Nichts geht wie geplant, aber alles geht


Publiziert von rojosuiza , 28. Mai 2019 um 20:25.

Region: Welt » Spanien » Kanarische Inseln » La Gomera
Tour Datum:28 Mai 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: E 

Dem Taxifahrer geht die Luft aus. Wir befinden uns ganz kurz unter dem Landeshöhepunkt der Insel La Gomera – nur noch etwa 400 Meter fehlten, die Höhenmeter sind so gut wie geschafft. Wir sind nicht etwa Wanderhelden, die von Null aus gekommen sind. Wir kommen vom Mietwagen, der unweit von uns parkiert an der Strasse steht. Obwohl die Gesundheit des einen Berghelden heftig angeschlagen ist, meint der andere, ihm die 900 Meter Abstand zumuten zu können, und eine Steigung von etwa 200 Höhenmetern. Doch der Nebel, doch der kalte Wind, doch der Aufzug – ganz entgegen dem guten Rat des erfahrenen Wanderleiters doch eine kurze Hose angezogen. Wenn der angeschlagene Bergheld immer häufiger anhalten muss, und schon langsam blau wird, und man fürs Gefühl nun doch schon einmal oben ist, während es aber immerhin noch 400 Meter weitergehen soll, und ausserdem der Rückmarsch auch noch absolviert werden muss… Es geht nicht, wie geplant: Die Natur gebietet den Rückzug - so schnell es unter diesen einmaligen Umständen überhaupt noch geht. Man erreicht den rettenden Wagen auf dem Parkplatz Pajarito. Hier wummert kein Wind, hier trieft kein Nebel; es ist wohlig warm und es gibt zu Essen. Das lässt die Lebensgeister schnell wiederkehren.

Wenig später stürmt der Bergheld Erster Klasse – derjenige mit der Regenjacke und der langen Hose! – hinauf auf den Berg. Ab dem Parkplatz sind es wie gesagt 900 Meter Abstand, auf einem schönen Wanderweg – allerdings ohne  jegliche Aussicht, weil der Nebel sich definitiv nicht lichten will! – und bald sind die 200 Höhenmeter erledigt. Wäre es denn noch lange gegangen, am Umkehrpunkt? – Nein, aber ein kleiner Abstieg wäre gekommen, mit einem kleinen Gegenanstieg. Bei Sicht auf das Ziel – und etwas Wärme! – schafft das auch der Patient noch, aber nicht ohne diesen Ansporn…  rojosuiza steht jetzt auf dem höchsten Punkt von La Gomera, dem Alto de Garajonay. Hier wird genau angegeben, was man alles sehen könnte, wenn man denn etwas sehen könnte. Alle Inseln kann man ab hier sehen bei gutem Wetter, sogar das am weitesten entfernte Gran Canaria wird einem versprochen. Was rojosuiza zu sehen bekommt, sind ein paar tropfende Wanderer, die den Berg umrunden. Auch die werden nicht viel mehr gesehen haben. Hier unten folgt ein Bild von der Bergeshöhe:


Aussicht vom Landeshöhepunkt

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich das selber gemacht auf dem Computer. Aber ehrlich gesagt, bin ich nie ganz ehrlich, und so ist dieses also das Bild vom höchsten Punkt der Insel La Gomera auf den Kanarien.
 
Schon die Tatsache, dass man frei und ungehemmt laufen kann, macht Freude. Wenn es dann auch nur noch hinab geht, macht das doppelt Freude. rojosuzia findet auf 1340 Metern die Autostrasse wieder, und dort ist der Eingang zum Lorbeerwald. Ab hier spult er nur noch so hinunter. Die Richtung ist El Cedro. Es tropft hier immer etwas, aber die Sicht ist nicht mehr eingeschränkt. Hier wird man nie mehr sehen, was man jetzt auch sieht: grünes Lorbeer-Gestrüpp allenthalben, manch Gehölz verzieht mit feuchten Bärten, tropfende Farne. Es ist wie ein schweizerisches ‚Tobel‘, nur hört es nicht mehr auf. Es geht immer weiter hinab. Mitwanderer sind keine zu sehen. Nur ihre Hinterlassenschaft schimmert auf dem Waldboden weiss vor sich her. Jeder mein wohl, Papiertaschentücher müssten sich im feuchten Wald innert einer halben Stunde zerlegen und auflösen – denkste! – nach einem Jahr ist das Zeugs immer noch da. 

Bei 1950m trifft mein Weg auf eine Forststrasse, und ich treffe auf andere Wanderer. Auch ein paar Autos sind irgendwie hierher gelangt. Ich beschliesse,nicht weiterabzusteigen, sondern der Forststrasse rechts zu folgend. Wisst ihr, warum? – Meine Karte hat hier einen Knick, und ich bin wohl zu faul, sie richtig umzudrehen. Ob El Cedro bekommt meine Strasse Zuwachs und wird plötzlich gepfästert mit Steinplatten, die teilweise hundertfach zerborsten sind. Merkwürdig. Weiter vorn kommt ein Busverbot-Schild dazu. Seltsam. Sollten hier Busse fahren? – Das ganze Rätsel löst sich nicht auf. rojosuiza stösst nämlich auf ein Schild nach Carretera de Hermigua , da muss er hin…

Da muss er natürlich gar nicht hin. Er hätte immer geradeaus gemusst, absteigen nach El Cedro, und von da aus in direkter Linie absteigen nach Hermigua. Er denkt,schneller zu seinem Ziel zu kommen, wenn er es so macht, wie er es macht. Tatsächlich wird alles länger und länger, dazu endet er schliesslich auf der Hauptstrasse GM1 für die letzten paar Kilometer. Ist das eine Strafe? Nein, denn der Weg ab dem Scheitelpunkt hinuter zur Carretera de Hermigua ist prachvoll. Wieder folgt ein echter Bergweg. Keine Seele ist hier oben, nur rojosuiza. Er trifft auf eine alte Wasserleitunge, die ausser Betrieb ist, wie es scheint. Auch in diesem Land gibt es Wasserleiten in Generationen. Die handgearbeiteten Rinnen, die gemauerten Chännel, die grossen Kanäle, gedeckt mit Platten…und die neuen Eisenrohre, die die alten Systeme abgelöst haben. Dieser Abstieg ist reiner Genuss – und der Genuss ist auch auf der Autostrasse nicht zu Ende. So viel Verkehr ist hier jetzt nicht, dass der Wanderer gross gestört wird, und der hat jetzt Musse, sich an der Landschaft satt zu sehen.

Ganz oben, am allerhöchsten Rand von Hermigua tritt rojosuiza hinein in das Langdorf. Er kommt noch an den Roques de San Pedro vorbei und muss dann wieder etwa 100 Meter absteigen, da wartet unten im Valle Alto die allererste Cappuccino-Quelle auf ihn: Dos Cortados per favor!

Später latscht ein vergnügter rojosuiza noch etwas weiter hinab, ins Valle Bajo, und schliesslich hinauf zum Feriendomizil. Er ist müde und sonnengeröstet, aber mit sich und der Welt ganz zufrieden.Nichts geht wie geplant, aber alles geht...
 

Tourengänger: rojosuiza
Communities: Alleingänge/Solo


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