Wolfsjäger, Schneegeier und der Thron des Salomo


Publiziert von jfk , 26. Dezember 2018 um 22:16.

Region: Welt » Kirgisistan
Tour Datum: 6 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: KS 
Zeitbedarf: 6 Tage

Im Sommer und Herbst 2018 hatte ich im Kirgisischen Teil des Pamirs zwei Monate Zeit zum Bergsteigen. Pik Lenin und Kurumdy-Range. Hohe Berge, Erfolg und Misserfolg, eine wunderbare Kultur, spannende Menschen und Freundschaften begleiteten mich auf dieser Reise und bescherten mir viele unvergessliche Abenteuer und Erinnerungen. Festgehalten habe ich diese auf Mundart in meinem Tagebuch, woraus die ein oder andere Geschichte in diesem Bericht ihren Platz finden soll.

Teil I: *Selfie mit Herr Lenin  Teil II:

Osch
3.9. Nach em Zmorge of de Basar. E eigeti, faszinierendi Wält. Üs gfallts. Vell Ässe, öberall probiere. Samsa & Manty i allne Variatione, en Art ufgrollts Fasnachtschüechli, Brot, vell Fröcht ond e leckere Melchscheik, wo au bi de Chlinschte sehr beliebt esch. Mer bsorge alles wo ni met em Damian för e Kurumdy bruuch ond dezue öpe no es Souvenir ond Metbrengsel för dihäi. Ame Stand entdecki Shimeks. En Art kirgisischi Wendle. Je nach Bouart för Buebe oder Meitli. S gseht us wie ne Tabak-Pfiife ond werd so zwösche de Bäi fixiert, dass alles Flössige wo vore use chont i nes Töpfli, wo ime Loch vo de Wiege liit, abgleitet werd. Praktischi Gschecht.

Schpöter per Zuefall i Togtogul-Park gschtolperet. Veli lachendi ond enteressanti Gsechter, vel fotografiere. Vo drü Greise werde mer zom Tee iglade. De eint esch öber 90i. Wie so oft do, Kommunikation ohni vell Wort. Ond doch verschtoht me sech ergendwie...

Während unserer Zeit in Osch haben wir bei Talai in Asmans Guest House übernachtet. Talai, Expolizist mit Geschäftssinn & Schalk, ist ein grossartiger Gastgeber und man wird in der Stadt nur schwer eine bessere Unterkunft finden. Wie ein guter alter Freund hat er uns in unzähligen Situationen geholfen und das Leben erleichtert. Unter anderem verschiedene Taxifahrten, er half uns verschollenes Gepäck wieder zu beschaffen und wir konnten so viel Wäsche waschen wie wir wollten (ein nicht zu unterschätzender Vorteil nach 20 Tagen am Pik Lenin). Daneben sind wir oft gemeinsam Essen gegangen und er hat uns Land, Leute & Kultur näher gebracht.

Abshyr-Sai
Da wir etwas früher als erwartet vom Lenin zurück sind, machen wir bis Damian von Pakistan kommt und Jenny zurück in die Schweiz fliegt einen Ausflug zum Abshyr-Ata-Wasserfall und gehen im bis 5000 Meter hohen Bergland des Kitschi-Alai wandern. 
Talai fährt uns. Unterwegs sind wir bei seinen Eltern zum Zmittag eingeladen. Grossmutter Talai zeigt uns auch wie das mit dem Shimek funktioniert und wir werden für unsere Wanderung reich mit Brot, Früchten und Gemüse aus dem Garten beschenkt. Der Abshyr-Ata, ein Wasserfall in einer tiefen, schmalen Schlucht, der in 15 Meter Höhe aus einem Fels-Loch springt, sowie eine kleine, heilige Quelle nebenan, weisen eine bescheidene, touristische Infrastruktur auf. Gesehen haben muss man das nicht. Das untouristische Bergland dahinter ist viel interessanter.
Der kleine See, den es hier geben soll, ist nicht zu finden. Alles trocken. Macht aber nichts. Bei einer einfachen Hütte am Ende des Tales setzt Talai uns ab. Und wieder einmal erleben wir echte kirgisische Gastfreundschaft. Von Eleman und seiner Familie werden wir zum Essen eingeladen und dürfen im Garten unser Zelt aufschlagen. Später laden sie uns sogar ein, in ihrem Schlafzimmer zu übernachten. Das sei viel angenehmer und wärmer. Wir lehnen dankend ab, haben es in unserem Zelt ja auch gemütlich. In den drei Tagen holen sie uns immer zum Morgen- und Abendessen ins Haus und kochen für uns. 

