Piz Popena 3152 m Normalweg


Publiziert von bergteufel , 21. März 2017 um 14:29.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:16 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Kartennummer:Tabacco Karte Nr. 03, Cortina d`Ampezzo

Griaß di Bergsteigerin, Servus Bergsteiger!

Der Piz Popena 3152 m.

Ein eleganter, prächtiger Berg. Wer die Dolomiten liebt, der kommt an ihm nicht vorbei. Wer ihn besteigt, der ist einer von wenigen. Wer heil wieder runterkommt, der hat ein Bergerlebnis vom Feinsten erlebt.
Gleichwohl ist das Ganze eine schneidige Unternehmung, "a bisserl cool" mußt schon sein.
Wenn man die Zinnen nebenan betrachtet, die einem wegen der starken Frequentierung richtig leid tun können, findet man hier seine absolute Einsamkeit. Sieht man es positiv, so wirkt der Magnet Zinne für die anderen tollen Berge der Region richtig reinigend.

Nimmt man die sehr bescheidenen Besteigungsspuren durch die Ostwand als Anhaltspunkt, so stellt sich einem die Frage: warum führt so ein deutlicher Trampelpfad bis in das Zustiegsgeröllfeld hinein? Die Antwort haben mein Kollege und ich erleben dürfen. Da schleppst du dich ab in kompletter Ausrüstung, kommen drei Italiener in kurzer Hose mit Wanderrucksack daher und sind schwuppdiwupp an dir vorbei. Kurz darauf stellte sich heraus, daß sie sich verstiegen hatten und zum Cristallino di Misurina wollten. Soviel zum "Mainstream-Prinzip", siehe meinen Hohe Gaisl Bericht. Dieses Prinzip greift auch auf dieser Tour nicht.

Die Wegfindung ist, im Vergleich zu manch` anderem Dolomiten-"Kandidaten", am Piz Popena relativ einfach. Problematischer, und darüber muß man schreiben, sind die Bedingungen. Nach Rückfrage mit meinem Archiv, 2 Bergsteigersenioren nahe dem 90ten, soll die ideale Zeit der Besteigung der Frühsommer sein. Danke, ich habe mich einigermaßen daran gehalten, perfekt. 2/3 des Weges führen durch die Ostflanke des Piz Popenas, angeblich gilt es zwei lange Rinnen hochzupickeln. Hier sollte ausreichend Altschnee liegen. Die untere Rinne war für uns gut pickelbar, 40 Grad +, g`schmeidig oder besser: der "Hallo Wach" der Tour. Die obere Rinne ist bereits zu dieser Jahreszeit nicht mehr machbar, weil es einfach nicht mehr genug Schnee hat, deshalb gibt es eine Alternative.
Die untere Rinne wird von Lawinenschnee gespeist. Bei unserem Anstieg riß sie schon einige Mäuler. Was passiert, wenn sie zunehmend aper wird, kann ich euch nicht sagen. Ist sie steigbar, wie schwer ist sie? Wäre schön, wenn ein Hikrleser hier im Anhang sein Wissen weitergibt. Eine Umgehung habe ich keine gefunden, deshalb gehe ich davon aus, daß sie im aperen Zustand gemacht wird. Dann wäre die Frühsommerkarte vom Tisch.

Zustieg: Ziel ist die verfallene Popenahütte. Entweder Steig Nr. 222 von der Passstrasse (Passo Tre Croci) direkt dorthin. Die Nr. 222 kann man auch von dem anderen Wegende bei der Strasse Schluderbach / Misurina durch das Val Popena nehmen. Oder, so wie wir es gemacht haben, vom Misurinasee (mittig auf der Westseite) Steig Nr. 224 ansteigen, bis man den Bergkamm Pale di Misurina erreicht. Auf dessen Westseite hält man sich knapp unter dem Bergfuß (nicht mehr Nr. 224) und quert westwärts auf Pfad zur Grasfläche unter der zerstörten Popenahütte (die Hütte selbst bleibt links liegen). Der Vereinigungspunkt Steig Nr. 222 / 224 ist zu tief, denn da geht es zum Cristallino di Misurina. Am Kamm mit freiem Blick auf die Popenakette bitte kurz schauen: Rechts vom Piz Popena steht ein Felsdreieck von dessen Spitze ein Stein zu fallen droht, die Scharte davor geht es hoch oder anders, die zwischen Piz Popena und Punta Michele. Bis zur Hälfte des Geröllfeldes gibt es deutliche Begehungsspuren. Rechts der Hüttenruine stehen die Campanili di Popena, allerdings sehen die schon ab dem ersten Band wie Winzlinge aus. Auch für die Felspilze rechts der Scharte sollte man ein Auge haben. Die haben sie hier doch glatt der Mitterkarlspitze nachgekupfert.

