Grubenkarpfeiler – Abenteuer pur
|
||||||||||||||||||||||
Die Optik des Grubenkarpfeilers, der weit vorspringende Felssporn am westlichen Ende der Grubenkarspitze, hat mich schon immer fasziniert, nur damals im Alter von 18 bis 23 Jahren als wir noch oft an den Laliderer Wänden unterwegs waren, musste mind. eine „VI“ bei der Schwierigkeitsangabe stehen, sonst war die Tour nicht wirklich interessant genug für uns. Alles hat eben seine Zeit und heute ist die Zeit für den Pfeiler gekommen.
Etwas Sorgen bereitet mir die derzeitige Wetterlage, da am Nachmittag häufig unwetterartige Gewitter im Gebirge vorhergesagt werden. Aber diesen Umstand kann man ja durch frühzeitiges Aufstehen aus dem Wege gehen. Um 2:00 Uhr morgens klingelt deshalb der Wecker, ein kleines Frühstück muss sein, und um Punkt 6:00 Uhr gehe ich vom Parkplatz in der Eng los. Die 9 Grad Außentemperatur sind gerade richtig um endgültig wach zu werden, mir fällt gleich auf, dass Wege und Wiesen sehr feucht sind, wie ich später noch erfahre, hat Tags zuvor am Spätnachmittag/Abend ein heftiges Hagelunwetter gewütet.
Komme gut voran und steige nach ca. 1 ½ Stunden wenige Meter überm Hohljoch ins steile Schrofengelände ein. Hier wird gleich eine wesentliche Eigenschaft, die ein Kletterer in klassischen Karwendeltouren mitbringen sollte, benötigt, „Vorwärtsbewegung durch Schieben und Drücken“ und möglichst nicht durch Ziehen. Ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl und eine leistungsfähige Beinmuskulatur sind viel wichtiger als kleine Griffe halten zu können, denn die brechen bei Belastung ja eh meist aus (ein bisschen überspitzt formuliert). Im steilen Schrofengelände bedeutet dies: den Fuß auf die nächste waagrechte Stelle setzen und dann mit Beinkraft durchdrücken, die Arme und Hände dienen in erster Linie zum Halten des Gleichgewichts.
Dort wo die Latschen dazu kommen, wird es diesbezüglich zwar etwas einfacher, aber dafür noch steiler. Der Weg durch den 200 m hohen felsdurchsetzten Schrofen/Latschengürtel ist mal wieder reine Nervensache, Trittspuren findet man fast überall, aber den einfachsten Weg durch dieses Labyrinth aus Latschenflecken und kurzen Schrofenabschnitten zu finden, ist wohl fast unmöglich. Ich bevorzuge Schrofengelände in Reichweite von Latschen da der Boden immer noch recht feucht ist und ein Ausrutscher sofort einen Absturz nach sich ziehen würde. Wenn es das Gelände zulässt, findet man linkerhand (östlich) immer mal wieder kurze geneigtere Zonen die die Lage etwas entspannter gestalten. Nach gut 1 Stunde habe ich diesen sehr unangenehmen Teil der Tour endlich überwunden, ich fühle mich richtig befreit.
Über geneigte und gut gangbare Schrofen wird ein erster felsiger Aufschwung erreicht, der rechts (westlich) über eine heute sehr feuchte Rinne erklommen wird. Danach führt Schrofengelände zur nächsten Felssstufe, die man östlich über eine schöne Verschneidung mit 2 Haken erklettert. Der nächste schrofige Abschnitt leitet zu einem massigen Klotz der auf der linken Seite mittels eines Risses und einem nach links aufwärts ziehenden Gesims zu überwinden ist. Nun einfach weiter bis der waagrechte Teil des Pfeilers erreicht wird.
