Über elf 3000er vom Vals ins Misox (1/2)


Publiziert von Delta Pro , 3. August 2016 um 07:20.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Valsertal
Tour Datum:29 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Gruppo Zapporthorn   Gruppo Cima Rossa   Gruppo Rheinwaldhorn 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 2660 m
Abstieg: 2100 m

Eine lange Bergtour in einsamen Tälern und über abweisende Grate

Es sind schon einige Jahre vergangen seit ich die langen Grate, gespickt mit Dutzenden 3000ern im hintersten Valsertal und dem Hinterrhein für eine Biwaktour ins Auge gefasst hatte. Eine Traumtour über einsamste, lange Gebirgskämme, teils mit Gipfeln, die wohl kaum je besucht werden. Im Sommer 2014 hatte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, im Sommer 2015 ein gebrochener Fuss. Nun war die Zeit endlich da, um nach Zevreila, dem Startpunkt meiner langen Tour zu reisen. Eine gewisse Aufregung schwang mit, da ich seit bald zwei Jahren keine ähnlichen Unternehmungen mehr angepackt hatte und ich nicht wusste, ob das Sprunggelenk die Belastung durchstehen würde. Ausserdem lagen mir zu den Schlüsselstellen der geplanten Tour zwischen Lorenzhorn und Güferhorn ausser den Führer-Beschreibungen (von denen man nie genau weiss, inwiefern ihnen zu trauen ist) keine Angaben zur Route vor.

Leider hat an diesem ersten Tag nicht alles so gepasst, wie ich es mir gewünscht hätte. Die Überschreitung des Rösthorns zum Schwarzhorn, zwei extrem abweisende und einsame Gipfel, war mir zwei Stufen zu wild. Der Zeitverlust und das etwas unsichere Wetter standen dann auch der angedachten abschliessenden Überschreitung des Güferhorns (Ost-West) im Weg. Trotzdem konnte ich an diesem ersten Tag meiner Tour, welche mich tags darauf über die vielen Gipfel um die Quelle des Hinterrheins nach San Bernardino führen sollte, viele sehr schöne Berge besteigen und durch unberührte Landschaften wandeln. Ohne einen Menschen zu treffen, in eindrücklicher Bergwelt. Das ist Freiheit!

In Zervreila lasse ich die anderen Wanderer, welche dem Bus entsteigen, bald hinter mir und wandere bei schon warmen Temperaturen zügig gegen den Guraletschsee hoch, welchen ich bei absoluter Windstille erreiche. Wunderschön, wie sich die Gipfel darin spiegeln! Auf dem markierten, aber nicht immer deutlichen Pfad geht es nun weiter zum Fanellgrätli und schliessich durch die Ostflanke aufs Fanellhorn (blau-weiss markiert, T3). Vom ersten 3000er öffnet sich der Blick auf die Grate, die vor mir liegen, sowie die hohen Wolken, die sich über ihnen türmen.

Mit viel Vorfreude starte ich zur Überschreitung. Über den Südgrat hinunter zur Fanelllücke. Dieser weist einige steilere Stufen auf, welche normalerweise westseitig in Schutt umgangen werden (T4-T5). Anschliessend einfach über den Blockgrat zum Rotgrätli, einem schönen 3000er über dem noch erstaunlich grossen Fanellgletscher. Der Abstieg von seinem nicht kotierten Südgipfel bereitet mir etwas Kopfzerbrechen und ist weniger geschenkt, als ich gedacht hätte. Das Verfolgen der Kante ist nicht möglich und man steigt durch steile Schrofen ziemlich genau nach Osten ab (je weiter links desto einfacher), bis man auf einem Geröllband ohne Höhenverlust zur Rotgrätlilücke queren kann. Von dort über Platten und Gletscherreste zum Lorenzhorn, wo mich der Nebel umhüllt. Über den Grat wird ohne grössere Probleme der Westgipfel erreicht, wo es spannend wird.