Route: Das Geröllfeld hoch bis zum Ende der Scharte, ganz kurz rechts und dann in enger Schleife links über Fels (I, verblasster roter Pfeil) auf das breite, untere Schotterband (3-3,5 Std. vom Misurinasee bis hierher). Diesem südwärts folgen bis zu einer steilen Rinne, die rechts (westwärts) wegzieht. Die Rinne (40 Grad+) hochpickeln bis zur Begrenzung durch die Felswand. Hier links auf das mittlere Band. Diesem 20 Minuten südwärts folgen (ansteigend), bis einzelne, zu einer Linie aneinander gereihte Felsen den Stopp markieren. Blick nach oben: Linkerhand zieht die obere, sehr steile, mit senkrechten Felspassagen bestückte Rinne direkt zum Südgrat. Diese ist ohne Schnee nicht mehr machbar (auch mit Schnee ist sie bestimmt sehr respektabel). Für uns geht es einfacher weiter. Rechterhand der Rinne steigt man über Schrofengelände (I-II), sehr steinschlaggefährdet, nach oben (westwärts) bis zur nächsten begrenzenden Felsmauer (im Aufstiegssinn spürbar rechts wegziehend von der Rinne). Hier setzt das schmale obere Band an, welches nach links (südlich) zum Südgrat führt. Dorthin. Rechts vom Südgrat leitet ein meist feuchter Riss nach oben. Diesen hoch (III) zu Schottergelände (rechts an der Wand Abseil-/ Schlaghaken). Weiter geht es links haltend. Orientieren: man blickt Richtung Südgrat, erkennt hoffentlich den Felsdorn und die nach oben hin schmale Scharte, welche rechts davon hochzieht (siehe Bild Nr. 22). Dahin (II, Stelle III). Ziel ist es den Grat zu erreichen. Oben an der Scharte hat es eine Abseilstelle. Nun am Grat (Stellen bis III, ausgesetzt) zum Gipfel (2-2,5 Std. ab unterem Band).
Danach alles wieder runter. Abklettern bis II+ ist obligatorisch. Abgeseilt kann am Grat, in die Scharte und am feuchten Riss werden. 

Am Gipfel hat es einen Steinmann, aber kein Gipfelbuch. Noch hat er kein Kreuz aus der Südtiroler Alumassenproduktion abbekommen, hoffentlich bleibt das so. Danke.

Lohn: ein prächtiger Rundumblick, dem nur der Monte Cristallo nebenan die Tofane klaut. Wie klein doch die Zinnen wirken. Wie majestätisch die Hohe Gaisl nebenan auf du und du thront. Nicht zu vergessen der Zwölfer, die Cadinspitzen, die Marmarole Gruppe, Sorapiss, Antelao, Monte Pelmo, Marmolada.... alle sind sie da, auf Augenhöhe. Und das Gefühl auf einem der erhabensten Gipfel der Dolomiten zu verweilen. 
Der Normalweg auf den Piz Popena erreicht den SG III nur stellenweise, ist trotzdem anspruchsvoll. Wohl dem, der eine Beschreibung hat. Nur an den Schlüsselpunkten hat es Steinmänner (wenn überhaupt, dann sehr klein). Es gibt einen Schlaghaken, für Sicherung ist selbst zu sorgen. Rote Markierungen, Fehlanzeige. Die Route ist selten begangen und nicht ausgeputzt. Schwierigster Orientierungspunkt ist der Felsdorn am Südgrat. Ich hatte heute das Gefühl 1/3 der Route suchen zu müssen, soll heißen, die Bergsteigernase braucht`s. Im Vergleich zur fast schon sterilen Großen Zinne nebenan, hat dieser Berg alle Gefahren, die einer in seiner Kategorie haben muß. Und das Feinste: Heute waren wir mal wieder zu dritt - der Harald, ich und der Berg!

Ausrüstung an diesem Tag: Pickel, Steigeisen, 40m Seil, 2 Friends + Expressen, Schlingen.

Überreste aus dem Weltkrieg, wie auf der Westflanke des Cristallomassivs, gibt es bei dieser Tour keine.

Allgemein: "Wie reihst du diesen Berg ein?" Es ist ein typischer Normalweg auf einen großen Dolomitenberg, nur wenig begangen. Antelao, Tofane, Monte Pelmo, Sorapiss, Monte Cristallo... sind deutlich leichter. Dreischusterspitze, Große Zinne, Pflerscher Tribulaun, Cima bel Pra ... da passt er dazu. Langkofel, Hohe Gaisl... stufe ich schwieriger ein. Das ist nur meine Meinung, viel hängt an den Bedingungen und der persönlichen Verfassung, wie man die Tour an diesem Tag erlebt und was man drauf hat.

