Wilder Ritt über den Schafschijen 2839m
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In den Urner Alpen West finden sich Dutzende von Gipfeln, die kaum je bestiegen werden. Ambitionierte Hikrs finden hier eine riesige Spielwiese für Neuentdeckungen. Natürlich lohnen manche dieser Berge kaum einen Besuch: unbedeutend, abgelegen, wenig Panorama, anspruchsvolle und heikle (Kletter-)Routen. Aber auf den Schafschijen trifft das keineswegs zu. Der Zustieg ab Seewenhütte ist kurz, seine stattliche Höhe und die vorgeschobene Lage im Meiental garantieren tolle Ausblicke und er lässt sich auf verschiedenen, spannenden Routen erreichen. Trotzdem habe ich auf die Schnelle keine Begehungsnachweise gefunden.
Geplant hatte ich eigentlich, nach dem rassigen Aufstieg über den Südostgrat (ab Rot Bergli) über die gutmütige Normalroute abzusteigen. Doch der wilde Ritt hatte mich dermassen in den Bann gezogen, dass ich einfach weiter dem Grat gefolgt bin: zuerst zum Miesplanggenstock und von dort - immer noch hungrig - zum Spitzplanggenstock.
Um sieben Uhr laufe ich vom Hüttenparkplatz Gitzichrummenflue (1613m) an der Sustenpassstrasse los. Das sollte reichen, um vor den angesagten Gewittern wieder unten zu sein. Ich drücke auf die Tube und nach gut neunzig Minuten stehe ich auf dem Rot Bergli (2407m), dem Übergang nach Gorneren. Erst vor Ort habe ich mich definitiv für den Südostgrat entschieden, denn die Formulierung im Clubführer lag mir auf dem Magen: "... und durch einen Riss zu den Bändern unter dem Gipfel. Über diese hoch (schwierig) zum Gipfel". Wenn der notorische Unterbewerter Fullin von "schwierig" spricht, kann das nichts Gutes bedeuten. Aber wie ich von der Schafgand auf den vermeintlich sanften Grat blicke, werde ich natürlich schwach. Böse Gedanken an den fast senkrechten Gipfelaufbau verdränge ich...
Der Einstieg in den Gratrücken ist unschwierig, ja genussvoll: Gehgelände im Wechsel mit leichter Kraxelei. Die Spannung steigt, als eine recht steile Graszunge in zwei Rinnen übergeht. Im zweiten Versuch wähle ich die rechte Rinne (T5) und gelange so in eine kleine Scharte im Grat. Hui, jetzt wird's luftig: auf einem grasigen Band in der Ostrflanke umgeht man verschiedene Gendarmen (kurz T6), die Gemsen machen's genauso. Wieso Fullin diese Passage als "schwierig" bezeichnet, ist mir schleierhaft, vermutlich meint er "heikel". Anschliessend klettere ich die steile, grasdurchzogene Felswand hoch, gerate aber immer wieder in T6+ Gelände und muss jeweils heikel zurücksteigen. Nach mehreren Versuchen breche ich ab und möchte schon umkehren. Da entdecke ich die Gratscharte, wo einfach wieder auf die Westseite gewechselt werden kann. Dort Querung, wo's am einfachsten geht (T5+ bis T6-). An geeigneter Stelle klettere ich wieder zum Grat hoch. Alternativ könnte man - einfacher - zu einer Rinne absteigen, die dem Gipfelaufbau entlang führt. Aber die Gratvariante ist viel attraktiver, ein echter Leckerbissen! In einer Scharte vor dem Gipfelaubau kommen die beiden Varianten wieder zusammen.
Hier haben die Schwierigkeiten urplötzlich und unerwartet ein Ende. Denn die kaum bezwingbare Gipfelwand wird über Schutt auf der Ostseite einfach umgangen. Man erreicht so das Plateau zwischen den beiden Gipfeln. Wer, wie ich, in direkter Linie zum Südgipfel vom Schafschijen (2839m) hochsteigen will, muss nochmals klettern. Der Übergang zum höheren, aber nicht-kotierten Nordgipfel ist wieder Gehgelände. Nach der Aufregung, der Versteiger ins T6+ Gelände hatte Nerven gekostet, kann ich mich nun entspannen und ich geniesse das herrliche Panorama auf die Bergwelt mit Krönten, Zwächten und Bächenstock - mein absolutes Lieblingsgebiet in den Urner Alpen.
