Grubenkarpfeiler – Abenteuer pur


Publiziert von algi , 22. August 2018 um 12:23.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:21 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Eng gegenüber vom Gasthof

Die Optik des Grubenkarpfeilers, der weit vorspringende Felssporn am westlichen Ende der Grubenkarspitze, hat mich schon immer fasziniert, nur damals im Alter von 18 bis 23 Jahren als wir noch oft an den Laliderer Wänden unterwegs waren, musste mind. eine „VI“ bei der Schwierigkeitsangabe stehen, sonst war die Tour nicht wirklich interessant genug für uns. Alles hat eben seine Zeit und heute ist die Zeit für den Pfeiler gekommen.

Etwas Sorgen bereitet mir die derzeitige Wetterlage, da am Nachmittag häufig unwetterartige Gewitter im Gebirge vorhergesagt werden. Aber diesen Umstand kann man ja durch frühzeitiges Aufstehen aus dem Wege gehen. Um 2:00 Uhr morgens klingelt deshalb der Wecker, ein kleines Frühstück muss sein, und um Punkt 6:00 Uhr gehe ich vom Parkplatz in der Eng los. Die 9 Grad Außentemperatur sind gerade richtig um endgültig wach zu werden, mir fällt gleich auf, dass Wege und Wiesen sehr feucht sind, wie ich später noch erfahre, hat Tags zuvor am Spätnachmittag/Abend ein heftiges Hagelunwetter gewütet.

Komme gut voran und steige nach ca. 1 ½ Stunden wenige Meter überm Hohljoch ins steile Schrofengelände ein. Hier wird gleich eine wesentliche Eigenschaft, die ein Kletterer in klassischen Karwendeltouren mitbringen sollte, benötigt, „Vorwärtsbewegung durch Schieben und Drücken“ und möglichst nicht durch Ziehen. Ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl und eine leistungsfähige Beinmuskulatur sind viel wichtiger als kleine Griffe halten zu können, denn die brechen bei Belastung ja eh meist aus (ein bisschen überspitzt formuliert). Im steilen Schrofengelände bedeutet dies: den Fuß auf die nächste waagrechte Stelle setzen und dann mit Beinkraft durchdrücken, die Arme und Hände dienen in erster Linie zum Halten des Gleichgewichts.

Dort wo die Latschen dazu kommen, wird es diesbezüglich zwar etwas einfacher, aber dafür noch steiler. Der Weg durch den 200 m hohen felsdurchsetzten Schrofen/Latschengürtel ist mal wieder reine Nervensache, Trittspuren findet man fast überall, aber den einfachsten Weg durch dieses Labyrinth aus Latschenflecken und kurzen Schrofenabschnitten zu finden, ist wohl fast unmöglich. Ich bevorzuge Schrofengelände in Reichweite von Latschen da der Boden immer noch recht feucht ist und ein Ausrutscher sofort einen Absturz nach sich ziehen würde. Wenn es das Gelände zulässt, findet man linkerhand (östlich) immer mal wieder kurze geneigtere Zonen die die Lage etwas entspannter gestalten. Nach gut 1 Stunde habe ich diesen sehr unangenehmen Teil der Tour endlich überwunden, ich fühle mich richtig befreit.

Über geneigte und gut gangbare Schrofen wird ein erster felsiger Aufschwung erreicht, der rechts (westlich) über eine heute sehr feuchte Rinne erklommen wird. Danach führt Schrofengelände zur nächsten Felssstufe, die man östlich über eine schöne Verschneidung mit 2 Haken erklettert. Der nächste schrofige Abschnitt leitet zu einem massigen Klotz der auf der linken Seite mittels eines Risses und einem nach links aufwärts ziehenden Gesims zu überwinden ist. Nun einfach weiter bis der waagrechte Teil des Pfeilers erreicht wird.