Noch kurz zum direkten Nachbarn, dem Monte Cristallo. Ich habe ihn dreimal bestiegen, die ideale Zeit für ihn ist später im Jahr. Man vernahm permanenten Steinschlag und wie auf Bild Nr. 35 zu sehen, lag noch viel Schnee in den Rinnen, auf den Bändern..... jaja, raubt ihm doch der Piz Popena die Morgensonne für seine Ostflanke. Bitte ihn nicht unterschätzen, auch er ist ein großer Dolomitenberg.

Bin mir sicher, durch diesen Bericht wird es so manche Bergsteigerin, so manchen Bergsteiger, etwas mehr jucken, dem Paradeberg "Piz Popena" einen Besuch abzustatten. Nur Mut..... oder vielleicht doch mal einen der freundlichen Südtiroler Bergführer um Hilfe fragen.

Mit auf Tour, der Harald. Ein klasse Bergsteiger, topfit. Man findet nicht viele wie ihn, die sowas Verrücktes mitmachen. Danke, daß wir Beide 2016 so tolle Touren erleben durften, freue mich auf 2017.

Fazit: Traumtour in den Dolomiten.

Habe die Ehre. Berg Heil.
Der Bergteufel


Tourengänger: bergteufel


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

ZS III
T6 ZS III
T3
19 Jul 23
Monte Piana 2324m · Wimpy
VII
 
Große Zinne - Comici · Stefan_F
WS
18 Sep 15
Rund um den Monte Cristallo · أجنبي
T4 K1
T4+
19 Sep 15
Sentiero Bonacossa - Südteil · أجنبي

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Hannes1997 hat gesagt: Piz Popena Update 12.07.2021
Gesendet am 12. Juli 2021 um 20:59
Hallo zusammen, ich war heute auf dem Piz Popena.
Selbstverständlich ist eine gute Vorbereitung notwendig, es gilt aber folgendes zu wissen:

Die untere Eisrinne befindet sich im Top Zustand, man konnte dank des schneereichen Winters und der frühen Jahreszeit direkt auf das mittlere Band steigen.

Die Eisrinne zwischen mittleren und oberen Band ist nicht mehr zugänglich. Es gilt so zu gehen wie in dieser Beschreibung (die Beschreibung vom Buch 3000er der Dolomiten, wo man über den Grund der Rinne aufsteigen sollte, ist veraltet!) Es befinden sich zwei Abseilschlingen im oberen Bereich, die man selbstverständlich schon beim Aufstieg finden sollte.

Ab dem oberen Band befinden sich auch Abseilschlingen im 25m-30m Abstand, dies erleichtert das Abklettern von 6 Seillängen. Wie schon vorher sollte man die Abseilpunkte beim Aufstieg finden.

Eine geniale, einsame und abwechslungsreiche 3000er Alpintour. Man findet eine sehr steile Schotterrinne vor, sowie eine 40-45 Grad steile Eisrinne, tolles 1-2 Gelände im soliden Fels (zwischen mittleren und oberen Band) sowie interessantes 2-2+ Gelände im Oberen Bereich ab dem oberen Band, aber dort gibt es nicht nur die eine Möglichkeit hoch zu kommen, sondern man kommt flexibel linkshaltens ab der Hälfte hoch. Wir haben im gemütlichen Schritt 2,5h bis zum unteren Band gebraucht und knappe weitere 2,5h bis zum Gipfel.
UND, es befindet sich ein kleines, knapp 70cm hohes Alukreuz am Gipfel.
Viel Spaß..:-)

bergteufel hat gesagt: RE:Piz Popena Update 12.07.2021
Gesendet am 19. Juli 2021 um 20:20
Servus Hannes,
super, daß dir die Popenatour so viel Spaß bereitet hat und danke dir fürs Update. Würde mir wünschen, daß ich öfters mal so einen tollen aktuellen Kommentar zu meinen Berichten bekomme.
Interssant, daß es jetzt ein kleines Gipfelkreuz hat. Abseilstellen hatten wir nur 3 Stück im oberen Bereich. Goedekes III- oder jetzt II+, das spielt keine Rolle für Popenabesteiger. Eigentlich sind wir ohne Seil zum Gipfel gekraxelt.
Der Normalweg im Sommer geht wohl über den linken Rand der unteren Rinne (SG II ohne Gewähr).
Die deutsche Literatur über diese Berge, das ist bis heute ein Problem. Neuester Stand ist:
Die 3000er der Dolomiten, Roberto Ciri, Idea Montagna Verlag, ISBN 978-88-85468-39-9. Vorsicht, die Übersetzung ist manchmal ortsfremd.
Dir alles Gute, Grüße
Rudi
Für mich ist der Popena eine der Krönchentouren der Dolos.


Kommentar hinzufügen»