Rund um Vidim


Published by lainari , 3 November 2020, 21h26.

Region: World » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Date of the hike:23 September 2020
Hiking grading: T2 - Mountain hike
Waypoints:
Geo-Tags: CZ 
Time: 4:00
Height gain: 460 m 1509 ft.
Height loss: 460 m 1509 ft.
Route:14 km
Access to start point:Auto bis Dolní Vidim
Maps:1:50.000, KČT Nr. 16 Mělnicko a Kokořínsko

Was lange währt, wär fast verjährt…
 
Sage und schreibe zwei Jahre war es her, dass wir einer Kollegin unseres Arbeitsbereiches zu einem runden Geburtstag eine Wanderung in Tschechien geschenkt hatten. Das Paket sollte eine freie Wahl aus mehreren Tourenvorschlägen, einen Transport ab/bis Haustür, einen Frühschoppen, fachkundige Wanderleitung sowie einen Wirtshausbesuch beinhalten. Termine, Abwesenheiten, schlechtes Wetter oder zu gutes Wetter (Wärme) und nicht zuletzt Corona blockierten bislang eine Durchführung. Nun tickte die Uhr, denn ihr verdienter Abschied vom Arbeitsleben rückte unaufhaltsam näher. Der Spätsommer war nochmals in die Verlängerung gegangen. Ein einziger Tag verblieb schließlich als Durchführungstermin. Gerade da wurde ein Wetterwechsel angekündigt. Trotzdem liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Die Route wurde optimiert und der geplante Wirtshausbesuch sicherheitshalber in ein Picknick umgewandelt. Die neuesten Wetterprognosen ergaben, dass der Wetterumschwung im Westen ein wenig bummeln würde, so gab es das endgültige Startzeichen. Der Hauptteil des Teilnehmerfeldes begab sich schließlich am Morgen navigationsgeführt leicht umwegig zum strategisch gewählten Treffpunkt. Dort wurden die Mitfahrer auf zwei Fahrzeuge verteilt und die Minikolonne fuhr nach Tschechien in die Sandsteinlandschaft Kokořínsko (Daubaer Schweiz). Über ein schmales Sträßchen erreichten wir letztlich Dolní Vidim (Unter Widim) und parkten an der Kreuzung zum Oberdorf.
 
Zwei Gemeindearbeiter lichteten dort gerade am Straßenrand wachsendes Gehölz aus. Dies war insofern bedeutsam, als ich versprochen hatte, heute unterwegs nicht mehr als 10 Personen anzutreffen - wir zählten also mit (2). Wir starteten zu Fuß und liefen entlang der Straße. Ein leuchtbewesteter Radfahrer passierte uns und kam kurz darauf zurück (Glück für die Rechnung +1=3). Am Bebauungsende bogen wir links hinein und gewonnen am Hang rasch an Höhe. Dabei wurde ein Felsstock umlaufen. Ein Stichweg führte zu den darauf befindlichen spärlichen Resten vom Starý zámek Vidim (Altes Schloss Widim). Die Anlage wurde vermutlich in der 1. Hälfte des 14. Jh. erbaut. Für das Jahr 1318 ist das lokale Geschlecht der z Vidimi erstmals urkundlich nachgewiesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese hier siedelten ist sehr hoch, es handelte sich demnach um ein Festes Haus/niederen Adelssitz. Eine Aussparung am Burgfuß ist einem späteren Sandsteinabbau zuzuschreiben. Wir schauten nach den erhalten gebliebenen Spuren der kleinen Burg und setzen unseren Weg fort. Es folgte ein Anstieg vorbei an einer einstigen Brauerei, von der in einem recht desolaten Anwesen noch einige Reste und Felsenkeller zu sehen waren. Auf der Hochfläche pausierten wir an einem Rastplatz und nahmen den Frühschoppen ein. Hier kamen zwei Wanderer vorbei (+2=5). Dann erreichten wir Horní Vidim (Ober Widim) mit dem markanten Wasserturm und dem neuen Schloss, das heute als Altersheim genutzt wird. Durch das linke der beiden Tore liefen wir in Richtung des alten Schlossparks.
 
