Auf dem L1 und dem Meraner Höhenweg von Garmisch-Partenkirchen nach Meran


Publiziert von muellerto , 25. Juli 2016 um 17:31.

Region: Welt » Transalp
Tour Datum: 3 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I   D   A   A-T 
Zeitbedarf: 15 Tage
Aufstieg: 14500 m
Abstieg: 14800 m
Strecke:204km

Auf dem L1 nach Meran? Nicht ganz. - Der L1 (Losse, 1989) führt eigentlich von Garmisch-Partenkirchen nach Brescia, in ungefähr 28 Etappen. Das ist lang, so viel Zeit wird kaum ein Berufstätiger freimachen können. Wir haben deshalb unseren Weg ein wenig abgeändert und in Meran enden lassen. In Meran hat man im Zentrum 325m -  man darf also durchaus behaupten, man habe die Alpen überquert.

Ein Anliegen des L1 ist es, ohne Verkehrs- und Hilfsmittel auszukommen, auch Seile oder Steigeisen sind nicht notwendig. Und er ist bei weitem seltener begangen als der bekannte E5, genau das Richtige für uns, die wir eher Individualisten sind.
 
Wir haben unsere Etappen selbst festgelegt. Dabei muß man sein persönliches Leistungsvermögen, sein individuelles Gepäck, das Gelände, ggf. besondere Sehenswürdigkeiten u.ä. berücksichtigen. Niemand zwingt einen ja, die exakten Originaletappen zu verwenden, auch wenn diese eine gute Orientierung darstellen. Im Nachhinein zeigt sich, dass Etappen von 20km durchaus machbar sind, auch im Hochgebirge und mehrmals hintereinander.

Wir vergeben ein T3+ für diese Tour. Ein, zwei Stellen sind klar T4, andere ganze Tage T2. Die Herausforderung liegt eher in der Länge. Die angegebenen Etappenlängen sind mit GPS gemessen, die Höhen barometrisch.
 
Tag 1: Garmisch-Partenkirchen -> Reintal -> Knorrhütte
 
Wir haben uns (in Abweichung vom originalen L1) dafür entschieden, die Knorrhütte durch das Reintal zu erreichen. Wir möchten einerseits eine Übernachtung (Kreuzeckhütte) sparen, andererseits die Partnachklamm sehen.
 
Wir haben eine Nacht in München geschlafen und sind mit dem ersten Zug nach Garmisch-Partenkirchen gefahren. Kurz nach 7 Uhr stehen wir dort auf dem Bahnhof. Nun suchen wir geschwinden Schrittes vorbei am Olympiagelände den Weg zur Partnachklamm, denn diese ist (laut Internet) ab 8 Uhr kostenpflichtig. Wir erreichen Punkt 7:45 den Eingang, müssen aber dennoch jeder die 4€ bezahlen. Wer gratis rein will, muß also noch früher da sein. Es wird allerdings der letzte Wegzoll für die nächsten zwei Wochen bleiben. Die Klamm hat sehr viel Wasser, es rauscht laut und man wird auch durchaus naß, aber es ist ein eindrücklicher Beginn unserer Tour, wir sind danach quasi "gewaschen". Das Wasser ist zudem recht grau, es zeigt sich hinter der Klamm, daß der Ferchenbach das graue Wasser bringt. Die Partnach hingegen ist blitzsauber und zeigt weiter oben sogar eine wunderschöne türkisblaue Farbe. Wer hätte einen solchen Fluß in Deutschland vermutet? Bald ist die Bockhütte erreicht. Bei der Reintalangerhütte machen wir Mittag. Der kurz darauf abzweigende Weg zum sog. Partnach-Ursprung lohnt sich, die Partnach schießt dort in einem Sprudeltopf einfach aus dem Felsen und ist sofort ein ordentlicher Fluß, das sieht man mit diesem Volumen nicht alle Tage.