Wir machen von der Hütte aus zwei Wanderungen. Eine kurze auf einen Hügel in der Nähe zusammen mit Eleman und eine lange auf einen der 4000er im Tal. Auf der Alpinwanderung lasse ich, tollpatschig wie ich manchmal bin, halb oben meine Kamera liegen. Das beschert mir nach der Tour noch etwas Konditionstraining. Am Abend dann:

...Trotz schpooter Stond werde mer weder Zom Ässe iglade. Im Eleman si chlii Brüeder chochet extra nome för eus! De enteressant Teil chont noch em Ässe. Während er d Munition för sini Schrootflente präpariert, onderhalte mer üs öber d Jagd. Er nemt sis Gwehr emmer met, wener nochem Feh, wo öber s ganz Tal verteilt esch, got go luege. So hed er am Morge scho e "Kikelik", e schöne Vogel, gschosse. S stellt sech use, dass es im Tal näbe Sibirische Stäiböck ond Argali-Weldschoof au Löchs, Schneeleoparde ond Wölf hed. Er zeigt üs Fotis vo chline Löchs wos ufzoge hend ond Wölf woner gschosse hed. D Wölf chönds z Bishkek tüür de Chinese verchaufe. Ich probiere möglechsch vell z erfahre, ohni debi z werte. S liit ned ame Eurpäer, wo dihäi chum me intackti Natur hed, dert dore öber e frömdi Kultur z urteile. Zomol s do obe dorchus rationali Grönd get eso z handle. (In Osch finde ich heraus, dass das legal ist und Kirgistan trotz der Jagd eine einigermassen gesunde und wachsende Wolfspopulation hat.)  

Zum Abschied gibt es noch einen Sack Kurut mit auf den Weg und obwohl wir uns mit einer Melone, Äpfeln und anderem revanchieren, ist es das erste mal, dass ich eine Bergtour mit mehr Essen im Gepäck als bei Antritt beende. Dann laufen wir Talai entgegen, der uns wieder abholt.

Osch
Back to Osch. Noch die letzten Einkäufe für den Kurumdy, etwas relaxen und Sightseeing.
Osch ist etwas kleiner als Zürich. Allzu viel zu bieten hat es nicht. Spannend sind der Basar und der Togtogul-Park. Wahrzeichen der Stadt ist der Suleiman-Too. Ein kleines Felsmassiv mit vier Gipfeln mitten in der Stadt, das unmittelbar aus dem topfebenen Ferghanatal aufragt. König Salomon soll dort begraben sein, weshalb der Berg heilig ist. Delta hat gezeigt, dass man dort als Bergsteiger auch mitten in der Stadt Spass haben kann.
Eine abwechslungsreiche Überschreitung führt über alle Gipfel. Wir haben sie zweimal gemacht. Einmal am Tag vor und einmal in der Dämmerung und Nachts nach dem Kurumdy.

Uzgen (Ösgön)
Mittlerweile ist Damian angekommen. Bevor's wieder in die Berge und für Jenny nach Hause geht, machen wir zu dritt einen Ausflug nach Uzgen. Eine kleine Karawanen-Stadt aus vorchristlicher Zeit, die bekannt für ihren Reis und das grosse Minarett ist. Uzgen bietet einige der wenigen, gut erhaltenen historischen Gebäude in Kirgistan.

Literatur & News
Während knapp zwei Monaten im Zelt bleibt viel Zeit zum lesen. Unter anderem Annemarie Schwarzenbachs Biografie über den vergessenen Schweizer Kaukasus- und Pamir-Pionier Lorenz Saladin. Einer der besten Schweizer Bergsteiger seiner Zeit und einer der wenigen Ausländer, die in der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit zum Bergsteigen hatten.

Wer sich für News aus Zentralasien und Kirgistan interessiert, kann auf novastan.org stöbern. Interessant ist dieser Artikel. China löst Russland in Zentralasien immer mehr als Hegemonialmacht ab. Im kirgisischen Alltag ist das am offensichtlichsten an den neuen, meist guten chinesischen Strassen zu spüren. Einen guten Film zum Thema, über die Neue Seidenstrasse, findest du hier (Auch wenn Kirgistan nicht direkt vorkommt, lässt sich darin vieles, das man im Land beobachtet ableiten und erklären).