Der einstige Schlossbesitzer Theodor Grohmann ließ Anfang des 20. Jahrhunderts am steil abfallenden felsigen Rande des Schlossparkes einen ca. 1 km langen Pfad mit etwa zwanzig spektakulären Brückenkonstruktionen anlegen. Die Stahl-Ziegel-Beton-Konstruktionen sind etwa 60-90 cm breit, die längste bis ca. 15 m lang und sie überbrücken Spalten und Abgründe bis etwa 20 m Tiefe. Früher sollen auch Geländer angebracht gewesen sein und die Schlossherrin soll den Pfad gar zu Pferde genutzt haben! Heute sind die Brücken allesamt durch Korrosion beschädigt und bereits am Beginn des Pfades ist ein größeres zusammengestürztes Exemplar zu sehen, einige kleinere Brücken fehlten unterwegs. Der Pfad ist auf Grund des Zustandes nicht touristisch ausgewiesen. Ein amtliches Betretungsverbot besteht derzeit jedoch augenscheinlich noch nicht.
Wir fädelten unterhalb eines trockenliegenden Teiches auf den Pfad ein. Der Wanderleiter trat vom Erzählen abgelenkt auf eine von trockenem Laub überdeckte Kastanie und versuchte sich mit einem Kopfsprung in Richtung des steilen Abhanges aus der Verantwortung zu stehlen. Trockenes Buschwerk vereitelte zum Glück diesen unverhofften Abgang. Leicht geschockt und zerkratzt sollte es daraufhin weitergehen. Die Frauen beschlossen, lieber auf sicherem Grund auszuharren. Der Männeranteil folgte dem abenteuerlichen Verlauf des Pfades am felsigen Abhang. Die Schlüsselstelle war eine fehlende Brücke über sehr tiefe Spalte, die zwar mit einem Schritt überwunden werden konnte, aber durch einen schrägen Abtritt und einem Auftritt auf einer ausgetretenen Sandsteintreppe heikel zu begehen war. Der fortschreitende Verfall einiger Brückenbauwerke sorgte unterwegs für den einen oder anderen Adrenalinschub. Am Ende des Pfades drehte seine Richtung zur Waldkante hinauf und führte als eine Art alte Allee in Richtung Schloss zurück. Die Frauen hatten den geplanten Treffpunkt missdeutet, so dass erst einmal ein Ordnungsanruf für Klärung und Zusammenführung sorgen musste.
 
Wir liefen anschließend durch den Ort hinab und bogen am Friedhof nach rechts auf einen blau markierten Wanderweg ein. Der Wanderweg verlief zunächst landschaftstypisch in stetigem Auf und Ab, über eine Anhöhe, durch eine Tallage, über eine kiefernbestandene Hochfläche, bevor er nach einer Straßenquerung in einem weiteren Tal hinunterführte. Dieses mündete in ein größeres Tal ein. Hier bogen wir nach links und gingen auf dem Radweg 0011 talaufwärts. Dann suchten wir den nicht ausgeschilderten Skalní stůl (Steinerner Tisch) auf, der sich auf einem Ausläufer des Špičák befindet. Dazu nahmen wir einen abzweigenden Weg nach rechts und hielten uns an einer Gabelung erneut rechts. Dann ging es hinter einer Schonung weglos nach links auf den bewaldeten Höhenrücken hinauf. Da die Teilnehmer der Tour die Zielgenauigkeit der Aktion nicht einschätzen konnten, wurde in mehr oder weniger lautem Murren der Zustand des Wanderleiters hinterfragt. Die Stimmen verebbten, als wir kurz darauf das frisch geharkte Areal des künstlich aus dem Felsen herausgemeißelten Tisches mit seiner umlaufenden Felsenbank erreichten. Hier wurde eine verdiente Pause eingelegt. Talwärts blickend, hielten wir uns beim zunächst weglosen Abstieg rechts und erreichten dabei einen Fluweg, der wieder ins Tal hinunterging. Dann liefen wir das Tal über den Radweg 0011 bergwärts vollends aus, wobei uns zwei Radfahrer begegneten (+2=7). Es folgten eine Spaziergängerin und zwei Pilzsucherinnen (+3=10 - uiii das war knapp). An der kreuzenden Fahrstraße liefen wir zunächst nach links und besichtigten das Skalní reliéf Ukřižování Krista (Steinernes Kreuzigungsrelief Christus). Dann bogen wir auf den grün markierten Wanderweg ab und folgten ihm durch eine Taleinkerbung. Schließlich kamen wir in das von alten Holzhäusern geprägte Dolní Vidim zurück.
 
Mit den Autos fuhren wir zu einem bereits zu Fuß passierten Rastplatz an der Straße und bauten dort unser Picknick auf. Speisen und Getränke waren wohltemperiert und fanden guten Absatz, womit der Wirtshausbesuch vollwertig ersetzt war. Nun folgte die Heimfahrt über eine andere Route wie am Morgen, wobei eine Straßensperrung noch für einen Umweg sorgte. Während der Heimreise zogen von Westen her Wolken auf und verschleierten die Sonne. Trübes Licht bescherte eine leicht melancholische Abschiedsstimmung. Bei der Fahrt über die Grenze tröpfelte es gar ein wenig. Leicht erschöpft vom langen Tag erreichten die Teilnehmer schließlich ihre Wohnorte.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 4 h. Die Schwierigkeit ist auf weiten Strecken als T1 zu bewerten, die Vidimské lávky und der Zugang zum Skalní stůl als T2.
Für eine ausführlichere Fotodokumentation verweise ich für den ersten Wegteil sowie den überwiegenderen Teil der Tour auf zwei ältere Berichte, die umfassend bebildert sind.

Hike partners: lainari


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 50589.kml Manuell gezeichnete Wegstrecke

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24 Sep 23
Kokořínsko - Vidim · lainari

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