Kreuzspitze im Nebel


Publiziert von Ekkehard , 24. Juli 2017 um 19:11.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:13 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:12,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto über Linderhof bis kurz vor die Bundesgrenze
Kartennummer:Kompass "Oberammergau und Ammertal"

Mein Afghanischer Gastsohn und ich wollten zum Abschluss unseres Urlaubs noch die Kreuzspitze besteigen, immerhin die höchste Erhebung der Bayerischen Ammergauer Alpen. Leider war erst das Wetter gut, aber die Kondition schlecht, dann genau anders herum. So verblieb nur Donnerstag der 13.7.2017 für den Aufstieg, wobei die Wettervorhersage meinte, es solle gegen den späteren Nachmittag aufklaren. Beim Frühstück in Oberammergau, waren tiefe Wolken unterwegs, die alles oberhalb von 1800m in Nebel hüllte. Dann wurde es aber besser, die Notkarspitze mit 1899m war frei, wir nahmen das als gutes Zeichen und brachen auf.

Da mein Gastsohn Deutschland nicht verlassen darf, musste die Wegeführung sorgfältig geplant werden. Es bleiben zwei Möglichkeiten. Die erste wäre eine Bike-and-Hike Tour und ein langer Zustieg über den Kuchelbergkamm. Diese trauten wir uns allerdings konditionell nicht zu. Blieb die andere Möglichkeit, der Aufstieg aus dem Lindertal. Wie aus den diversen Karten hervorgeht, liegt der Wanderparkplatz auf Österreichischem Gebiet, man kehrt dann nach ein paar Metern wieder nach Deutschland zurück. Diese Möglichkeit war uns aber aus aufenthaltsrechtlichen Gründen versperrt. Der Grund für diese seltsame Lage des Parkplatzes, ist die Brücke über die Linder: Mit dem Grenzübertritt überschreitet man zugleich die Linder. Wir mussten also einfach nur eine andere Möglichkeit finden um über den Fluss/Bach zu kommen. Diese Möglichkeit konnten wir im Anschluss an einen Besuch in Schloss Linderhof auskundschaften. Etwa 250m vor der Grenze (auf Deutscher Seite) liegt rechts an der Straße eine etwas größere Parkbucht, gegenüber eine wesentlich kleinere Entsprechung. Letztere entpuppt sich als eine völlig zugewachsene Zufahrtsrampe zum Flussbett/Bachbett, auf der aber ein kleiner Pfad verläuft, der bequem ans Ufer führt. Dort breitet sich die Linder etwas breiter auf und eine Überquerung war völlig unproblematisch. Hat man die Linder, die dort vollständig in Deutschland liegt, erst einmal überquert, kann man weglos im Flussbett/Bachbett, auf Deutschem Gebiet haltend, dann im ausgetrocknetem Bachbett des Neualmbaches bis zum Wanderweg gehen.

Als wir am Tag der Tour diesen Plan umsetzen wollten, hatte sich der Wasserstand der Linder durch die Regenfälle der letzten Tage deutlich erhöht, letztlich stellte das aber kein großes Problem dar, statt einem Bach mussten halt mehrere überquert werden. Ausgestattet mit einer Offline-Map (maps.me/de/home, open-source, kostenlos, auf Basis der Openstreetmap-Karten, sehr empfehlenwert!) die zusammen mit dem eingebauten GPS-Empfänger des Smartphones einem leidlich genau die aktuelle Position zeigt, tasteten wir uns an der Grenze entlang. Um keine Diskussionen über mögliche Grenzverletzungen führen zu müssen, habe ich alle Punkte die in der Nähe der Grenze lagen, aus der GPX-Datei entfernt, die Daten zeigen dann dort nur eine gerade Linie!

Nicht viel später erreichen wir den markierten Einstieg des Weges 241 zur Kreuzspitze und wandern auf dem sehr guten Weg in den Wald hinein. Es ist schon seltsam, während sonst bei allen Touren vor einem Grenzübertritt gewarnt wird und an quasi jedem Weg mit „Halt hier Staatsgrenze“ dies nochmals verdeutlicht wird, befindet sich hier keinerlei Hinweis. Nur ganz oben findet sich ein missverständlicher Hinweis: „Landesgrenze Ammerwaldstraße“.

