Die Frauen haben ausgemahlen, die Herren lauschen noch, abgetragene Kleidung und geschundene Pferde


Publiziert von lainari , 22. April 2018 um 11:53.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum:15 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:45
Aufstieg: 440 m
Abstieg: 440 m
Strecke:18,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Černý rybník oder Bus bis Dubá
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 15 Máchův kraj

Daubaer Schweiz - Frauenmühle, Herrndorf, Hirschmantel und Roßpresse (Kokořínsko - Ženský mlýn, Panská Ves, Heřmanký a Rozprechtice)
 
Ein warmer Frühlingstag wurde erwartet. Ich machte mich zur Abwechslung wieder einmal auf den Weg in die Sandsteinlandschaft Kokořínsko (Daubaer Schweiz). Die aufgehende Sonne wurde wie vorhergesagt von Saharastaub verschleiert. Als Startpunkt hatte ich den Černý rybník (Schwarzteich) vor den Toren von Dubá (Dauba) ausgewählt. Der Teich ist mit Strandbad und Open-Air-Kino ein touristischer Sommer-Hotspot. Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu Dubá verwirrt den Informationssuchenden bezüglich des Teiches mit einem rechten Mumpitz. Sinngemäß wird dort erklärt, die Liběchovka werde bei Mlýnek (Frauenmühle) zum Schwarzen Teich gestaut, was in mehrerlei Hinsicht fehlerbehaftet ist. Die Liběchovka (Libocher Bach) wird an der Černý mlýn (Schwarzmühle) zum Schwarzteich gestaut. Mlýnek ist bereits anhand des „-ek“ mit Tschechisch-Grundkenntnissen als Verkleinerungsform zu identifizieren. Die Lokation Malý Mlýnek (Kleinmühle) liegt etwa 750 m nördlich des Schwarzteiches talaufwärts am Bach. In etwa derselben Distanz in südlicher Richtung lag einst die Ženský mlýn (Frauenmühle/Fraumühl), wohin ich als erstes meine Schritte lenkte. Durch das Tal führte eine um diese Zeit schwach frequentierte Fahrstraße. Der Talboden war, wie im Verlauf der heutigen Tour noch häufiger, sumpfig. Die Gebäude der Mühle sind längst verschwunden, ihre Reste waren jedoch deutlich auszumachen. Als Anhaltspunkt kann ein nahes Wasserwerk dienen. Dahinter am Hang wurde einst das Oberwasser in einem Mühlgraben herangeführt. Dessen Verlauf folgte ich nun etwas mühsam durch nasses Gras und zunehmende Verbuschung. Der Ausgangspunkt des Grabens lag bei Nedamov (Nedam). An der Straße lief ich deutlich bequemer wieder zur Ženský mlýn zurück und verließ dort geleitet von einer gelben Wanderwegmarkierung das Tal. Über einen alten Treppenweg kam ich hinauf nach Panská Ves (Herrndorf). Das Örtchen auf einer Hochfläche wird dominiert von den Teleskopen und Antennen der Ústav fyziky atmosféry AV ČR, einer Forschungseinrichtung.
 
Auf eine grüne Wanderwegmarkierung gewechselt, lief ich bis zu einer Wanderwegkreuzung. Hier machte ich einen Abstecher und folgte einer blauen Markierung/einem blauen Gipfelzugang hinauf auf den Velký Beškovský kopec (Großer Beschkaben/Beschgaben; Sattelberg). In diversen Beschreibungen im Internet wird der bewaldete Berg als wenig lohnenswert abgetan. Bezüglich der Aussicht mag dies zutreffen, aber sonst sieht der aufmerksame Betrachter eine Menge. Bereits am Aufstiegsweg befand sich ein kleiner alter Sandsteinbruch. Im Gipfelbereich, wo Basalt die Sandsteindecke durchdrungen hat, war ein einstiger Eisenerztagebau auszumachen. Das Erz wurde durch Umwandlungsprozesse im Kontaktbereich zwischen Basalt und Sandstein abgelagert. Gegen Westen wurde der Berg von einer Sandsteinmauer begrenzt, die von der Gipfelhöhe jeweils ca. 200 m nach links und rechts abfiel. Am rechten unteren Ende Richtung Zugangsweg war ein Kreuz mit der Inschrift „AI 1691“ in den Fels eingehauen. Talwärts gelaufen, pausierte ich am Sandsteinbruch und nutzte eine Sandsteinkante als Sitzgelegenheit. An der Kreuzung nahm ich wieder den grünen Wanderweg und kam im Verlauf in die Streusiedlung Beškov (Beschkaben/Beschgaben). Die Häuser werden vorrangig als Wochenenddomizile genutzt. Hinter dem Ort schlängelte sich der Weg im Wald talwärts in ein landschaftstypisches Sandsteintal. Nach einer Straßenüberquerung war der Talboden sumpfig. Das Feuchtgebiet zog mich derart in den Bann, dass ich den geplanten Abstecher zur Hrad u Kluku (Burg bei Kluk/Kluck) vergaß. Die Anlage auf einem Felssporn rechts des Talweges wurde in der Mitte des 13. Jh. erbaut und genutzt. Über die Burg selbst gibt es keine urkundlichen Nachweise aber zwei Adlige mit dem Zunamen Kluk tauchen in dieser Zeit im Schrifttum auf. Dass ich die Suche nach der Burg vergessen hatte, bemerkte ich erst im Örtchen Kluk (Kluk/Kluck). Zurückzulaufen hatte ich keine Lust, daher beschloss ich, die Erkundung nach der Tour mit dem Auto nachzuholen. Der Wanderweg stieg im Verlauf auf eine Hochfläche hinauf und erreichte das Felsendorf Dražejov (Draschen). Der idyllische Flecken liegt mehrheitlich auf einer etwa 250 m langen und 50 m breiten Sandsteintafel. Ein mittig angelegter Weg trennt die links und rechts angeordneten Grundstücke. Auf alten Bildern sind am Ostfuße der Sandsteintafel Terrassengärten zu sehen. Heute ist dort alles verbuscht und bewaldet. Am Ende der Sandsteintafel stieg ich durch einen typischen Felsenweg ab. Danach ging ich auf einer Fahrstraße weiter.
 
