Langer Weg zur Bar


Publiziert von rojosuiza , 30. Mai 2019 um 10:07.

Region: Welt » Spanien » Kanarische Inseln » La Gomera
Tour Datum:22 Mai 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: E 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 850 m
Abstieg: 350 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Hermigua
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bar de la Cumbre

 
Habe ich schon gesagt, das Hermigua ziemlich langgebaut ist? – Vom Valle Bajo bis zum Valle Alto sind wir schon mal einige Kilometerchen unterwegs. Es steigt langsam aber stetig an; das merkt man am besten, wenn man mit Einkäufen bepackt und besackt ist. Heute morgen will rojosuiza nicht einkaufen – er will zur Bar. In vier Stunden will er sich dort mit dem Taxifahrer treffen, hat er verkündet, ohne gross zu rechnen. Wenn ihm diese Rechnung nur aufgeht…

Den Anfang macht man auf der GM1, auf der orographisch linken Seite des Tales, also im Ort Hermigua selber. Am oberen Ortsausgang quert der Weg die Talsohle. Während am Morgen das Dorf recht unbevölkert daherkommt, wimmelt es scheinbar nur so von älteren Leuten unten im Flussbett. Kleine Häuschen sind da, kleine Gärtchen, und überall grüssen Leute. Manche arbeiten, andere stehen in Grüppchen zusammen und nehmen wohl den Lauf der Welt durch. Ein ‚bon dia‘ wird überall herzlich erwidert. Schliesslich verlässt man den Ort gänzlich und steigt aus dem Tal hinaus.

Der Stausee ist grösser, als er von der Strasse her aussieht. Es gibt ein einzelnes Haus was hinter einem Hügelzug an seinen Ufern steht, ganz malerisch. Der Weg ist breit, gut unterhalten. Gerade kurz vor rojosuiza ist einer mit einem Rasierer hier vorbeigekommen. Kein Gräslein, kein Bäumlein, nichts behindert den raschen Fuss des eifrigen Wanderers. Ganz und gar aufgeräumt ist alles, ganz und gar T1.
Hermigua betröpfelt den Gipfelstürmer am Ortsende einmal kurz, aber nur ganz leicht. Weiter oben, an den Bergen, staut sich das Gewölk, das der Passat herangetrieben hat. Wird es dort oben nass? – Regenjacke und Regenhose sind im Rucksack, so nötig sind wir vorbereitet auf alles. Noch ist es trocken, die Landschaft zeugt nicht von allzu viel Niederschlag in den letzten Stunden. An einem Flusslauf geht es doch durch hohes, dickes Schilf; hier wird man über Wassermangel also nicht zu klagen haben.

Recht geschwind kreuzt man die Strasse GM1 beim Mirador de La Carbonera. Von ihr hat man ein paar Mal ein paar Laute gehört, aber nicht viel. Nach der Kreuzung fällt das ganz weg, obwohl man bei den ersten Schritten im Dschungel noch einen schwergeladenen Lastwagen jammern hört.

Dschungel? – Ja Dschungel! – Auf der einen Seite der GM1 ist es eine Trockenlandschaft, und auf der anderen Seite sind wir ganz plötzlich im Feuchtgebiet. Es trieft und tropft, an den Bäumen hängen Bärte, die Farne sind gesättigt von Feuchtigkeit. Nein, es regnet nicht. Aber nass ist es. Der Pfad ist nicht mehr geräumt und geputzt – hier ist er fast überwuchert. Die Schneise für Wanderer ist zwar immer gut zu erkennen, aber das nasse Lorbeer- und Farngezeug wird jetzt aufdringlich und kommt immer näher an einen heran. Man tut gut, beim Ausweichen immer darauf zu achten, was sich befindet am Rand des Weges unter den Füssen, denn einmal will rojosuiza der Nässe ausweichen, und stellt gerade noch rechtzeitig fest, dass jetzt… dass jetzt gar nichts mehr unter den Füssen wäre, würde er hier wirklich ausweichen… Da wär‘ einer dann in erster Linie wohl etwas trockener geblieben, hätt‘ sich aber den Hals gebrochen…

So wuchert es denn allenthalben. Die Strasse ist nicht nur unter einem geblieben, sie ist längst von einem Tunnel verschluckt, der ,Túnel de la Cumbre‘ hat sie verschwinden lassen. rojosuiza geht lachend darüber hinweg. Er ist allein in seinem feucht atmenden Feenland. Habe ich schon gesagt, dass es in diesem Feenland dunkel ist? – Die Dunkelheit endet dort vorn in strahlender Helle, es ist die Passhöhe. Der Scheitelpunkt liegt auf 850 Metern Höhe über Meer.

Der Wald ist zu Ende. Der Blick geht frei ins Tal von San Sebastian hinab. Die Wasserscheide ist hier mehr eine ‚Wasserschneide‘: hinter mir alles feucht und nass, triefend und tropfend. Vor mir – überrgangslos! – Trockenzone: Kakteen, Kleinwuchs, und viel Sand. Wie durchgeschnitten mit einem Messer, so kommt er mir vor, der Übergang.  Im Augenblick, wo rojosuiza auftaucht, ist es trocken und warm. Der Sand ist staubig. Aber just Sekunden nach  diesem Moment ändert es sich: die Sperre bricht zusammen, die Wolken treiben über den Grat und rennen hinter rojosuiza her. Ja, und was drüben nicht der Fall gewesen ist: sie regnen. Zwar ist es nicht gerade ein Guss – eher ein leichter Regen – aber Nass wird man auf die Dauer doch. Zuerst wird nur der Sand von hell zu dunkel. Stieben wird es jetzt nicht mehr, dafür könnte es rutschen wollen.

Mit einem schiefen Blick schaut rojosuiza auf die Uhr. Passt es? – Es passt. Er spult den Weg hinab und schon bald kommt sie zum ersten Mal in Sicht: die Bar. Es regnet etwas stärker, der Wanderer geht noch etwas schneller.

Bevor es richtig regnet, erreicht der Bergheld die Bar de la Cumbre. Hier ist es gut sein. Es gibt ein Vordach, wo man draussen sitzen kann, ohne nass zu werden. Die  Jacke muss übergezogen werden, denn sonst friert man plötzlich. Da kommt er aus der Bar heraus, der Primo Cortado.

Es erscheint der bestellte Taxifahrer. Er bekommt auch einen Cortado. Er will 'leche, leche'. rojosuiza, der Naturmensch, bleibt bei ‚natural‘.

Innig zufrieden ist er, mit der Landschaft, mit der Leistung, mit dem Wetter, mit dem Taxifahrer, mit dem Kaffee, kurzum mit allem.   

Tourengänger: rojosuiza


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