Cunturines (3064 m), Lavarela (3055 m) - die lange Überschreitung von Ost nach West


Publiziert von gero , 22. Juli 2016 um 15:56.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:17 Juli 2016
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2- (WS-)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1810 m
Abstieg: 1810 m
Strecke:Sciare - Cap. Alpina - Col de Locia - Tadegajoch - Lago Cunturines - Cunturines - Zweischartenspitze - Lavarela-Scharte - Lavarela (Ostgipfel) - Lavarela-Sattel (Forcella de Medesc) - St. Kassian - Armentarola - Sciare (24,2 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Im Pustertal kurz vor Bruneck hinein ins Gadertal, durch dieses hinauf nach Abtei - Stern - St. Kassian. Nun weiter aufwärts Richtung Valparolapaß; bevor die Straße steil wird, beidseits der Straße bei Sciare 2 große öffentliche, gebührenfreie Parkplätze. Alternativ hier hinauf zur Cap. Alpina, hier gebührenpflichtiger P.
Kartennummer:Tabacco (Naturpark Fanes-Sennes-Prags 1:25.000); Freytag & Berndt WKS 5 (Cortina d'Ampezzo 1:50.000); Kompass Nr. 55 (Cortina d'Ampezzo 1:50.000)

Die Cunturines-Spitze als höchster Punkt der Fanesgruppe und die benachbarte, 9 m niedrigere Lavarela-Spitze locken mich schon seit langer Zeit; heute ist es endlich soweit: im Sinne einer Überschreitung erreiche ich beide Gipfel und mache daraus eine Rundtour, die von Osten hinauf und westseitig hinunter führt, wie man dem GPS-Track entnehmen kann.


Teil 1: Anstieg zum Cunturines

Es wird ein langer Tag - und deshalb starte ich, wie in dieser Jahreszeit üblich, noch vor 5 Uhr in Sciare (1654 m). Durch Wald geht es auf Steig Nr. 11 in 30 Minuten zur Cap. Alpina (1720 m), danach gut beschildert und markiert hinauf zum Col de Locia (2069 m). Über die weitläufigen Wiesen der Fanesalm leitet der Wanderweg zum Tadegajoch (2157 m, 2,5 Std. ab Sciare), an dieser Stelle zweigt - wiederum beschildert und markiert - ein Steig hinauf Richtung Cunturines ab.

Man betritt hier ein großartiges Hochtal, das südseitig von den Wänden des Piz Taibun, nordseitig von den weniger grimmigen Kuppen des Piz Parom flankiert wird. Normalerweise würde ich dieses Hochtal als "schweigende Einsamkeit" beschreiben; heute jedoch tobt ein grimmiger Nordföhn, es ist ziemlich kalt, und der Genußfaktor hält sich in Grenzen.

Jedenfalls ist die Landschaft äußerst eindrucksvoll: magischer Anziehungspunkt ist der riesige Plattenschuß, der zum Piz Taibun hinaufzieht. Es geht am kleinen Cunturines-See (2518 m) vorbei, der Steig überwindet etliche Geländestufen und führt auf den langgezogenen Sattel zwischen Cunturines und Lavarela (Lavarela-Scharte, 2885 m - in beiden LKen nicht namentlich bezeichnet, jedoch ist die Bezeichnung im Internet zu finden). Ich habe ab Sciare etwa 5 Std. gebraucht, hierin sind Fotografierpausen enthalten.

Als erstes Bergziel lockt mich der Cunturines: das Steiglein führt an den Fuß des markanten Gipfelblockes (dabei wird die unbedeutende Kuppe der Zweischartenspitze, 2929 m, überquert). Der Anstieg wird durch mehrere kurze Leitern und etlichen Passagen mit Fixseilen ermöglicht; im Prinzip gibt es hier kaum technische Schwierigkeiten, aber das Gelände ist teilweise exponiert und im unteren Teil äußerst brüchig, so daß eine gehörige Portion Vorsicht ratsam ist. Zudem ist es heute ziemlich naß und dadurch rutschig - sicherheitshalber begehe ich den Steig mit Selbstsicherung.