Wenig später beginnt der Weg, signifikant zu steigen, es geht hinauf zur Knorrhütte (2051m), die aber noch lange nicht zu sehen ist. An einem heißen Nachmittag kann dieser Aufstieg in der prallen Sonne lang werden - aber warum schon am ersten Tag meckern? Auf der Knorrhütte wollen die meisten auf die Zugspitze (und dann mit der Bahn runter), wir sind wahrscheinlich an diesem Abend die einzigen, die Richtung Süden gehen.
 
Die Knorrhütte tut sich vor allem mit einer kreativen Preispolitik hervor. Jede noch so kleine Leistung hat ihren eigenen Preis, selbst das Wasser für den Tee am Morgen, Teebeutel hätten wir ja sicher dabei. Nein, haben wir nicht - in der Schweiz bekommt man in jeder Hütte morgens eine ganze Flasche voll Tee, der Marschtee ist ein fester Begriff ... Hier aber werden Kleines und großes Frühstück nicht nur unterschieden, sondern müssen am Vorabend vereinbart werden, wofür man einen Bon erhält, den man nicht verlieren darf, denn man muss ihn morgens wieder einlösen ... Deutschtum auch auf 2000m. Wir sehen einige, die nicht an diesem Frühstück teilnehmen, sondern draußen auf der Bank sitzen und essen.
 
Länge: 19.6km
auf: 1486m
ab: 109m
Schwierigkeit: T2+
 
Tag 2: Knorrhütte -> Gatterl -> Tillfußalm -> Niedere Munde -> Neue Alplhütte
 
Wir verlassen die Knorrhütte zeitig und füllen unsere Trinkflaschen am nächsten Bach auf. Dieser liegt allerdings bereits drüben in Österreich, das Zugspitzplatt hat kein Wasser. Das Gatterl liegt eine Dreiviertelstunde von der Knorrhütte entfernt, es geht ein bißchen hinab, ein Morgenspaziergang. Die Zugspitze ist hinter uns gut sichtbar. In dem grünen Talkessel hinter dem Gatterl stehen dann an die 30 Gemsen mit vielen Jungen. Wir gehen über das Feldernjöchl (2045m) und das Steinerne Hüttl (1925m) hinunter ins Gaistal zur Tillfußalm (1382m) und machen dort Mittag. Nach Überquerung der Leutascher Ache geht der Weg bald steil hinauf. Dabei sind immer wieder 40 ... 50cm hohe Stufen zu überwinden, was auf Dauer und in der Nachmittagshitze recht mühsam ist. In der Mitte des Nachmittags stehen wir auf der Niederen Munde (2059m) und haben das breite Inn-Tal vor uns. Mit dem Fernglas überblicken wir auch unsere gesamte morgige Etappe. Aber noch liegt ein holpriger Abstieg vor uns: der Weg durch die ausgeprägte Latschenkieferzone unterhalb der Niederen Munde kostet viel Kraft, die Stöcke sind eine gute Hilfe. Zu unserer Überraschung zieht es sich dann horizontal noch ziemlich bis zur Neuen Alplhütte (1504m), die versteckt im Wald liegt. Wir kommen erst gegen 18 Uhr dort an. Immerhin gibt's dort ein Zweierzimmer für uns, mit Fernseher (!, genau ein Programm: ZDF), und wir dürfen sogar duschen.
 
Länge: 16.4km
auf: 1137m
ab: 1648m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 3: Neue Alplhütte -> Stamseralm
 
