Caprese, Carpaccio und Cappuccino


Publiziert von lorenzo , 9. Juli 2017 um 11:53.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum: 8 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-FR   CH-VD   Gastlosenkette 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1295 m
Abstieg: 1295 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Praz Jean oder mit dem Auto bis Haut du Mont
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:LK 1245 Château-d'Oex; M. Brandt, Guide des Préalpes Fribourgeoises, CAS 1991

Der Capucin, der "Gros gendarme à l'E de la Dent de Ruth", war bereits am 21.8.1906 von Albert Boschung, Edouard Buchs und Raymond de Girard mit Hilfe einer Leiter bestiegen worden. Auch Daniel Chervet, C. Grunder und E. Krall benutzten bei ihrer Begehung der S-Wand (links am Überhang vorbei) am 17.7. 1926 eine 8m lange Stange. Dazwischen hatte August Bornet schon vor 1920 den erwähnten und unten beschriebenen Überhang mit im Riss verkeilten Fäusten überwunden. 1991 beschreibt M. Brandt in der Chervetroute einen Haken, eine A0-Stelle und einen Abseilring. Seither wurden mehrere Bohrhaken gesetzt (siehe unten), zudem finden sich rechts dieser Route in einer Variante auch noch mehrere ältere Haken.

Etwa ein halbes Dutzend Male war ich von Nordosten oder Südwesten her schon am Capucin vorbeigekommen, hatte bisher jedoch angesichts der Routenbeschreibung und der abweisenden Einstiegsplatte und -verschneidung sowie mangels geeigneter Ausrüstung bisher keinen Besteigungsversuch gewagt. Aber was nicht ist, kann ja bekanntlich noch werden, und so stellte ich mir für den gestrigen Hitzetag mit Temperaturen über 30 Grad, hoher Luftfeuchtigkeit und Saharastaub in der Luft ein leichtes und bekömmliches Menu aus zwei erfrischenden, mit Bergthymian und allerlei köstlichen Alpenkräutern gewürzten Antipasti und einem aromatischen Dolce arabica zusammen.

Während die beiden Antipasti wie frische Alpenbutter auf der Zunge zergingen, war unter dem zuckersüssen und luftigen Schaum des Cappuccinos der Kaffee so heiss, schwarz und stark, dass ich ihn nur in kleinen Schlucken schlürfen konnte: so musste ich in der Einstiegsplatte mehrere Zwischensicherungen legen und dabei sogar einen Haken schlagen (siehe unten). Als ich links vom Überhang weiter der Originalroute über eine Platte entlang der Verschneidung folgen wollte, löste sich beim Entfernen von Felsbröseln der einzige Griff plötzlich von der Platte und verabschiedete sich krachend in die Tiefe. Unvermeidlicher Schwefelgeruch stieg herauf: war ich da etwa einem Teufelshütchen statt einer Mönchskappe aufgesessen? So blieb neben einem kleineren Schrecken nur noch die athletische Variante über den Überhang, für die ich allerdings weitere Zwischensicherungen legen und ein paar A0-Züge machen musste. Der weitere Weg zum Gipfel war dann wieder leicht, ebenso das Abklettern zur Abseilstelle.

Nach dem unerwartet problemlosen Abstieg durch die "crevasse" und das östliche N-Couloir (das leichter aussieht als das westliche) verkürzten zum Glück Brunnen mit erfrischendem Quellwasser auf Fregima Derrey und Le Lapé die Durststrecke zurück zum Pass zwischen Petit und Gros Mont, und trotz Donnergrollen über dem Vanil Noir reichte es noch vor den ersten Regentropfen für ein abkühlendes Bad im Riau du Gros Mont.


Zustieg zur Porte de Savigny
Von Haut du Mont (1365m) auf dem weiss-rot markierten Bergweg (wr) über La Féguelena (1420m), Le Revers (1511m) und Le Pralet (1807m) zum Sattel 1846. Richtung SSE auf einem Pfad über einen Grasrücken, eine felsige Stufe (Stellen I) und ein Grasband zur Porte de Savigny (2017m), 1h 30min, T4.

Dent de Savigny SW-NE-Traversierung (Caprese)
Von der Porte de Savigny durch die SE-Flanke auf einem Pfad zu einem felsigen Couloir, durch dieses hinauf (Stellen I) auf den SW-Grat und über diesen auf den Gipfel, 30min, T4. Abstieg über den zuerst felsigen, dann grasigen NE-Grat zu einem 1. Abschwung, über den an Bh-Ständen 2x25m auf einen flachen Gratabschnitt abgeseilt werden kann. Auf diesem zu einem 2. Abschwung und über steile Schrofen hinunter, bis nochmals an Bh Ständen 2x25m vor den Sattel ca. 2060m zwischen Dent de Savigny und Ruth abgeseilt werden kann, 30min, WS.

Dent de Ruth SW-E-Traversierung (Carpaccio)
Vom Sattel ca. 2060m über den SW-Grat ("Le Canapé de Ruth") auf Gras und Felsen (Stellen I-II, Bh) unter die N-Wand und durch diese in einem felsigen Couloir (I-II, Bh) hinauf zwischen beide Gipfel. Nach rechts Abstecher über gut gestufte Felsen (I) auf den W-Gipfel und zurück. Nach links über eine Stufe (II) in die Scharte zwischen beiden Gipfeln, nach N über eine weitere Stufe (II) auf ein Band und auf diesem nach N und E auf den E- oder Hauptgipfel (2236m), 45min, T5. Abstieg: nach E hinab in eine Scharte und wieder hinauf auf den östlichen Vorgipfel. Auf dem felsigen E-Grat (3 abzukletternde Stufen II-III, z.T. alte Schlingen, Hk u. Bh) hinunter an den Fuss des Capucin ca. 2095m (Depot), 45min, WS.