Während der Weg bislang ausschließlich östlich des Grates entlang führte (sehr warm), geht man nun direkt auf dem Grat der zusehends schmäler wird und sich zu einer echten Schneide ausbildet. Über den ersten Abbruch kann man noch abseilen ( 15 m ), dann geht es auf der immer schärfer werdenden Schneide zum höchsten Punkt eines turmartigen Gebildes. Da die Felsqualität ihrem Ruf nun voll gerecht wird, atmet man instinktiv flacher, in der trügerischen Hoffnung, dass die ineinander verkeilten Felsstrukturen durchs Atmen nicht zusätzlich erschüttert und somit zum Einsturz gebracht werden. Von diesem Turm muss abgeklettert werden, ist nicht so schwer wie es aussieht, aber ungemein ausgesetzt. Nun weiter auf der Schneide bis zu einem riesigen Klotz, der auf der Ostseite umgangen wird. Unter der steilen Wand verfolgt man zunächst ein schmales Band bis oberhalb ein Kamin und nachfolgend eine Rinne sichtbar wird ( Ringhaken am Band ). Über gut gangbares Gelände durch den Kamin und die Rinne zu einer Schulter und von hier rechtshaltend auf die schwach ausgeprägte Scharte nach dem Klotz.

Die Rinne zwischen Pfeiler und Dreizinkenspitze ist jetzt ganz nah und offenbart die ungeheure Brüchigkeit die durch die Verwitterung des Gesteins entstehen kann. Weniger, aber immer noch ordentlich brüchig geht es lt. Führer auf der Gratschneide weiter, über eine plattige Rippe (mit festem Fels) die sich auf der rechten Seite zum Grat hinauf erstreckt, kann ich jedoch die ersten 30 - 40 m umgehen. Danach weiter auf dem Grat, wobei einmal eine kurze überhängende Stelle geklettert werden muss, bis sich der Grat im breiten Schrofengelände verliert (ca. 50 Hm über der Scharte zwischen Grubenkar- und Dreizinkenspitze).

Der Grubenkarspitze möchte ich, da sie nicht in Abstiegsrichtung liegt, keinen Besuch abstatten, aber den Gipfel der Dreizinkenspitze kann ich schnell noch mitnehmen. Den deutlichen Wegspuren nach Westen folgen, zuletzt mit Unterstützung von Eisenstiften und Klammern zum Gipfelkreuz. Bin sehr erstaunt, als ich im GB nachlesen kann, dass der Gipfel fast jede Woche besucht wird, und auch heute waren schon 4 Personen vor mir hier oben. Das Wetter ist leider so diesig, dass ich keine ansehnlichen Bilder der vielen umliegenden Berge machen kann.

Nach einer kurzen Pause geht es auf den ausgeprägten Trittspuren in westlicher Richtung weiter bis zur Biwakschachtel unterhalb der Lalidererspitze. Nun abwärts in den unterhalb liegenden Karboden und auf undeutlichen Trittspuren wieder hinauf zum Beginn der Spindlerschlucht westl. des östl. Ladizturmes. Meine 40 m lange 6 mm-Repschnur reicht zum Abseilen völlig aus, 60 m sind natürlich besser, aber Doppelseil bringt nur an wenigen Stellen was, da der Abstieg ja nicht völlig gerade nach unten führt, sondern auch einige Querungen enthält. Die Kletterei zwischen den Abseilstellen ist nicht schwer ( I – II ) aber man muss trotzdem hochkonzentriert bleiben, ein Ausrutscher auf dem überall herumliegenden Schotter/Geröll sollte auf jeden Fall vermieden werden.

Nach 9 Stunden habe ich die Falkenhütte erreicht und freue mich auf ein kühles Bier, was für eine Enttäuschung als ich erfahren habe, dass die Hütte aufgrund der Umbauarbeiten geschlossen ist und erst im Jahre 2020 wiedereröffnet wird. Wenigstens fließt kühles Quellwasser aus der Wasserleitung eines kleinen Nebengebäudes. Nach einer verdienten Pause, umgeben von einer gewaltigen Felskulisse, mache ich mich wieder auf den Weg zu den Engalmen. Gerade als ich ein Bier genieße, laden die aufgezogenen Wolken ihre nasse Fracht auf die Wände von Laliders ab.

Fazit: der Schrofen-/Latschenzustieg und die ausgesetzte Gratüberschreitung treiben den Pulsschlag schon ein wenig nach oben, vermitteln aber auch tiefe und vmtl. länger anhaltende Eindrücke. Im Vordergrund steht nicht die Bewältigung von Kletterschwierigkeiten, sondern ein tief gehendes Erlebnis das ich als Abenteuer bezeichnen würde.