Der Cunturines entpuppt sich im Gipfelbereich als ziemlich schmale Gratschneide, von der es vor allem südseitig steil hinunter geht: ein kaum zu überblickendes Gewirr von Schluchten, Türmen und Steilflanken zieht hinunter zur Cap. Alpina, deren rötliches Dach in der Sonne funkelt. Was für eine wilde Dolomitenlandschaft - der umherziehende Nebel gibt ihr etwas Bedrohliches und verhindert leider jegliche Aussicht.

Bis auf den Cunturines (3064 m) habe ich ab Sciare 6 Std. gebraucht - eine lange Zeit für einen weiten Weg. Lange halte ich mich wegen des zweifelhaften Wetters nicht auf und steige wieder hinunter in die Lavarelascharte.


Teil 2: Anstieg zur Lavarela; Abstieg zur Forcella de Medesc

Zur Lavarela führt ein steiler, aber unschwieriger Steig hinauf; man erreicht einen namenlosen Sattel zwischen dem etwas niedrigeren Westgipfel (3034 m) und dem höheren Ostgipfel des Berges. Eine knappe Stunde nach der Lavarelascharte stehe ich um 12:30 Uhr auf dem Lavarela-Ostgipfel (3055 m). Den Westgipfel habe ich nicht bestiegen: es ist dies der vom Tal aus sichtbare Kulminationspunkt mit großem Gipfelkreuz, von dem es aber nicht weiter geht. Ich habe mir vorgenommen, später zur Forc. Medesc abzusteigen, und dorthin geht es nur vom Ostgipfel aus - deshalb der Verzicht auf den Westgipfel.

Inzwischen hat sich das Wetter zum Guten gewendet: die Wolken reißen auf und machen blauem Himmel Platz. Für eine umfassende Rundsicht reicht es dennoch nicht; nach nicht allzu langer Pause mache ich mich an den Abstieg - wohl wissend, daß meine Bergtour noch etliche Zeit in Anspruch nehmen wird.

Wenige Minuten vor dem Gipfelkreuz des Lavarela-Ostgipfels zweigt - mit Holzstangen und roten Markierungen gekennzeichnet (kein Wegweiser!) nach Norden der Abstieg zur Forcella Medesc ab. Das Steiglein im Geröll ist mit etwas Aufmerksamkeit nicht zu übersehen und führt gleich steil in die Nordflanke der Lavarela hinab. Nach wenigen Minuten steht man dann an der Schlüsselstelle: gut markiert, geht es in Zweierkletterei etwa 20 Meter hinunter. Das Gelände ist hier kurzzeitig anspruchsvoll: der Fels ist brüchig (und heute naß), teilweise etwas abgespeckt und exponiert. Ich möchte diese Stelle mit der kurzen Kletterei unter dem Wörnergipfel vergleichen: hier ist ein Ausrutscher fatal, mit höchster Konzentration klettere ich hinunter und bin froh, als ich dieses anspruchsvolle Stück gemeistert habe. Im AUFstieg dürfte diese Stelle wesentlich angenehmer zu begehen sein!

Danach quert man - immer den roten Markierungen folgend - auf einem ausgeprägten Band verhältnismäßig steil die gesamte Nordflanke der Lavarela. Weitere technische Schwierigkeiten sind nicht mehr vorhanden, aber das Gelände ist hochalpin, der Untergrund schotterig, man muß jeden Schritt konzentriert setzen und kann wegen der Ausgesetztheit nicht entspannt dahinschlendern. Hier ist alpine Erfahrung unerläßlich - dann aber ist es ein Genuß, diese großartige Dolomitenlandschaft zu erleben!

Im untersten Viertel des Abstieges zur Forcella Medesc weicht das besagte Band einer breiten Geröllflanke: der markierte Steig führt an ihrer (orographisch) linken Begrenzung abwärts, dort ist nochmals eine kurze Kletterstelle zu meistern (wie mir entgegenkommende Bergsteiger versichern). Ich umgehe sie, indem ich kurzerhand im Geröll durch die mächtige Bergflanke abfahre - dort gibt es Spuren, und wenn auch das Gelände steil ist, so ist es doch harmlos und ohne Schwierigkeiten zu begehen.

