Kokořínsko - Krvomlejn, Nedamy a Klemperka


Publiziert von lainari , 27. Juli 2016 um 17:47.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum:25 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 370 m
Abstieg: 370 m
Strecke:22 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Harasov
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 16 Mělnicko a Kokořínsko

Felsen-/Höhlenburgen in der Daubaer Schweiz
 
Trotz warmem und unbeständigem Wetter raffe ich mich heute zu einer Unternehmung auf. Nach sehr zeitigem Start mache ich mich auf den Weg in die Kokořínsko (Daubaer Schweiz). Vom vortägigen Regen ist noch sehr viel Feuchtigkeit in der Landschaft, so dass man bei 18° C am Morgen die Luft schon in Würfel schneiden könnte. Während tschechische Straßenränder im Gegensatz zu zuhause stets einen sehr gepflegten Eindruck machen, überlässt man die Profilfreiheit der Straßenbäume den Lastwagen und Bussen. Als ich im Nebel eine größere Strecke hinter einem Sattelzug herfahren muss, werde ich unablässig mit Obst, Ästen und Blättern beworfen. Schließlich komme ich nach Harasov. Hier finde ich den einzigen Parkautomaten aller meiner bisherigen Tschechien-Unternehmungen vor. Da stehe ich nun etwas ratlos mit meinen Kronen-Scheinen, Münzgeld habe ich nicht dabei. Ich fahre deshalb bis zum Ortsende und stelle das Auto einen kleinen Platz neben der Straße ab. Sollen sie mich doch für geizig halten…
 
Am herrlichen Teich von Harasov stechen eine alte Hotelruine und die Investruine einer rustikalen Lodge ins Auge. An der Felswand hinter dem Seeabfluss bleibt der Blick an einem Balkon einer Felsenbehausung hängen. Das Objekt befindet sich am Burgfelsen der einstigen Burg Harasov-Krvomlejn. Ihre Erbauung im 14. Jh. wird Dobeš z Újezda zugeschrieben, der sich später Dobeš z Harasova nannte. Die Burg war fortan Stammsitz der Familie der Hrzánové z Harasova (Herzan von Harras). Über die weitere Geschichte ist recht wenig bekannt. Zum Beinamen Krvomlejn (Blutmühle) erzählt man sich folgende schaurige Geschichte:
Auf der Burg lebte einst der Ritter Slaviboř mit seiner bildhübschen Tochter Ladka in Ruhe und Frieden. Diese traf zufällig auf den Sohn des Burgherren von Vidim, Břetislav. Sie verliebten sich ineinander. Nachdem der Jüngling nach einiger Zeit seinem Vater Milota von der bislang heimlichen Liebschaft erzählte und um die Erlaubnis zur Heirat bat, geriet dieser in Rage, da er für seinen Sohn andere Pläne hatte. Mit einer Armbrust verübte der grimmige Milota daraufhin am üblichen Treffpunkt der Beiden einen Mordanschlag auf das Mädchen. Ladka wurde dabei schwer verletzt. Ein Eremit fand sie. Vor ihrem Tode konnte sie sich ihrem Vater noch offenbaren. Dieser schwor Rache und nahm trickreich die Burgmannschaft von Vidim gefangen. Er errichtete auf seinem Burghof eine Guillotine. Unterhalb befand sich zu dieser Zeit eine Mühle in Bau, deren Mühlrad verklemmt war und sich noch nie gedreht hatte. Vom Blutstrom seiner hingerichteten Feinde setzte sich das Rad ein erstes Mal in Bewegung. Kurz darauf nahmen die Freunde des Ritters Milota ihrerseits blutige Rache an Slaviboř und seinen Mannen und das Rad drehte sich ein zweites und letztes Mal. Burg und Mühle wurden daraufhin abgerissen (Geschichte nach eigener Übersetzung und Zusammenfassung, es kursieren unterschiedlichste Variationen).
Die Burgkeller wurden tatsächlich zu Mühlenzwecken ausgebaut und später zu Ferienwohnungen umgestaltet. Heute sind sie augenscheinlich ungenutzt. Der Burgfelsen selbst ist unzugänglich.
 