Diese Etappe geht durch das Inn-Tal. Nach einem ausgezeichneten Frühstück verläuft der Weg zuerst durch einen schönen Wald bequem nach den Miemings hinab: Wildermieming, Obermieming, Untermieming, diese liegen in einer leicht zum Inn hin geneigten Ebene. Ein alter Bauer sagt uns für den Abend ein Gewitter voraus (und wird Recht behalten ...) Wir haben vergeblich versucht, hier in den Ortschaften einen Lebensmittelladen zu finden, direkt am Weg liegt jedenfalls keiner. Kurz hinter Untermieming fällt der Weg dann zum Inn hinab, wo sich eine Fußgängerbrücke befindet, die wie für uns gemacht ist. Auf der anderen Seite liegt Stams mit seinem Stift. Wir leisten uns zum Mittag einen Eisbecher, machen uns dann aber auf den Weg hinauf zur Stamseralm - er wird lang. Allerdings verläuft er überwiegend im Wald, so daß man Schatten hat. Wer Zeit sparen will, kann vielleicht ein, zwei Serpentinen abkürzen, aber viel wird es nicht bringen. Am späteren Nachmittag ist die Stamseralm (1873m) erreicht.

Auf der Stamseralm hat man einen ganzen Dachboden für sich, kann ein Fachgespräch über die Herstellung von Graukäse führen und zwei junge Hunde treiben ihren Schabernack mit den Gästen. Strom gibt's allerdings nur, wenn die sechs Milchkühe gemolken werden, früh und abends eine Stunde. Die Zeit auf der Stamseralm ist herzlich und informativ, auf jeden Fall zu empfehlen.
 
Länge: 23.9km
auf: 1251m
ab: 873m
Schwierigkeit: T2, aber lang
 
Tag 4: Stamseralm -> Pirchkogel -> Dortmunder Hütte
 
Am Abend kam ein Gewitter und es hat geregnet. Auch den ganzen Vormittag über ist der Pirchkogel noch in den Wolken. Wir gehen dennoch zeitig los und einer der Hunde kommt noch einen Kilometer weit mit, bleibt aber dann traurig sitzen, während wir zum Pirchkogel hinaufsteigen, dem einzigen echten Gipfel unserer Tour, 2828m. Im oberen Teil, also auf den letzten 200m unterhalb des Gipfels, gibt es ein paar Stellen, bei denen die Hände erforderlich sind, sowie einmal in einer Schräge ein paar Meter sehr lockeren Schotter. Wir sind ganz froh, diesen Weg hinauf und nicht hinunter nehmen zu müssen. Gegen Mittag reißen die Wolken auf und es wird sonnig. Vom Gipfel aus erkennen wir die Speicherseen von Kühtai. Der Abstieg auf der Südseite ist einfacher als der Aufstieg und geht flott.
 
Meinung: Kühtai - man muss nicht viel darüber sagen, eine Ansammlung leerer Hotelkästen, trostlos, ein eigentlicher Unort, aber man muss durch dieses Tal. Wir trafen später zwei, die diese und die nächste Etappe an einem Tag gemacht und damit zu uns aufgeschlossen haben - zu schaffen ist das und man spart eine Übernachtung.
 
Die Dortmunder Hütte (1949m) am westlichen Rand von Kühtai scheint in einem Zwiespalt zwischen Berghütte und Restaurant zu stecken. Immerhin gibt's dort ein sehr ordentliches Schnitzel.
 
Länge: 8.6km
auf: 942m
ab: 887m
Schwierigkeit: T3+
 
Tag 5: Dortmunder Hütte -> Finstertaler Scharte -> Schweinfurter Hütte
 
Von der Dortmunder Hütte aus bewegen wir uns unterhalb der großen Staumauer des Finstertaler Speichers hinauf. Nach etwa einer Stunde ist die Seehöhe erreicht. Wir blicken noch einmal zurück zum Pirchkogel auf der anderen Talseite. Nun geht es entlang des Sees bis zu dessen Ende und dann durch ein sehr hübsches kleines Tal hinauf zur Finstertaler Scharte (2777m). Im oberen Teil des Anstiegs verlieren wir im Schnee die Markierung und gehen zu weit links, bis wir 100m weiter rechts zwei Personen bemerken, die dort herunterkommen. Offensichtlich verläuft der Weg dort, also an der rechten Seite des Hanges. Wir traversieren dorthin und finden das bestätigt. Als wir oben auf der Scharte Mittag machen, fällt uns ein nachfolgender Wanderer auf, dem es ganz genauso geht wie uns. Der Abstieg durch das Weite Kar zur Schweinfurter Hütte (2034m) ist einfach, man sieht sie bereits von weit oben, man kann sogar bis ins Ötztal schauen.
 