Als der Nebel sich kurz lichtet, sind die exponierten Grattürme und die zerborstenen Flanken erkennbar. Wo geht’s da nur durch? In der sehr schuttigen Nordflanke gäbe es Möglichkeiten. Da diese vom Gipfel aus nicht erreichbar ist folge ich der Kante und werde bald in die steile Südflanke abgedrängt (T6). Nach mehreren Versuchen einen Durchschlupf zu finden, muss ich aufgeben. Im Alleingang ohne Seil ist mir das zu wild. Ausserdem ist mir der Weiterweg, sowie der Abstieg vom Schwarzhorn schleierhaft. Etwas frustriert klettere ich wieder zum Lorenzhorn hinauf. Das nächste Mal mit Begleitung und in Gegenrichtung, damit man die steilen Stellen im Aufstieg hat! Betrachtet man diese wilden Gesellen ist es verständlich, dass sich kaum je ein Mensch hierhin verirrt… Anstelle der erträumten, direkten Linien über den Grat steht nun eine lange Umgehung an. Aus meiner Grattour wird eine Höhenwanderung. Zurück zur Rotgrätlilücke und durch ein eingeschneites Tal und schliesslich eine sehr mühsame, übersteilte Moräne auf den schuttbedeckten Lorenzhorngletscher. Von dort aufsteigend über einen kleinen Pass (bei Pt 2613) und weiter querend gegen den Canalsee. Der Abstieg zu diesem wird durch ein Felsband erschwert, das man auf einem Schafweg passieren kann (Einstieg schwierig zu finden).

Mit neu befüllten Getränkevorräten steige ich frohen Mutes hinauf gegen die Canallücke. Beim Blick nach oben bin ich je länger, desto erleichterter, die Überschreitung nicht versucht zu haben. Die Grate sind definitiv schwere Kost! Eine blau-weiss markierte Route führt zur Lücke. Wegspuren sind allerdings keine zu erkennen und der Aufstieg ist anstrengend. Rucksack-Depot und Abstecher zum einfach erreichbaren Höhberghorn. Im Gipfelbereich ist etwas Kraxelei nötig (T4). Ich steige über Schrofen hinab zur Höhberglücke (T5) um die Guggeri noch mitzunehmen, besteige allerdings (wie sich später herausstellt) den «falschen», höheren Gipfel (Pt 2947) und nicht die eigentliche Guggeri, eine Graterhebung ca. 300m östlich. Zurück in der Canallücke streiche ich den sehr langen Ostgrat des Güferhorns definitiv aus dem Programm. Zur fortgeschrittenen Stunde und mit den vielen Quellwolken ist mir diese Unternehmung zu heikel, auch nachdem ich am Rösthorn gesehen habe, wie WS-Grate (gemäss SAC-Führer) in dieser Region aussehen können. Als Trostpflaster wandere ich aufs aussichtsreiche Salahorn (T4).

Abstieg auf dem Bergweg von der Canallücke nach Süden. Auch hier ist die Route teils sehr steil (T4-T5) und es gibt nur sehr schwache Trittspuren. Ich folge direkt dem Clubhüttentäli zu Pt 2312 und wandere anschliessend im Abendlicht durch die wunderschöne Landschaft des Paradies-Gletscher Vorfeldes hinauf. Da ich am nächsten Morgen gegen Süden weiter will, entschliesse ich mich den tosenden Gletscherbach noch heute abend zu überqueren. Dies ist eine veritable Herausforderung, eine Flussquerung, die es durchaus mit meinen Erfahrungen in Alaska, Zentralasien und Island aufnehmen kann… Im Oberschenkel-tiefen Wasser und der starken Strömung schaffe ich es ans andere Ufer und schlage im letzten Grün am Fuss der Gemskanzel mein Nachlager auf – ein perfekter Biwakplatz. Was gibt es schöneres am Ende eines langen Wandertages?

 

Durchgangszeiten:
Zervreila: 9.40
Fanellhorn: 11.55
Lorenzhorn: 13.25
Canal-See (inkl. Versuch Röstihorn): 15.20
Salahorn (inkl. Höhberghorn): 17.20
Zapport (Biwak): 18.40

 


Tourengänger: Delta


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Kommentare (2)


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Becks hat gesagt: Hübsch
Gesendet am 4. August 2016 um 10:59
Die Route habe ich mir mal abgespeichert, das ist auf jeden Fall etwas aus meinem Beuteschema. Leider wird daraus dieses Jahr höchstwahrscheinlich nichts, was nicht an den fehlenden Urlaubstagen sondern an den abgerissenen Haxen liegt.

fuemm63 hat gesagt:
Gesendet am 4. August 2016 um 12:04
Wunderbare Tour in meinem "Herz-Gebiet"... danke für die schönen Bilder!

Gr Fümm


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