Der Weg verläuft zunächst flach, dann mäßig ansteigend fast an das Tal des Hochgries. Dort beginnt der Anstieg in vielen Kehren hinauf zum Hochgrieskar. Die Wegesteigung selbst ist durch die Anlage nicht steil und sehr gut zu gehen. Ein Molch wird von uns gesichtet, er bewegt sich langsam, es ist einfach zu kalt. Die Wolken stehen immer noch ziemlich tief, doch steigt deren Untergrenze in gleichem Tempo wie wir, so dass wir nicht im Nebel gehen müssen. Nach etwa 1,5 Stunden erreichen wir das Hochgrieskar. Bei der Trinkpause entdecken wir die Tiere. Aus Gewichtsgründen haben wir weder das Fernglas noch das Teleobjektiv mitgenommen, jetzt ärgern wir uns, denn es wäre so schön gewesen die Tiere nicht nur zu erahnen, sondern in Aktion zu sehen. Lediglich die kleine Videokamera verfügt über einen guten optischen Zoom, doch ohne Stativ ist es ein so große Wackelei, so dass wir uns nicht einig sind was wir den da sehen. Erst die Bildanalyse zuhause zeigt, es sind Gämsen, mit Jungtieren dabei. Offensichtlich wissen sie genau wohin wir wollen und lassen sich von uns nicht aus der Ruhe bringen.

Auch hier, in der Kompasskarte ist der Weg ab jetzt gepunktet, ist noch gut gehen. Außerdem teilt sich die Wegeführung und umgeht rechterhand einen kleinen Gipfel. So tauscht man einen Aufstieg in einem unangenehmen Schutthang mit einem etwas ausgesetzem Pfad am Steilabbruch. Erstmalig begegnen wir Menschen, einzelne Wanderer und zwei jüngere Damen steigen ab, gesprächig ist aber niemand. Hat man den kleinen Gipfel umrundet geht es nochmals deutlich aufwärts Richtung Schwarzenköpfl, wo man sich dann oberhalb des Hochgrieskars wiederfindet. Jetzt geht es erst mal wieder eben durch Latschen dem Schlussanstieg entgegen. Hin und wieder kann man tief in das Hochgrieskar hinabsehen. Leider ist unser Blick doch wieder auf die Wolken gerichtet. Diese haben ihren Aufstieg eingestellt und bleiben wo sie sind, nämlich bei 2000m. Selten reißt es kurz auf und zeigt uns das Gipfelkreuz.

Dann bei etwa 2000m wird es doch ziemlich knackig. Die Passagen in denen man gehen kann werden dramatisch weniger, ein paar rote Tupfer zeigen nur noch wo es langgeht, aber nicht mehr wie. Seit unserem Aufbruch sind jetzt etwas mehr als 3 Stunden vergangen und knapp 1000 Höhenmeter sind bewältigt. Ich bin doch schon ziemlich platt. Würde ich das Gipfelkreuz nicht sehen (bzw. gesehen haben) und nicht wissen, dass es nur noch knapp 200 Hm bis dorthin sind, müsste ich erst einmal pausieren, so aber treibt es uns vorwärts. Hier muss jetzt häufig die Hand an den Fels und zwar deutlich mehr als nur zum Ausbalancieren nötig ist, will heißen ich klettere. Da es aber nicht ausgesetzt ist und die Passagen nicht besonders lang sind, habe ich kein Problem, mein Gastsohn auch nicht. Mit etwas mehr Puste liegt er in Führung.

Den Abzweig auf den Gipfel hatte ich in einem Sattel erwartet, aber das stimmt natürlich nicht, wie der Blick auf die Karte zeigt. Einigermaßen überrascht zeigen sich die Wegweiser im Nebel. Endlich wieder eine Trinkpause. Jetzt ist es wirklich nicht mehr weit, der Schlussspurt beginnt.

Und dann ist es geschafft, der Gipfel ist unser. Nach 3h35m stehen wir völlig alleine am Gipfelkreuz – im Nebel. Die Sichtweite beträgt nur wenige dutzend Meter, manchmal taucht ein Vorgipfel auf der anderen Seite aus dem Nebel auf, manchmal gibt es etwas Tiefblick. Ich hänge mein völlig durchgeschwitztes Hemd in den Wind und ziehe einen Pullover an. Wir machen erstmal richtig Pause. Etwa eine Dreiviertelstunde machen wir uns Hoffnung auf etwas klaren Himmel, aber außer vereinzelten Wolkenlücken kommt nichts dabei raus. Kein Eibsee, keine Zugspitze, erst recht keine Wildspitze im Alpenhauptkamm, etwas enttäuscht bin ich schon. Aufgewogen wird dies durch die Nahsicht, z.B. auf die eigene Kondition (die 1100 Hm waren wesentlich einfacher als die zum *Les Monges (2115m) im letzten Jahr) oder auf die Alpenkrähen die auf die Reste warten, oder die kleinen Blumen, die auch hier oben noch überleben.