Die Schweinfurter Hütte ist hervorragend ausgestattet, es hat viele kleine Zimmer, warmes Wasser, sehr saubere Waschräume, eine gute Küche. Wir fühlen uns rundum wohl.
 
Länge: 11.4km
auf: 876m
ab: 797m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 6: Schweinfurter Hütte -> Zwieselbachjoch -> Winnebachseehütte
 
Wir gehen von der Schweinfurter Hütte das lange, flache Zwieselbachtal nach hinten. Einige Murmeltiere beobachten uns, aber es sind nicht viele. Das Tal hat viel Wasser. Erst im hinteren Teil des Tales steigt es sanft an und bekommt auch ausgedehnte Schneefelder (daher das Wasser), aber der Schnee trägt noch gut, obwohl er mittags sulzig wird. Immerhin bleiben wir heute problemlos auf dem Weg. Das Zwieselbachjoch (2870m) ist obwohl 100m höher ganz ähnlich wie die gestrige Finstertaler Scharte. Wir genießen die Mittagssonne. Der Abstieg durch das Winnebachkar ist steiniger als gestern. Die Winnebachseehütte (2361m) ist vergleichsweise schnell erreicht - sie taucht fast überraschend auf. Leider bewölkt es sich.
 
Die Winnebachseehütte hat für uns ein Zweibettzimmer mit eigenem Waschbecken und Steckdosen. Überall sind Haken angebracht, um etwas aufzuhängen. Draußen im Gang sind Drähte gespannt, um Textilien trocknen zu können. Im Waschraum gibt es sogar Waschmittel. Eine Hütte, wie man sie sich vorstellt!
 
Länge: 9.66km
auf: 843m
ab: 526m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 7: Winnebachseehütte -> Gries -> Amberger Hütte
 
Eine rechte Faultieretappe: Vorbei an dem großen Wasserfall des Winnebachs geht es hinunter nach Gries. Wer nicht will, muß nicht in den Ort hinein. Immerhin gibt's dort aber einen kleinen Laden und außerdem Papierkörbe, wo man seinen gesammelten Restmüll endlich einmal loswerden kann. Außerdem kann man einen abschätzigen Blick auf Bustouristen werfen, um die Moral zu heben. Den Weg bis zur Amberger Hütte entlang des Sulzbaches schafft man in zwei Stunden. Man kann den Nachmittag nutzen, das hintere Tal und den morgigen Aufstieg zu erkunden, oder sich dem Angebot der guten Küche widmen.
 
Die Amberger Hütte ist eine echte Berghütte. Es gibt dort morgens sogar Tee zu Mitnehmen! Sie ist allerdings sehr einfach vom Tal aus zu erreichen und deshalb auch Ziel von Personen, die gar nicht an Bergen interessiert sind. Wir hatten dort das Pech einer infolge beträchtlichen Alkoholkonsums sehr langen und lauten Nacht, an Schlaf war erst nach halb 3 Uhr zu denken.
 
