Wilder Ritt am Hasenstock und Oberberg


Publiziert von Bergamotte , 29. August 2019 um 15:59.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:24 August 2019
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Ruch- und Walenstockgruppe   CH-OW   CH-UR 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1450 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW bis Gossalp (ab dort Fahrverbot), Bewilligung lösen für 10.- bei Talstation St. Jakob (Self-service)
Kartennummer:1191 Engelberg

Wegen dem Laufsport und der Familie hat es im 2019 für deutlich weniger Bergtouren gereicht als in früheren Jahren. Aber wenn ich es denn in die Berge geschafft habe, waren das meist zünftige Unternehmen, von denen ich lange zehren konnte. So auch heute bei der Begehung von Hasenstock und Oberberg. Die zwei rassigen Gipfel direkt hinter dem Ruchstock hatte ich eigentlich längst als unbezwingbar abgeschrieben. Bis zuletzt zweifelte ich an der Machbarkeit, umso grösser dann die Freude bei der einsamen Mittagsrast auf dem Oberberg.

Vorab ein grosses Dankeschön an den Isentaler Habitué El Chasqui für seine Tourenberichte und die zusätzlichen Tipps. Ohne ihn hätte ich mich gar nicht weiter mit diesen Gipfeln beschäftigt. So war es Ehrensache, die Tour im Isental (bzw. Grosstal) zu starten, auch wenn die Anreise aufgrund der gesperrten Axenstrasse etwas umständlich ausfiel. Ein effizienter Ausgangspunkt wäre natürlich die Bannalp, doch dieses Gebiet kenne ich mittlerweile in und auswendig. Und das Touristenmekka Brunni / Engelberg meide ich sowieso aus Prinzip. Mit Bewilligung darf bis zur Gossalp (1462m) hochgefahren werden. Die 10.- sind gut investiert, ein Start ab St. Jakob fast schon prohibitiv langweilig.

Um 6:40 geht's los mit ungewohnt schwerem Rucksack: Pickel, Steigeisen und allerhand Material für eine allfällige Selbstsicherung. Auf der Oberalp (1777m) sitzen die Älpler gerade beim üppigen Frühstück im schönsten Morgenlicht - ein idyllischer Moment im sonst harten Alltag. Ab hier folge ich der wbw-Route Richtung Rot Grätli. Naja, auch wenn das Gelände stellenweise etwas rau ist, die T3 überschreitet man nirgends, ausgesetzte Stellen o.ä. fehlen komplett. Aber wer nicht aufpasst (wie ich), kommt schnell von der Route ab (was nicht tragisch ist). Auf der Engelberger Egg öffnet sich ein toller Blick auf das Tagesprogramm. Weiter oben treffe ich auf den wrw-Wanderweg von der Bannalper Schonegg.

Nach wenigen Minuten verlasse ich ihn wieder und peile in direkter Linie die Lücke zwischen Oberberg und Hasenstock an. Der Firn ist um diese Jahreszeit bereits arg dezimiert und heute angenehm aufgeweicht, so brauche ich die Steigeisen nicht auspacken. Ins Gepäck gehören sie auf dieser Tour aber auf alle Fälle. Die Felsstufen dazwischen lassen sich bei vernünftiger Routenwahl kletterkraxelnd überwinden (T5). Oben in der Lücke der bange Blick über den NW-Grat zum Hasenstock. Wie in früheren Berichten bereits erwähnt ist der erste Teil ganz angenehm zu begehen. Richtig knackig wird es beim kurzen Abstieg in eine kleine Gratscharte, technisch die schwierigste Stelle (III). Zur Sicherheit lege ich eine Reepschnur. Anschliessend folgt das Herzstück der Tour: der messerscharfe Grat ist technisch nicht allzu schwierig, aber extrem ausgesetzt. Doch solches Gelände bin ich mir gewohnt und ich kann es sogar einigermassen geniessen... Die Felsqualität ist weit besser als erwartet, trotzdem ist Vorsicht angebracht. Pausieren auf dem Gipfel mag ich nicht, also gleich wieder zurück. Von der Felsschichtung her scheint mir der Rückweg sogar einen Tick angenehmer. Der Abstieg in die vorhin erwähnte Scharte ist zwar sehr steil, geht für mich aber seilfrei. Und der Wiederaufstieg (dort wo die Reepschnur liegt) ist fast geschenkt.