Capucin S-Wand (Cappuccino)
Durch die rötlichen Felsen der "couches rouges" nach E und N zum Einstieg am westlichen Rand unter einer 1. Platte (2 Stand-Bh). Über die Platte (IV, ev. 1 kleiner Kk und 1 Schlinge an Zacken, 1 neu geschlagener Hk) ca. 10m gerade hinauf in eine Verschneidung (2 Bh, ev. A0) und nach links über einen Überhang (V, ev. 1 mittlerer Friend und A0) auf eine 2. Platte mit einem breiten Riss (ev. 1. Schlinge an Zacken und ein mittlerer Friend). Über die Platte durch Risse ca. 10m hinauf (III,  1 Bh), dann entlang der westlichen Kante über gute gestufte, aber z.T. brüchige Felsen (II) nochmals ca. 30m zum Gipfel, 30min -1h, S. Abstieg: entlang der Kante und der obersten Platte ca. 35m hinunter zu einem einzementierten Abseilring (abgebogen) abklettern (II) und 15m zum Wandfuss abseilen, 15-30min.

Abstieg über Petit Mont
Vom Wandfuss auf Geröll durch die breite und tiefe Felsspalte ("crevasse") südlich um den Capucin nach E. Auf Geröll und Schrofen nach N zum breiten, östlich vom Capucin hinunterziehenden N-Couloir. Nach links ausgesetzt an seinen westlichen Rand und über steile Schrofen hinunter (Stufen I-II) zum Kar bei ca. 1880m, T5. Weiter nach N über Geröll bis ca. 1700m, auf Weide nach Fregima Derrey (1603m) und wr über Fregima à Tena (1543m), Le Lapé (1574m), La Grueyre (1724m, Pass zwischen Petit und Gros Mont) und La Féguelena (1420m) zurück, 2h, T2.

Material: übliche Kletterausrüstung mit 50m Einfachseil, 5 Express, 4 Schlingen, Kk-Set und 3 mittleren Friends.

Fahrplan: 8.30 Start, 10.30 Savigny, 11.45 Ruth, 13.45 Capucin, 16.30 retour.

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

jfk hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2017 um 13:29
Wieder einmal eine absolut geniale Tour von dir, Gratulation!

Die Fribourger-Alpen kenne ich bis jetzt leider noch nicht so gut aber deine Berichte machen definitiv Lust auf mehr...

Gruess Jonas

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2017 um 22:30
Hallo Jonas

Danke, es hat wirklich Spass gemacht und würde Dir sicher auch gefallen!

Die Gantrischgruppe, die auch schon halb zu den Préalpes gehören, kennst Du ja bereits fast auswendig, und von dort bis in den noch etwas wilderen Südwesten ist es nicht mehr weit...hoffentlich findest Du mal eine Gelegenheit für einen Besuch.

Beste Grüsse

lorenzo



Senseland hat gesagt:
Gesendet am 10. Juli 2017 um 08:41
Sehr schöne Tour und wirklich ansprechender Bericht. Vielen Dank dafür!

Eine Frage: War das ein Alleingang? Falls ja, hast Du schwierige Kletterstellen mit solo vorsteigen, abseilen und am Seil wieder hochklettern gemacht oder wozu die Expressen?

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2017 um 15:58
Hallo Senseland

Dir auch vielen Dank für Deine Rückmeldung!

Ja, ich war alleine unterwegs. Die Express brauchte ich für die vorhandenen und selbst gelegten Zwischensicherungen in der unteren Hälfte. Da 50m Seil gerade bis zum Gipfel reichten, musste ich im Aufstieg nicht abseilen und wieder hochklettern.

Gute Touren und Grüsse

lorenzo

Senseland hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2017 um 20:22
Hallo Lorenzo

Respekt, sehr beeindruckende Leistung. Ich hoffe, dass ich auch eines Tages auf diesem Niveau in die Berge gehen kann.

Kannst Du noch etwas zur Seiltechnik für den selbstgesicherten Aufstieg sagen? Seilende am Stand einbinden und dann im Vorstieg nach oben, währenddem Du Sicherungsmaterial legst, oder wie? Und wie gibst Du Dir dann Seil bzw. wie bindest Du Dich ein?

Gruss Martin

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2017 um 20:39
Hallo Martin

ja, genau wie Du es beschreibst: Seilende am Stand fixieren, dann mit Prusikschlinge, die am Klettergurt befestigt ist und laufend mit etwas Vorrat hochgeschoben wird, hinauf klettern und bei Gelegenheit bzw. Bedarf Zwischensicherungen legen.

Bei Mehrseillängenrouten dann Seil oben fixieren, abseilen, Seil unten lösen und beim Hochklettern mit Steigklemme (z.B. Petzl) Zwischensicherungen wieder einsammeln.

Achtung: diese Sicherungmethode funktioniert zwar gut, ist aber nicht offiziell anerkannt. Ich würde sie zudem vorher im Klettergarten üben und nur bei genügend Reserve unter der Sturzgrenze anwenden.

Grüsse

lorenzo

Senseland hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2017 um 21:08
Hallo Lorenzo

Danke für die Erläuterungen. Klar, dabei sollte man lieber nicht an der Sturzgrenze klettern.

Dir auch gute Touren!

Gruss Martin


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