Die Lust auf mehr ist nun definitiv geweckt und ich verwerfe den geplanten Abstieg über die gutmütige Südwestflanke - stattdessen die Nordflanke runter. Das ist wenig attraktives Gelände für den erfahrenen T6-Gänger: brüchig, feucht, leichte Kletterei. Beim Einstieg folgt man kurz dem Südwestgrat, um von dort einfacher über ein Band in die Flanke reinzuqueren. Anschliessend kann man in Gratnähe verbleiben, wobei die Flanke prinzipiell viele Varianten zulässt. Kurz vor der Scharte muss nach Osten ausgewichen werden. Hier habe ich offenbar eine geistige Umnachtung. Denn statt weiter dem Grat zu folgen, steige ich gut 100Hm die westseitige Rinne ab (auch ein Abstieg nach Gorneren wäre gut möglich). Anschliessend Wiederaufstieg in die nächste, nördlichere Scharte. Genervt von meinem Fehler steige ich von dort zurück zum Turm zwischen den beiden Scharten und kann deshalb bestätigen: Man hätte tatsächlich durchgehend dem Grat folgen können (ca. T6/II).
Nun folgt das Herzstück der Tour: der Südgrat zum Miesplanggenstock (2874m). Das ist wunderbare Gratkletterei in recht festem Fels. Der Clubführer bewertet diese mit III. Das kann ich nur bedingt nachvollziehen. Die Schwierigkeiten liegen weniger im Kletterbereich, Erfahrung im wilden T6-Gelände ist aber unerlässlich. Wie auch immer, die Kletterei könnte durch die Westflanke einfach umgangen werden. Auf dem Gipfel, den ich bereits 2016 besucht habe, entscheide ich mich erneut gegen den Normalabstieg nach Westen und folge weiter dem Grat nordwärts. Kaum zu glauben, aber alle Türme unterwegs können überschritten werden (T6/II). Nur zwei Mal weiche ich ganz kurz vom Grat ab, vor Ort offensichtlich. Umgehungen in der Westflanke wären zwar möglich, bringen aber kaum Vorteile (im Gegenteil). Zuletzt in wenigen Minuten zum Spitzplanggenstock (2820m), der sich ab Seewenhütte über einen wbw-Weg erreichen lässt.
Theoretisch könnte die Überschreitung nun über die Bächentürme bis zum Bächenstock fortgesetzt werden... aber das ist nicht mehr meine Liga. Und mittlerweile sind dunkle Wolken am Aufziehen. Also Abstieg am Sewenstock vorbei - wo ich bereits ein neues Projekt am Schmieden bin - zur Hütte und retour zum Ausgangspunkt.
Zeiten
2:50 Schafschijen
1:25 Miesplanggenstock
0:30 Spitzplanggenstock
1:30 Gorezmettlen
Geplant hatte ich eigentlich, nach dem rassigen Aufstieg über den Südostgrat (ab Rot Bergli) über die gutmütige Normalroute abzusteigen. Doch der wilde Ritt hatte mich dermassen in den Bann gezogen, dass ich einfach weiter dem Grat gefolgt bin: zuerst zum Miesplanggenstock und von dort - immer noch hungrig - zum Spitzplanggenstock.
Um sieben Uhr laufe ich vom Hüttenparkplatz Gitzichrummenflue (1613m) an der Sustenpassstrasse los. Das sollte reichen, um vor den angesagten Gewittern wieder unten zu sein. Ich drücke auf die Tube und nach gut neunzig Minuten stehe ich auf dem Rot Bergli (2407m), dem Übergang nach Gorneren. Erst vor Ort habe ich mich definitiv für den Südostgrat entschieden, denn die Formulierung im Clubführer lag mir auf dem Magen: "... und durch einen Riss zu den Bändern unter dem Gipfel. Über diese hoch (schwierig) zum Gipfel". Wenn der notorische Unterbewerter Fullin von "schwierig" spricht, kann das nichts Gutes bedeuten. Aber wie ich von der Schafgand auf den vermeintlich sanften Grat blicke, werde ich natürlich schwach. Böse Gedanken an den fast senkrechten Gipfelaufbau verdränge ich...