Diese Steilflanke endet auf einem waagerechten Rücken, er leitet schließlich in wenigen Minuten zur schon lange sichtbaren Forcella de Medesc (Lavarela-Sattel, 2537 m, 1 Std. ab Lavarela-Gipfel) hinunter. Die Scharte wird überragt von der Felsruine des Piz de Medesc (2713 m), dem optischen Anziehungspunkt des Abstieges.


Teil 3: Abstieg nach St. Kassian; Rückweg nach Sciare

Mein weiterer Rückweg ist schnell beschrieben: es geht durch die Steinwüste des Val Medesc auf Steig Nr. 12 steil hinunter, bis man am Ende der Schuttströme in die Latschenregion eintritt (ca. 2000 m); ein Stück weiter drunten trifft man auf etwa 1750 m auf den Steig Nr 15, einem Wegweiser folgend geht es weiter hinab Richtung St. Kassian.

Der Ort wird indes nicht erreicht, denn wieder ein Stück weiter drunten zweigt - wiederum beschildert und markiert - Steig Nr. 15A Richtung Armentarola ab. Dieser schöne Lärchensteig (Tru de Lersc, Sentiero dei Larici) zieht nach kurzem Anstieg in sehr aussichtsreicher Lage hoch über dem Tal dahin, man kann sich an den saftigen Wiesen und üppigen Wäldern kaum satt sehen. Schließlich wird der Talort Armentarola erreicht, und nach einer weiteren halben Stunde bei Sciare (1654 m) der Ausgangspunkt der Rundtour.

Eine fast 13-stündige Bergtour ins Zentrum der Fanesgruppe liegt hinter mir - wieder ist ein großartiges Dolomiten-Erlebnis Vergangenheit.


Anmerkungen:

1) Für beide Gipfel existieren viele unterschiedliche Schreibweisen, je nachdem, ob man die deutsche, italienische oder ladinische Nomenklatur wählt.

2) Der Anstieg bis zum Sattel zwischen Cunturines und Lavarela (Lavarela-Scharte) ist eine lange Bergwanderung ohne jede Schwierigkeiten, und auch der Anstieg zur Lavarela gestaltet sich problemlos. Auf den wuchtigen Gipfelblock des Cunturines leitet ein etwa 100 m langer Klettersteig nit einigen Leitern und Fixseilen - hier geringe Schwierigkeiten, aber hochalpines Gelände.

3) Der westseitige Abstieg von der Lavarela zum Col de Medesc führt über exponierte, geröllbedeckte Bänder - man muß hier absolut trittsicher und schwindelfrei sein. Ganz oben befindet sich eine etwas heikle Kletterstelle des zweiten Grades (nur hierauf bezieht sich der im Vorspann aufgeführte Grad II), die ich im Text beschrieben habe; sie stellt den "Knackpunkt" meiner Rundtour dar.

4) Für die hier beschriebene Rundtour ist eine nicht unerhebliche Kondition zwingend erforderlich; speziell der Rückweg westseitig unter der Cunturinesgruppe auf dem Lärchensteig zieht sich in die Länge.

Tourengänger: gero


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Geodaten
 30950.gpx Unterwegs an Cunturines und Lavarella

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Kommentare (4)


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danicomo hat gesagt:
Gesendet am 24. Juli 2016 um 09:00
Bello, bravo.....
Daniele

Felix hat gesagt:
Gesendet am 27. Juli 2016 um 20:54
was für eine lange, tolle und eindrückliche Tour - ich gratuliere, lieber Georg!

gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. Juli 2016 um 21:59
Hoi Felix, danke für Dein Interesse - und ebenso natürlich auch danicomo. Das war wieder so ein richtiger Gewaltmarsch nach meinem Geschmack. Keine wirkliche Schwierigkeit, aber sehr eindrucksvoll!

Gruß vom gero

megastress hat gesagt:
Gesendet am 21. August 2020 um 21:27
Hallo Georg,

Vielen Dank für die Inspiration zu dieser Tour!
Ich bin sie heute gegangen, und die landschaftlichen Eindrücke, aber auch die konditionellen Anforderungen waren enorm!
Da ich es etwas sportlicher angehen wollte, brauchte ich 7h für die Runde... aber danach war ich platt :-)

Viele Grüße,

Andreas


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