Länge: 10.75km
auf: 493m
ab: 791m
Schwierigkeit: T2-
 
Tag 8: Amberger Hütte -> Atterkarjöchl -> Längenfeld
 
Eine Schlüsseletappe: wir wechseln heute ins Ötztal und müssen dazu das Atterkarjöchl (2970m) überwinden. Für den Aufstieg haben wir gute Bedingungen: während es gestern noch nieselte, herrscht heute blauer Himmel. Der Aufstieg geht gut voran und macht uns Freude. Von dem Gletscher unterhalb des Jochs ist nur noch ein großes Schneefeld zu sehen. Eine alte Spur geht quer hinüber - wir entscheiden uns, diese zu nutzen, der Schnee trägt gut. Erst ganz oben auf den letzten Metern wird er sulzig und wir müssen eine eigene Spur ziehen. Das eigentliche Joch allerdings besteht aus einer sehr scharfen Kante, die zu beiden Seiten steil abfällt, man hat hier keinen Platz, sich hinzusetzen o.ä. Wir entscheiden uns für den Abstieg, um weiter unten im Atterkar die Mittagspause einzulegen. Der Abstieg fordert uns. Der schmale und gut markierte Weg hinab ist sehr steil und rutschig, teilweise verschüttet und gänzlich ungesichert. Es empfiehlt sich, die Stöcke an den Rucksack zu schnallen, um die Hände frei zu haben. Erst nach etwa einer halben Stunde ist man unten im Kar angekommen.
 
Meinung: Ich will nicht jammern. Aber der L1 - unabhängig davon, wie offiziell oder anerkannt er ist - ist infolge inzwischen mehrfacher Publikation ein internationaler Fernwanderweg. Hier kommen Leute vorbei, die einen 10kg-Rucksack tragen. Ein oder zwei bescheidene Fixseile könnten hier oben wertvolle Dienste leisten und diese schwierige Stelle entschärfen. (Weiter unten dann, weit unterhalb der Baumgrenze im Abstieg nach Sölden, findet man plötzlich solche an weit harmloseren Stellen ...)
 
Das Atterkar unterhalb des Jochs zeichnet sich durch wunderschöne, tiefe Bäche aus, in die man sich teils dank Kiesbett sogar hineinlegen kann. Während das Kar eine Art Hochebene darstellt, fällt der Weg dann ins Ötztal sehr steil ab, und noch immer stehen mehr als 1000m Höhenmeter an. Dieser Weg kostet in der Nachmittagshitze einiges an Zeit und Kraft.
 
Länge: 11.8km
auf: 839m
ab: 1544m
Schwierigkeit: T4 (Abstieg vom Atterkarjoch)
 
Wir haben uns dafür entschieden, in Längenfeld im Ötztal zwei Nächte zu bleiben und einen Pausentag einzulegen. Nach Längenfeld fahren wir mit dem Bus. Achtung: der Busverkehr im Ötztal unterliegt täglich einer langen Pause am frühen Nachmittag. Dort fährt mehrere Stunden lang kein Bus.
 
Tag 9: Pausentag
 
Der Pausentag dient weniger der Regeneration, körperlich geht's uns überraschend gut - wir wollen vor allem die Bedingungen für die nächsten zwei Etappen klären, bei denen es auf über 3000m geht, ein Paar durchgelaufene Socken ersetzen und die Lebensmittelvorräte ergänzen. Gestern Abend hatte es stark gewittert, im Ötztal war sogar eine Mure abgegangen und die Gipfel rundherum haben weiße Spitzen bekommen.

Wir fahren mit dem Bus bis ganz hinauf nach Obergurgl und fragen im Hotel Edelweiß (zu dem das Ramolhaus gehört) nach den Bedingungen. Wir entschließen uns, die morgige Etappe zum Ramolhaus wie geplant auszuführen. Eine (weitaus einfachere, aber auch ebenso langweiligere) Schlechtwetteralternative wäre gewesen, von Zwieselstein aus gleich ins Venter Tal einzuschwenken. Abends gewittert es wieder kräftig.
 