Dann machen wir uns an den Abstieg. Zuvor haben wir den „Abholservice“ in Form meiner Frau kontaktiert, denn fast auf dem gesamten Weg gibt es keinen Mobilfunkempfang für Blau-Nutzer. Nur oben auf dem Gipfel und unten an der Grenze (Roaming nach Österreich). Telekom- und Vodafonekunden sind besser dran, die Basisstation vom Schloss Linderhof deckt doch weite Teile der Tour ab. Zum Glück ist es weder kalt noch regnet es, so dass sich die Kletterei nach unten als kein größeres Problem darstellt.

Beim Abstieg durch das Hochgrieskar benutzt mein Pflegesohn eine Rinne um abzufahren, während ich den Weg nehme den ich beim Aufstieg verschmäht habe. Unten flitzen noch zwei Gämsen in kurzer Distanz an uns vorbei, zu schnell für ein Foto. Auch die vielen Serpentinen sind bald erledigt, ebenso wie der flache Teil des Zustiegs.

Und so erreichen wir nach 2h20m das Bachbett des Neualmbaches. Kaum zu glauben aber uns kommt ein sehr sportlich aussehender Bergsteiger entgegen, der jetzt abends um halb sieben den Aufstieg zur Kreuzspitze angehen will. Er interpretierte die Wetterberichte so wie ich, es sollte aufklaren, nur halt später. Der Weg entlang der Grenze wird GPS-genau erledigt und auch die Überquerung der Linder gelingt ohne nasse Füße. So erreichen wir nach 2h30m unseren Ausgangspunkt und müssen noch ein paar Minuten auf unser „Taxi“ zum Campingplatz warten.

Fazit: Tolle Tour, auch ohne Grenzübertritt zu machen, unbedingt bei klarer Sicht wiederholen!


Tourengänger: Ekkehard


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Kommentare (4)


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sven86 hat gesagt:
Gesendet am 24. Juli 2017 um 19:22
Eine nette Tour, die natürlich bessere Sicht verdient hätte - schade!

Eine kleine Anmerkung nur: Die Hochtourenskala wird in Deutschland und Österreich - so jedenfalls auch gängige Hikr-Praxis - nur für reine Hochtourenelemente verwendet, also Gletscher, Eisfelder und Firn.

Gruss, Sven

Ekkehard hat gesagt: RE: Hochtouren
Gesendet am 24. Juli 2017 um 19:41
Danke für den Hinweis, ich habe die Markierung entfernt.
Gruß Ekkehard

scan hat gesagt:
Gesendet am 25. Juli 2017 um 14:44
Servus, nette Tour. Aber hilfe, die Grenzen sind manchmal im Gebirge fließend. Ich glaube jedenfalls nicht, daß mitten im Busch ein österreichischer Grenzer gestanden wäre. Die bekommt man eigentlich nur zwischen Ehrwald und des Grenzort Gries zu sehen, wo sie dann mit einer Raderpistole in der Hand aber eher Kontrollen anderer Art durchführen...

Trotzdem, ich kann deine Vorsicht verstehen. Deine Nebelbilder haben übrigens auch was.

Ekkehard hat gesagt: RE:Grenze
Gesendet am 25. Juli 2017 um 16:08
Vor Jahrzehnten begegneten mir die Grenzer am Wilden Pfaff in fast 3500m Höhe. Grenzübertritte waren vor dem Schengenabkommen nur an "richtigen" Grenzübergängen erlaubt. Deshalb waren früher auch manche Aufstiege (s.a. Hochvogel, Mädelegabel) von einer Masse an Schildern reglementiert. Dank Schengen kann mann jede Grenze überqueren wann und wo man möchte und mitnehmen soviel man tragen kann. Aber natürlich nur, wenn man ein Schengenvisum besitzt oder Einwohner der Schengenzone ist. Für alle Anderen heißt es eben aufpassen, die ehemaligen Grenzschilder stehen vermutlich im Museum.
Der Sinn des Berichtes (neben den Nebelbildern, danke) besteht eben genau auch darin, auf die Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten hinzuweisen.
Gruß Ekkehard


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