Das Hauptziel hatte ich nun geschafft. Denn ob ich am Oberberg einen Weg finden würde, war alles andere sichere. Nicht zur Debatte stand die Direktvariante über den Grat. Den hierfür muss gleich zu Beginn ein knapp 20m hohes Wändchen erklettert werden (III+). Und die Variante Sputnik - s. *hier - hätte einen umständlichen Kantonswechsel erfordert. Der Führer erwähnt jedoch einen gelblichen Kamin wenig rechts vom Wändchen. Ja, diesen Kamin gibt es und er ist ganz angenehm zu begehen. Nur, die Schwierigkeiten liegen ganz anderswo: in der Querung in den / aus dem Kamin. Im Kamin selber verbleibt man leider nur wenige Meter. Die Querung zu Beginn liegt nur wenige Meter ob Boden, ist aber bereits ordentlich ausgesetzt. Die Griffe und Tritte im Fels sind aber solide. Kniffliger wird's bei der Querung aus dem Kamin zum Grat rüber: die Ausgesetztheit qualifiziert die Route m.E. klar als T6+.

Hat man den Grat erreicht, ist der grobe Unbill geschafft. Nachdem man einen letzten Felsaufschwung überklettert hat, geht es über den nun angenehm breiten, gerölligen Grat kraxelnd zum Oberberg (2781m) hoch. Man geniesst von hier oben übrigens einen tollen, ungewohnten Blick auf den Ruchstock. Und die Aussicht nach Norden lässt an diesem prächtigen Spätsommertag ohnehin keine Wünsche offen. So geniesse ich eine ausgiebige Mittagrast - ok ok, es ist erst 10 Uhr, aber schliesslich konnte ich ab 2:30 nicht mehr schlafen...

Irgendwann hat die Herrlichkeit ihr Ende und es geht zurück in die Lücke. Für den Abstieg ist die Aufstiegsroute gänzlich ungeeignet. Doch dank El Chasquis Bericht wusste ich um die improvisierte Abseilstelle mit Reepschnur und Maillon Rapide. Sonst hätte ich mich natürlich nicht auf die Kaminroute eingelassen. Die Schnur scheint mir nicht mehr über alle Zweifel erhaben, so opfere ich eine Schlinge und stehe wenig später unten im Sattel. Übrigens, zur gleichen Zeit ist eine Zweierseilschaft am vorhin begangenen Hasenstock zugange. Was für ein Zufall an diesem vergessenen Gipfel. Es muss sich um ein Ehepaar handeln, anders kann ich mir das ständige Geklöne (von ihr) und Reklamieren (von ihm) nicht erklären...für mich aber durch und durch amüsant. Zurück über den Firn - zur Sicherheit mit Pickel - erreiche ich wieder den Wanderweg. Zwecks Tour Enrichment wähle ich für den Abstieg die Route via Bannalper Schonegg (2247m) - im Nachhinein bloss ein unnötiger, wenig lohnender Umweg. Immerhin komme ich so zu einem Schwatz mit einem der hiesigen Älpler: Die sind seit kurzem mit E-Bikes statt den stinkigen 125ern unterwegs!


Zeiten (kum)
2:25  Hasenstock
3:15  Oberberg
5:00  Gossalp

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


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Kommentare (2)


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El Chasqui hat gesagt: bravo!
Gesendet am 30. August 2019 um 20:48
Schön, dass es geklappt hat - und Prachtswetter hattest Du!
Viele Grüsse vom Habitué d'Isental

Bergamotte hat gesagt: RE:bravo!
Gesendet am 31. August 2019 um 20:11
Danke, Urs. Ich könnte mir vorstellen, dass Du dort sicher wieder mal vorbei schaust. Für mich sind das hingegen „once in a lifetime“-Gipfel ;-)


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