Während der Weg bislang ausschließlich östlich des Grates entlang führte (sehr warm), geht man nun direkt auf dem Grat der zusehends schmäler wird und sich zu einer echten Schneide ausbildet. Über den ersten Abbruch kann man noch abseilen ( 15 m ), dann geht es auf der immer schärfer werdenden Schneide zum höchsten Punkt eines turmartigen Gebildes. Da die Felsqualität ihrem Ruf nun voll gerecht wird, atmet man instinktiv flacher, in der trügerischen Hoffnung, dass die ineinander verkeilten Felsstrukturen durchs Atmen nicht zusätzlich erschüttert und somit zum Einsturz gebracht werden. Von diesem Turm muss abgeklettert werden, ist nicht so schwer wie es aussieht, aber ungemein ausgesetzt. Nun weiter auf der Schneide bis zu einem riesigen Klotz, der auf der Ostseite umgangen wird. Unter der steilen Wand verfolgt man zunächst ein schmales Band bis oberhalb ein Kamin und nachfolgend eine Rinne sichtbar wird ( Ringhaken am Band ). Über gut gangbares Gelände durch den Kamin und die Rinne zu einer Schulter und von hier rechtshaltend auf die schwach ausgeprägte Scharte nach dem Klotz.
Die Rinne zwischen Pfeiler und Dreizinkenspitze ist jetzt ganz nah und offenbart die ungeheure Brüchigkeit die durch die Verwitterung des Gesteins entstehen kann. Weniger, aber immer noch ordentlich brüchig geht es lt. Führer auf der Gratschneide weiter, über eine plattige Rippe (mit festem Fels) die sich auf der rechten Seite zum Grat hinauf erstreckt, kann ich jedoch die ersten 30 - 40 m umgehen. Danach weiter auf dem Grat, wobei einmal eine kurze überhängende Stelle geklettert werden muss, bis sich der Grat im breiten Schrofengelände verliert (ca. 50 Hm über der Scharte zwischen Grubenkar- und Dreizinkenspitze).
Der Grubenkarspitze möchte ich, da sie nicht in Abstiegsrichtung liegt, keinen Besuch abstatten, aber den Gipfel der Dreizinkenspitze kann ich schnell noch mitnehmen. Den deutlichen Wegspuren nach Westen folgen, zuletzt mit Unterstützung von Eisenstiften und Klammern zum Gipfelkreuz. Bin sehr erstaunt, als ich im GB nachlesen kann, dass der Gipfel fast jede Woche besucht wird, und auch heute waren schon 4 Personen vor mir hier oben. Das Wetter ist leider so diesig, dass ich keine ansehnlichen Bilder der vielen umliegenden Berge machen kann.
Nach einer kurzen Pause geht es auf den ausgeprägten Trittspuren in westlicher Richtung weiter bis zur Biwakschachtel unterhalb der Lalidererspitze. Nun abwärts in den unterhalb liegenden Karboden und auf undeutlichen Trittspuren wieder hinauf zum Beginn der Spindlerschlucht westl. des östl. Ladizturmes. Meine 40 m lange 6 mm-Repschnur reicht zum Abseilen völlig aus, 60 m sind natürlich besser, aber Doppelseil bringt nur an wenigen Stellen was, da der Abstieg ja nicht völlig gerade nach unten führt, sondern auch einige Querungen enthält. Die Kletterei zwischen den Abseilstellen ist nicht schwer ( I – II ) aber man muss trotzdem hochkonzentriert bleiben, ein Ausrutscher auf dem überall herumliegenden Schotter/Geröll sollte auf jeden Fall vermieden werden.
Nach 9 Stunden habe ich die Falkenhütte erreicht und freue mich auf ein kühles Bier, was für eine Enttäuschung als ich erfahren habe, dass die Hütte aufgrund der Umbauarbeiten geschlossen ist und erst im Jahre 2020 wiedereröffnet wird. Wenigstens fließt kühles Quellwasser aus der Wasserleitung eines kleinen Nebengebäudes. Nach einer verdienten Pause, umgeben von einer gewaltigen Felskulisse, mache ich mich wieder auf den Weg zu den Engalmen. Gerade als ich ein Bier genieße, laden die aufgezogenen Wolken ihre nasse Fracht auf die Wände von Laliders ab.
Fazit: der Schrofen-/Latschenzustieg und die ausgesetzte Gratüberschreitung treiben den Pulsschlag schon ein wenig nach oben, vermitteln aber auch tiefe und vmtl. länger anhaltende Eindrücke. Im Vordergrund steht nicht die Bewältigung von Kletterschwierigkeiten, sondern ein tief gehendes Erlebnis das ich als Abenteuer bezeichnen würde.
Viele Grüße
Albert
Kommentare (11)