Routen
Abshyr-Sai: Hier verzichte ich bewusst auf einen genauen Beschrieb. Solche Geschichten und Touren findet man überall in Kirgistans Bergen, wobei der Reiz gerade darin besteht, unbekanntes zu entdecken. Auf dem Saladinhorn haben wir einen Steinmann vorgefunden. Vermutlich von ein paar Russen in den 0er-Jahren errichtet. Namen hat es offiziell keinen, weshalb ich den Gipfel in meinem Tagebuch nach dem Schweizer Pamir-Pionier benannt habe. 

Suleiman-Too, T4 III: Drei Gipfel in einer Reihe (W-E), ein vierter nördlich, etwas abseits. Der Zugang zum Berg kostet 20 Som (knapp 30 Rappen). Dem gut ausgebauten Weg entlang zur Aussichtsplatform (kleine Moschee & grosse Fahne). Schilder verbieten hier (wohl wegen Absturzgefahr) direkt dem Grat zu folgen. Von den Einheimischen hält sich aber niemand daran. Wir umgehen den ersten Zahn bei der Moschee trotzdem und steigen etwas später zum Grat hoch und über diesen auf den 1. Gipfel (I-II). Zurück zum Weg, den man bald wieder verlässt und auf schmalen Pfaden in den Sattel zwischen 1. und 2. Gipfel. Dieser kann unschwierig überschritten werden. Auf dem Gipfel steht ein Sendemast. 
Beim dritten Gipfel quert man zu einem gut sichtbaren Höhlensytem und steigt durch dieses zurück auf einen Pfad, der über ein Band nach links zum Grat führt. Auf der Südseite gerade hoch, dann hinaus queren und um eine Kante herum (II+). Weiter zum Gipfel. Dort hat's eine kleine Installation. Von dort abwechslungsreich dem teils schmalen Grat entlang (Stelle III-), bis man ihn nach Norden verlassen kann. Hinüber zum letzten Gipfel und erst direkt am Grat, dann rechts in einer Verschneidung (III, Schlüsselstelle) zum Gipfel. Runter über den Nordgrat, dann auf Pfaden nach Westen in das kleine Tälchen mit dem Friedhof, wo man ein Quartier erreicht, dass wohl nur selten von Touristen Besuch erhält. Am schönsten ist die kurze Tour (1-2h) bei Sonnenuntergang. Dann sind die leichter erreichbaren Gipfel auch bei jungen Pärchen beliebt.  

Tourengänger: jfk


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Kommentare (4)


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silberhorn hat gesagt: Kirgisistan
Gesendet am 26. Dezember 2018 um 23:23
Noch ein Teil II. Was für eine Freude!
Was die Links präsentieren werden bin ich gespannt.

" ond e leckere Melchscheik…". Sorry, so viel mir bekannt gibt es in keinem Schweizer Dialekt das Wort Lecker. In Deinem Fantastischen, denke ich. schon gar nicht. ?

jfk hat gesagt: RE:Kirgisistan
Gesendet am 27. Dezember 2018 um 00:03
Gibt dann irgend wann mal noch nen dritten Teil. Viel Spass beim stöbern!

Hui, weiss das gar nicht so genau. Brauche das Wort ab und zu. Ist noch etwas stärker, als wenn was nur "fein" ist. Mein Mundart ist sowieso "es Mischmasch" aus Freiämterdialäkt und vielen Ausdrücken von Luzern, Zürich und Solothurn. Wirklich reine Dialekte gibts in weiten Teilen des Mittellandes ja kaum noch. Macht mer of jede Fall rüdig Freud öpedie so z schriibe, wie mer de Schnabu gwachse esch. E bäumigi Sach!

Gruess Jonas

silberhorn hat gesagt: RE:Kirgisistan
Gesendet am 27. Dezember 2018 um 13:31
Noch ein dritter "Leckerbissen". Hurra!

Lecker für mich ein rotes Tuch. Fiel mir erst jetzt auf, dass Leckerbissen in hochdeutscher Sprache auch bei uns üblich ist.
Finde äussert schade, dass Dialektwörter am verschwinden sind. Dass Du sehr junger Mann manchmal Lecker statt z.B. Munden gebrauchst ist im Nachhinein eigentlich (beinahe) logisch. Wird doch in Inseraten von Grossverteiler, Warenhäuser etc. nur noch diese Wort verwendet.

Dass Du eine "Mischmasch-Sprache" sprichst und ab und zu schreibst ist lobenswert. Weiter so.

Wünsche Dir en guete Rusch und es böimigs 2019.

E Gruess
maria

silberhorn hat gesagt: Neue Seidenstrasse - Ergänzung
Gesendet am 29. Dezember 2018 um 19:06
Die Artikel sind neueren Datums und befinden sich momentan auf der Hauptseite von SRF hier. Ebenfalls interessant.


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