spaltensturzgefahr besteht.

8. Die Skitour vom Dorfertal zum Weißen Zahn ist wegen dem Gletscherrückgang wohl nicht mehr begehbar.

9. Die Felsqualität am Westgrat ist großteils sehr gut, bei der Umgehung am Anfang und auf den letzten 200 Höhenmetern ist sie gerade noch akzeptabel.

10. Der gesamte Großvenediger-Westgrat wird sehr selten begangen, auch der obere Teil wird nur gelegentlich bestiegen. Die Normalwege auf den Großvenediger sind hingegen überlaufen.

11. Sofern die Kletterfähigkeiten ausreichen, und man vor allem genug Kondition mitbringt, findet man am Großvenediger-Westgrat stundenlange Genusskletterei vor, nur wenige Stellen sind unangenehm (diese können leicht abgesichert werden). Dafür lohnt sich auch der lange, anstrengende Zustieg zum Obersulzbachtörl. Doch nicht nur der Westgrat ist äußerst schon, auch der Abstieg über den Gletscher ist landschaftlich reizvoll. Das Highlight ist natürlich das tolle Panorama, das man nicht nur am Gipfel, sondern schon beim Aufstieg genießen kann. Bei bester Fernsicht überblickt man quasi die halben Ostalpen. Diese Tour kann man zu Recht zu den schönsten in den gesamten Ostalpen zählen.


Tourengänger: BigE17


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Kommentare (2)


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Gesendet am 10. September 2019 um 11:38
Ich hab im AV-Fuehrer gelesen, der Grat sei Il!

BigE17 hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. August 2023 um 22:04
Das ist leider - wie so oft - nicht richtig. Die Angabe II liest man leider häufiger. Der Großteil des Anstieges ist auch nicht schwerer als II+, aber ein paar Stellen eben schon. Die Schlüsselstelle ist mit III-IV zu bewerten. Eventuell war sie früher, wo der Gletscher noch zum Grat gereicht hat, umgehbar.


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