 

Viele Grüße
Albert


Tourengänger: algi


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Kommentare (11)


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Gelöschter Kommentar

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. August 2018 um 07:41
Hi Chris,

siehe unten stehenden Kommentar.

VG Albert

Westfale hat gesagt:
Gesendet am 23. August 2018 um 11:13
Großes Kino. Da hast Du ja mal wieder einen Klassiker beackert. Als ich vor einigen Jahren an der Dreizinkenspitze war stieg dort zufälligerweise auch eine Seilschaft aus, die die Tour aufs Höchste gelobt hat.
Na dann kommt ja als nächstes auch noch die Herzogkante in Betracht, oder? :-)

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. August 2018 um 07:38
Die Kante kenne ich schon, damals sogar noch mit den ganz dicken Tretern. Erinnern kann ich mich aber nur noch an die Angst als wir im Morgengrauen das brettharte Einstiegsschneefeld hinaufgeschlichen sind. Ein Sektionsmitglied hat mir auf der Falkenhütte erzählt, dass es in diesem Jahr, bei der Überquerung der Randspalte, zu einem tödlichen Unfall gekommen ist. Der gefährlichste Teil bei der Begehung der Herzogkante scheint also noch vor dem eigentlichen Einstieg zu liegen.

VG Albert

Andi_mit_i hat gesagt:
Gesendet am 2. September 2018 um 15:12
Bist Du aus Franken? :-)

https://www.merkur.de/lokales/bad-toelz/lenggries-ort28977/falkenhuette-im-karwendel-ist-schoenste-baustelle-welt-10202807.html

"Während sie die Bemühungen der Wanderin eher belustigt verfolgt, hat sie mit manchen Gästen Mitleid, die sich auf eine Stärkung freuen und vor verschlossenen Türen stehen. Beispielsweise mit einem Franken, der um 2 Uhr morgens in Nürnberg startete, die Lalidererwände hochkletterte, auf dem Grat entlangbalancierte und sich nach dem Abstieg nur eines sehnlichst wünschte: ein Weißbier. Es blieb beim Wunsch. Immerhin gab’s für den ausgedörrten Extremkletterer ein Glas Wasser."

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. September 2018 um 09:43
Bekenne mich schuldig.

ADI hat gesagt:
Gesendet am 17. September 2018 um 17:45
zum "Wandern" und Kraxeln schnell mal auf den Grubenkarpfeiler....
Holdrio.....
Da dad i ned amal als Nachsteiger am Seil hinterherklettern wollen.....
Du hoascht es echt drauf.....

Gratulation!

VLG!

ADI

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. September 2018 um 19:46
Danke ADI,

das war die anspruchsvollste Klettertour in diesem Jahr, aber schee war's scho ah.

VG Albert

hanef hat gesagt: Super Tour, Albert
Gesendet am 25. August 2021 um 10:47
Was sagst du hinsichtlich der Schwierigkeiten? Panico sagt glaub ich IV- während der örtliche Bergführer Sebastian Brandhofer die Tour in seinem persönlichen Topo auf V aufgewertet hat ("bei weitem anspruchsvoller als die Herzogkante").
VG Hannes

algi hat gesagt: RE:Super Tour, Albert
Gesendet am 26. August 2021 um 06:25
Hallo Hannes,
mein ganz persönlicher Eindruck:

Kletterschwierigkeit V erscheint mir deutlich zu hoch gegriffen. Die Nieberl/Klammer ( V ) an der Seekarlspitze ist, was die reine Kletterschwierigkeit anbelangt, mit Sicherheit wesentlich schwerer als der Pfeiler. Die Brüchigkeit des Gesteins und etliche sehr ausgesetzte Passagen stellen jedoch eine hohe psychische Belastung dar. In dieser Hinsicht ist der Grubenkarpfeiler wohl schon anspruchsvoller als die Herzogkante. Auf den ersten 300 - 400 HM ist der Weg ja nicht klar vorgegeben / ersichtlich, so dass es viele Variationsmöglichkeiten mit vmtl. auch unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gibt. Wenn man hier nicht die leichteste Alternative "erwischt", kann sich der Schwierigkeitsgrad natürlich auch entsprechend variieren.

VG Albert

hanef hat gesagt: RE:Super Tour, Albert
Gesendet am 26. August 2021 um 11:30
Cool, danke für die Einschätzung.


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