Der Einstieg in den Gratrücken ist unschwierig, ja genussvoll: Gehgelände im Wechsel mit leichter Kraxelei. Die Spannung steigt, als eine recht steile Graszunge in zwei Rinnen übergeht. Im zweiten Versuch wähle ich die rechte Rinne (T5) und gelange so in eine kleine Scharte im Grat. Hui, jetzt wird's luftig: auf einem grasigen Band in der Ostrflanke umgeht man verschiedene Gendarmen (kurz T6), die Gemsen machen's genauso. Wieso Fullin diese Passage als "schwierig" bezeichnet, ist mir schleierhaft, vermutlich meint er "heikel". Anschliessend klettere ich die steile, grasdurchzogene Felswand hoch, gerate aber immer wieder in T6+ Gelände und muss jeweils heikel zurücksteigen. Nach mehreren Versuchen breche ich ab und möchte schon umkehren. Da entdecke ich die Gratscharte, wo einfach wieder auf die Westseite gewechselt werden kann. Dort Querung, wo's am einfachsten geht (T5+ bis T6-). An geeigneter Stelle klettere ich wieder zum Grat hoch. Alternativ könnte man - einfacher - zu einer Rinne absteigen, die dem Gipfelaufbau entlang führt. Aber die Gratvariante ist viel attraktiver, ein echter Leckerbissen! In einer Scharte vor dem Gipfelaubau kommen die beiden Varianten wieder zusammen.
Hier haben die Schwierigkeiten urplötzlich und unerwartet ein Ende. Denn die kaum bezwingbare Gipfelwand wird über Schutt auf der Ostseite einfach umgangen. Man erreicht so das Plateau zwischen den beiden Gipfeln. Wer, wie ich, in direkter Linie zum Südgipfel vom Schafschijen (2839m) hochsteigen will, muss nochmals klettern. Der Übergang zum höheren, aber nicht-kotierten Nordgipfel ist wieder Gehgelände. Nach der Aufregung, der Versteiger ins T6+ Gelände hatte Nerven gekostet, kann ich mich nun entspannen und ich geniesse das herrliche Panorama auf die Bergwelt mit Krönten, Zwächten und Bächenstock - mein absolutes Lieblingsgebiet in den Urner Alpen.
Die Lust auf mehr ist nun definitiv geweckt und ich verwerfe den geplanten Abstieg über die gutmütige Südwestflanke - stattdessen die Nordflanke runter. Das ist wenig attraktives Gelände für den erfahrenen T6-Gänger: brüchig, feucht, leichte Kletterei. Beim Einstieg folgt man kurz dem Südwestgrat, um von dort einfacher über ein Band in die Flanke reinzuqueren. Anschliessend kann man in Gratnähe verbleiben, wobei die Flanke prinzipiell viele Varianten zulässt. Kurz vor der Scharte muss nach Osten ausgewichen werden. Hier habe ich offenbar eine geistige Umnachtung. Denn statt weiter dem Grat zu folgen, steige ich gut 100Hm die westseitige Rinne ab (auch ein Abstieg nach Gorneren wäre gut möglich). Anschliessend Wiederaufstieg in die nächste, nördlichere Scharte. Genervt von meinem Fehler steige ich von dort zurück zum Turm zwischen den beiden Scharten und kann deshalb bestätigen: Man hätte tatsächlich durchgehend dem Grat folgen können (ca. T6/II).
Nun folgt das Herzstück der Tour: der Südgrat zum Miesplanggenstock (2874m). Das ist wunderbare Gratkletterei in recht festem Fels. Der Clubführer bewertet diese mit III. Das kann ich nur bedingt nachvollziehen. Die Schwierigkeiten liegen weniger im Kletterbereich, Erfahrung im wilden T6-Gelände ist aber unerlässlich. Wie auch immer, die Kletterei könnte durch die Westflanke einfach umgangen werden. Auf dem Gipfel, den ich bereits 2016 besucht habe, entscheide ich mich erneut gegen den Normalabstieg nach Westen und folge weiter dem Grat nordwärts. Kaum zu glauben, aber alle Türme unterwegs können überschritten werden (T6/II). Nur zwei Mal weiche ich ganz kurz vom Grat ab, vor Ort offensichtlich. Umgehungen in der Westflanke wären zwar möglich, bringen aber kaum Vorteile (im Gegenteil). Zuletzt in wenigen Minuten zum Spitzplanggenstock (2820m), der sich ab Seewenhütte über einen wbw-Weg erreichen lässt.
Theoretisch könnte die Überschreitung nun über die Bächentürme bis zum Bächenstock fortgesetzt werden... aber das ist nicht mehr meine Liga. Und mittlerweile sind dunkle Wolken am Aufziehen. Also Abstieg am Sewenstock vorbei - wo ich bereits ein neues Projekt am Schmieden bin - zur Hütte und retour zum Ausgangspunkt.
Zeiten
2:50 Schafschijen
1:25 Miesplanggenstock
0:30 Spitzplanggenstock
1:30 Gorezmettlen
Hike partners:
Bergamotte
Communities: T6
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0Km
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