Tag 10: Längenfeld -> Nedersee -> Ramolhaus
 
Wir fahren mit einem frühen Bus von Längenfeld aus durch Sölden und Zwieselstein und beginnen den Tag am Ortsausgang. Zunächst geht es über die Lenzenalm zum Nedersee (2436m), der wegen der starken Regenfälle heute morgen im dicken Nebel liegt. Von dort aus geht es auf einem fast horizontalen Höhenweg oberhalb des Ötztales an Obergurgl vorbei, was bis zum frühen Nachmittag dauert. Im Lehnerkar (2574m) biegt der Weg dann plötzlich hinunter Richtung Tal, um dort einen anderen Weg zu erreichen, der von Obergurgl hinaufkommt. Hier verliert man mehr als 250 Höhenmeter, die man gleich anschließend wieder hinauf muß. Es ist zu vermuten, daß man besser die 2500m-Linie einfach weglos weitergehen kann und ebenso auf diesen Weg trifft, ohne dabei sinnlos an Höhe zu verlieren. Der eigentliche Anstieg zum Ramolhaus zieht sich nämlich dann noch. Den Rest des Gurgler Ferners haben wir nur kurz gesehen, dann zogen die Wolken zu. Gut, daß wir das Ramolhaus (3006m) noch vor dem Regen erreicht haben, draußen sitzen ist heute nicht mehr möglich.
 
Das Ramolhaus besitzt eine große Gemütlichkeit, wir bekommen ein sehr privates Zweierzimmer und man hält gleich vier (!) verschiedene Strudel bereit. Man weiß allerdings nicht genau, ob das Ramoljoch morgen passierbar sein wird, die Schwierigkeit bestehe darin, den Einstieg zu finden. Aha.
 
Länge: 15.8km
auf: 1832m
ab: 500m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 11: Ramolhaus -> Ramoljoch -> Martin-Busch-Hütte
 
Der Tag beginnt für uns im Wolkenmeer, über und unter uns Wolken, dazwischen freie Sicht. Die Sonne kommt sogar heraus. Der Gletscher bleibt allerdings unsichtbar. Der Weg, vom Ramolhaus zum Ramoljoch ist harmlos und beinahe horizontal.
 
Meinung: Die besagte Schwierigkeit mit dem Einstieg liegt wahrscheinlich darin, daß kurz vorher eine andere (!) Route am Felsen markiert ist, die sich als Klettersteig herausstellt - das eigentliche Ramoljoch kommt erst 100m dahinter. Möglicherweise werden diese beiden oft verwechselt. Ein anständiger Wegweiser würde dieses bedeutsame Problem ein für alle Mal zuverlässig lösen.

Der ötzseitige (östliche) Aufstieg zum Joch ist unter unseren fast idealen Bedingungen nicht schwer. Die Fixseile und Klammern stellen eigentlich alles Nötige zur Verfügung, was man braucht, um sich sicher zu fühlen, das schaffen sogar Kinder. Man ist in 20 Minuten oben, 3189m, für uns der höchste Punkt dieser Tour. Die Westseite hatte offenbar mal einen großen Gletscher, man sieht davon aber nur noch zwei nicht mehr zusammenhängende Teile. Sehr viel Eisen im Gestein. Im Abstieg ins Venter Tal überrascht uns allerdings wieder Regen. Wir werden ordentlich naß, bis wir die Martin-Busch-Hütte (2501m) erreichen und es regnet noch den ganzen Abend weiter.
 
Die Martin-Busch-Hütte ist im Vergleich die teuerste aller Hütten auf dieser Tour, obwohl sie im Gegensatz zu vielen anderen durch einen einfachen Fahrweg mit dem Auto erreichbar ist. Wir werden das Gefühl nicht los, daß man hier auf's Geschäft bedacht ist. Die vielen E5-Wanderer, auf die wir hier treffen, liefern dafür womöglich einen Anlaß.
 
Länge: 12.2km
auf: 695m
ab: 1175m
Schwierigkeit: T3+
 
Die Martin-Busch-Hütte ist die letzte Hütte auf dem L1, der nun zur Schöne-Aussicht-Hütte weitergeht. Wir verlassen den L1 und gehen über das Niederjoch, um dem Eismann Ötzi Referenz zu erweisen.
 
Tag 12: Martin-Busch-Hütte -> Niederjoch -> Unser Frau in Schnals
 
Leider haben die Niederschläge die ganze Nacht angehalten. Als wir morgens aus dem Fenster schauen, liegen ungefähr 15cm Schnee, Mitte Juli. Was tun? Im Frühstücksraum herrscht ein wenig Nervosität, jeder berät sich mit jedem. Aber es gehen doch immer mehr Leute los.