Ich nutze den rot markierten Wanderweg talaufwärts am Seeufer entlang. Am Anfang ist ein Anstieg über ein Steilufer zu absolvieren, später verläuft der Pfad relativ eben in Ufernähe. Der Weg wechselt im Verlauf die Talseite und ist auf einem Abschnitt recht schlammig. Nun erreicht er in der Siedlung Kokořínský Důl einen U Grobiána genannten Platz. Der Name ist wenig vertrauenerweckend, daher durchmesse ich eilig die Ortslage. Danach schwenkt der Weg links ein und umläuft einen weiteren Teich. Nach einer vergessenen und überwucherten Feriensiedlung komme ich nach Kokořín - Dolina. Hier wechselt die Wanderwegmarkierung auf grün und ich laufe zunächst am Straßenrand weiter. Dann bekommt der Wanderweg eine eigene Trasse im Wald bevor er über ein Seitental angenehm und rasch an Höhe gewinnt. Zurück an der Talkante passiert er das Areal der einstigen Burg Nedamy. Der Zugang zum Objekt erfolgt durch leichte Spaltenkletterei (T3/I), die mit Gepäck etwas mühsam ausfällt. Im ersten Stock ist der Raum über der Zugangsspalte aufgeweitet und es gibt seitlich davon ein Felsengemach. Auf das Dach der Burg gelangt man wiederum durch Kletterei über eine Spalte mit Treppenresten. Hier sind jedoch ausreichend Griffe vorhanden. Archäologische Grabungen haben eine Besiedlung der Burg vom 13. - 16. Jh. nachgewiesen. Ansonsten ist über die Historie nichts bekannt. Im Dreißigjährigen Krieg diente der Platz dem Unterschlupf der lokalen Bevölkerung. Im Zeitalter der Naturromantik wurde sie dann als Besuchsziel erschlossen, so dass man mit der Bewertung der heute aufzufindenden Spuren vorsichtig sein muss. Am Fundamentrest eines Turmes lege ich meine Frühstückspause ein.
 
Vorsichtig wieder abgestiegen, setze ich die Wanderung auf einem schönen, sich etwa in gleichbleibender Höhenlage durch eine spektakuläre Felsenlandschaft schlängelnden Wanderpfad fort. Mittlerweile lösen sich die Wolken mehr und mehr auf und die Temperatur steigt. Der Weg gewinnt nochmals an Höhe und führt hinaus aus dem Wald nach Jestřebice (Jestrebitz/Gestrebitz). Noch vor dem Ortskern wechsele ich von der grünen auf eine diagonale rot-weiße Wanderwegmarkierung und biege dabei nach links ab. Über eine alte Weganlage steige ich steil in eines der landschaftstypischen Felsentäler hinunter. Der Weg führt nun kurz auf dem Talboden entlang und geht dann in den Gegenanstieg über. Eine alte Treppenanlage bildet den steil ansteigenden Schlussanstieg vor dem Offenland. An einem Friedhof lädt eine schattig platzierte Bank zu einer kleinen Trink- und Akklimatisationspause ein. Nach wenigen Metern komme ich anschließend in das sehenswerte alte Bauerndorf Šemanovice. Am Straßenrand laufe ich hinüber nach Březinka. Hier wird der Wanderweg über einen Flurweg nach Truskavna weitergeführt. Eine steile alte Wegbeziehung leitet mich erneut auf den Talboden des zuvor im oberen Abschnitt gequerten Tales hinab. Unten treffe ich auf eine einstige Felsenbehausung und auf die Höhlenburg Klemperka. Die Höhlenburg wurde 13. - 14. Jh. besiedelt. Es gibt keine bekannten geschichtlichen Hintergründe zu ihrer Anlage und ihren Nutzern. Im 19. Jh. verwendete der Räuber Klemper diesen Ort als Rückzugsraum. Auf ihn geht der heutige Name zurück. Die wenigen Meter Fahrweg bis zur kreuzenden Straße haben eine gelbe Markierung. Ich biege nach links und mühe mich an der Straße hinauf nach Kokořín (Kokorschin). Mittlerweile ist es brutal warm und ich steuere direkt auf eine im Schatten stehende Bank auf dem zentralen Platz des Ortes zu. Hier lege ich eine Mittags- und Erholungspause ein. Mit frischer Kraft suche ich nun einen Zugang zur Höhlenburg Staráky die sich unterhalb des verwilderten Schlossparkes in einem wilden Graben befinden soll. Ich schaue von links und von rechts, finde aber keinen Zugang. Da das Objekt als Burg-Rekonstruktion ohnehin mit einem der Historie nachempfundenen Palisadenzaun umgeben und nicht zugänglich ist, verzichte ich auf weitere Bemühungen und vermute den Zuweg im privaten Schlossgelände. Einen Abstecher zur „Disney“-Burg Kokořín lasse ich ebenfalls aus und orientiere mich talwärts gemäß einer grünen Markierung. Ein kurzer steiler Abstieg bringt mich in das vom morgendlichen Hinweg bekannte Tal. Wegen der schlammigen Passage biege ich hier direkt talwärts, gehe an der Straße entlang und nehme den rot markierten Wanderweg erst ab der nächsten Querung. Um den See von Harasov herum, wo sich mittlerweile einige Badegäste eingefunden haben, kehre ich zum Auto zurück.
 
Die heute größtenteils fehlende Übersetzung der Ortsnamen ist nicht auf meine Faulheit, sondern auf die unmittelbar hier verlaufende einstige Sprach- und Besiedlungsgrenze der Deutsch-Böhmer zurückzuführen.
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 30 min.
Einzelne Passagen des Wanderweges sind mit T2 zu bewerten, die übrige Strecke mit T1.
Der fakultative Zugang zur Hrad Nedamy erfordert Spaltenkletterei (T3/I).

Tourengänger: lainari


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