Nun wollte ich den aufgegebenen Ort Heřmanký (Hirschmantel) suchen. Auf dem Google-Maps-Luftbild schien alles einfach, bis zu ersten Wiese an der Straße und dann rechts hinein. Bis zur ersten Wiese dauerte es mir deutlich zu lange.
Ich hatte aber unterwegs eine junge Verbuschung mit übermannshohen Bäumen gesehen. Der dort abzweigende Weg war mit einer Schranke und einem Zutrittsverbotsschild geschmückt. Im Nachgang bestätigte die deutlich aktuellere Luftaufnahme von mapy.cz, dass ich genau dort richtig gewesen wäre. Die Wiese ist jetzt zur Straße hin durch einen Jungwald getarnt. Da ein Besuch nicht erwünscht scheint, müsste man jedoch über einen Anmarsch vom rot markierten Talweg nachdenken, was die Sache auch nicht gerade vereinfacht.
Ich kam nun zur zweiten Wiese, die ich für die erste hielt und verschwendete dort ein wenig Zeit. Immerhin fand ich die Reste einer einstigen Villa im Wald. Mangels Detailkarte und aussichtsreicher Suchansätze brach ich die Suche nach Hirschmantel für heute ab. Über den Talweg kam ich nach Rozprechtice (Roßpresse/Rosspresse). Was hier früher mit den Pferden veranstaltet wurde, blieb im Dunklen. Die Lokation war aber wasserbaulich interessant. Der von Osten heranführende Křenovský potok wurde hier zu einem großen Teich angestaut. Die von Norden kommende Liběchovka aber wurde auf höherem Niveau nördlich um den Teich herumgeführt. Irgendwo dort wurde unterwegs einst Wasser für die Šibeniční mlýn (Galgenmühle) durch einen Mühlgrabentunnel abgeleitet. Da dieser nach wenigen Metern schlammig war, verzichtete ich auf eine Befahrung Richtung Ausgangspunkt. Die rote Wanderwegmarkierung leitete mich in der Folge durch ein Seitentälchen hinauf zur Socha sv. Prokopa (Statue des hl. Prokop) von 1781. Zunächst weglos, hielt ich über eine Wiese auf die Straße zu und ging an ihrem Rand nach Dubá (Dauba) hinein. Entlang der Straße befinden sich hier unzählige alte Felsenkeller. Ich war mir zunächst unklar, welcher Weg zu meinem nächsten Ziel führen könnte und wandte mich bergwärts auf einen Anliegerweg hinein. Dort war eine ältere Frau mit einem Wägelchen unterwegs. Sofort deckte sie mich mit einem Redeschwall ein. Erschweren schon gewisse Unterschiede zwischen tschechischer Schrift- und Redesprache das Verstehen, gerät man bei einer vertrauten Anrede mit Verkleinerungs- und Koseformen ganz schnell an seine Grenzen. Als Angesprochener wird man freilich mit einer solchen Redeform geadelt, weil man damit als zugehörig betrachtet wird. Im vorliegenden Fall könnte es ein „Jungelchen wo willst Du denn hin? Lass Dir doch von einem alten Mütterchen helfen!“ gewesen sein. Auf meine Frage nach der sušárna gestikulierte sie in Richtung des nächsten Weges. Ich bedankte mich und ging dorthin. Währenddessen wurde eine dort erscheinende jüngere Frau mit selbstgebasteltem Kinderwagen vom Mütterchen per 50-m-Ferndialog in mein Orientierungsproblem einbezogen. Per Stafette wurde ich so zu meinem Ziel weitergereicht. Mit Blick auf den Kinderwagen stellte ich mir indes die Frage, ob ein hiesiger Jayden-Taylor oder eine Chantalle nicht bleibende Schäden vom Transport in einem Nicht-Marken-Fahrzeug ohne einem halben Dutzend komfortabler Transportpositionen erleiden würden. Zwischenzeitlich war ich an der sehenswerten Sušárna chmele (Hopfendarre) von 1877 angelangt. Mit Blick auf das Objekt nutzte ich eine Bank zur verdienten Mittagsrast. Anschließend ging ich auf einem Fußweg entlang der Straße zurück zum Černý rybník. Mit dem Auto fuhr ich über die Straße II/259 zur heute schon begangenen Waldwegkreuzung und parkte dort. In etwa 10 min war die Erkundung der Hrad u Kluku nachgeholt. In mittlerweile recht angenehmer Wärme trat ich die Heimfahrt an.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 45 min.
Die absolvierte Wegstrecke ist größtenteils als Wanderweg markiert und ist auf den vorhandenen Flurwegen mit T1 zu bewerten. Die weglosen Erkundungen haben abweichend die Schwierigkeit T2.

Tourengänger: lainari


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