Wir verlassen die Hütte unter den letzten, in der Hoffnung, eine ordentliche Spur vorzufinden. Die Hütte gerät im Nebel schon nach 200m außer Sichtweite. In der Tat laufen wir mehreren Gruppen hinterher, die wir bald eingeholt haben. Vor allem die vielen Wasserläufe lassen die Gruppen immer wieder stoppen, wir überholen und gehen bald allein. Der Nebel wird dünner. Bald ist am Horizont eine Hütte zu sehen, wir werden sie erst später fast überraschend als Similaunhütte identifizieren. Der Similaun-Gipfel bleibt aber im Nebel. Auf dem Niederjoch (3017m, Alpenhauptkamm) pfeift es erheblich und wir verzichten schweren Herzens auf den eigentlich geplanten Abstecher zur Fundstelle des Eismanns. Es wäre unter diesen Bedingungen nicht klug gewesen. Im Abstieg liegen in einigen Verwehungen bis zu 40cm Schnee. Das war allerdings gar nicht schlecht, es dämpfte den Schritt, wir sind vergleichsweise bequem in das schöne Tisental hinabgekommen. Diese Abenteueretappe wird uns noch lange im Gedächtnis bleiben.
 
Übernachtung in einem Hotelchen im Dorf Unser Frau in Schnals gleich unterhalb von Vernagt.
 
Länge: 13km
auf: 642m
ab: 1635m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 13: Unser Frau in Schnals -> Atzboden -> Jägerrast
 
Wir wechseln heute aus dem Schnalstal hinüber ins Pfossental, um auf den Nordabschnitt des Meraner Höhenwegs zu gelangen. Das macht offenbar fast niemand, der Weg scheint uns nicht allzu häufig begangen und ist stark bewachsen. Es gibt aber ein paar schöne Ausblicke ins Schnals- und ins Pfossental und einen bemerkenswerten Reichtum an Pflanzen. Über dem Similaun hängen noch immer die gestrigen Wolken und auch der Schnee scheint sich gehalten zu haben.
 
Übernachtung im Gasthof Jägerrast. Der Gasthof hat sechs Zimmer. Es gibt lohnende eigene Milch-, Käse und Wursterzeugnisse, leider an diesem Nachmittag auch unglaublich viel Volk. Die Wirtin ist einem informativen Gespräch nicht abgeneigt.
 
Länge: 9.32km
auf: 1004m
ab: 819m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 14: Jägerrast -> Stettiner Hütte -> Pfelders
 
Dies sind eigentlich zwei Etappen des Meraner Höhenweges und dementsprechend lang. In der Mitte befindet sich die Stettiner Hütte, die momentan allerdings nicht für Übernachtungen genutzt werden kann. Die erste Hälfte des Weges zählt zu den schönsten Abschnitten der Tour. Es geht vorbei an drei Höfen, auf denen man übrigens ebenso hätte übernachten können, und dann auf einem hervorragend ausgebauten Weg bis hinauf zum Eisjöchl (2900m). 100m hinter dem Eisjöchl kommt die Stettiner Hütte (2875m). Von dort geht es dann hinunter, wobei die Qualität des Weges spürbar schlechter wird. Plötzlich ist der Weg dann sogar gesperrt, wegen Sanierungsarbeiten, und man ist gezwungen, eine äußerst steile Umleitung hinab ins Tal zu nehmen. Man kann sich mit dem Gedanken trösten, auf der Lazinser Alm einen Apfelstrudel vorzufinden.
 
Übernachtung in einem Hotel im schönen Pfelders, wo abends die Kühe allein (?) von der Weide kommen und in ihren heimatlichen Stall laufen.
 
Länge: 21.3km
auf: 1263m
ab: 1326m
Schwierigkeit: T3
 
Tag 15: Pfelders -> Spronser Joch -> Tauferscharte -> Algund
 
Die vielleicht anspruchsvollste Etappe der gesamten Tour: wir gehen durch das Faltschnaltal hinauf auf das Spronser Joch (2581m) und dann über die Spronser Seen und die Taufenscharte (2230m) ins Vinschgau hinab. Das Spronser Joch erreichen wir noch in aller Stille deutlich vor Mittag. Wir gehen deshalb weiter zu den Seen, von denen einige natürlich, andere aber gestaut sind. Spätestens am Oberkaser befinden wir uns allerdings spürbar im Massentourismus, die Leute kommen mit Seilbahnen von Süden her und es wird manchmal eng auf den Wegen. Auf der Taufenscharte sind wir wieder allein. Nun stehen noch über 1500m Abstieg an und der obere Teil ist sehr steil und stark verschüttet. Die Steilheit bleibt auch weiter unten im Wald erhalten, immerhin herrscht dort Schatten und es riecht wunderbar nach Zirben. Auf der Leiteralm kann man seinen Flüssigkeitshaushalt in Ordnung bringen. Von dort geht es aber immer noch steil hinab. Wir gehen bis Algund und beschließen dort unsere Tour. Wer will, kann am nächsten Tag nach Meran hinunter gehen.
 
Länge: 20.4km
auf: 1165m
ab: 2221m
Schwierigkeit: T3+
 

Tourengänger: muellerto


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Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

Andi_mit_i hat gesagt:
Gesendet am 25. Juli 2016 um 22:58
Klasse Tour, toller Bericht! Hab bisher noch nie was von diesem L1 gehört. Auf jedem Fall deutlich interessanter und schöner als der Mogel-E5 (bei dem intensiv Bus und Seilbahn genutzt wird). War auch letzte Woche auf der Martin-Busch-Hütte und stellte erstaunt fest was es da für Mengen an E5-Touristen hat. Hat da überhaupt nicht die Stimmung einer Bergsteiger-Hütte. Nicht mein Ding.

muellerto hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juli 2016 um 06:42
Mogel-E5 :)

AndreasH hat gesagt:
Gesendet am 19. Februar 2017 um 11:56
Grossartige Tour,fantastisch.
Nur 20 Bilder,schade.
Da hätte ich gern eine dreistellige Anzahl Bilder gesehen.

muellerto hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Februar 2017 um 13:47
Mehr Bilder hier :) (Diese Seite ist nicht sehr schnell, sollte aber funktionieren.)

Könnt gleich wieder losgehen ...

AndreasH hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Februar 2017 um 14:37
Ja super,der verregnete Sonntag bekommt einen Sinn.
Beneidenswerte Tour..Danke für die Bilder.Das Meiste kenn ich witzigerweise,zwischen Inntal und Schnalstal ist meine Lücke auf dieser Tour.Den Rest kenne ich aus diversen Urlauben im Karwendel und der Texelgruppe

Gruss aus Dortmund

Andreas

Parzival hat gesagt: L1 komplett und alternative Etappen
Gesendet am 10. November 2018 um 19:42
Wer sich gerne noch weiter über den L1 und seine kompletten Verlauf bis Brescia informieren möchte und gerne ein paar Anregungen für alternative Etappen haben möchte, darf gerne auf meinem Blog www.alpenquerungl1.blogspot.com vorbeischauen. Ich kann jedem nur Empfehlen, den südlicheren Teil durch den Adamello und die Brescianer Voralpen zu gehen, da dieser sehr schön und einsam ist und tolle Berghütten beinhaltet.

muellerto hat gesagt: RE:L1 komplett und alternative Etappen
Gesendet am 11. November 2018 um 15:16
Danke für den Kommentar. Der südliche Teil steht noch auf unserer Liste.

Immerhin waren wir seitdem bereits im hinteren Schnalstal und auf der Schöne-Aussicht-Hütte sowie an der Ötzi-Fundstelle.


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