Hörnle Südkante und Stuhlwand mit erhellenden Einblicken


Publiziert von yuki , 20. November 2015 um 20:56.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 7 November 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1050 m
Strecke:Burgberg - Abzweig Funkenweg - Südkante - Burgberger Hörnle - Siechenkopf - Grüntenhaus - Stuhlwand - Burgberg
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Kostenloser Parkplatz am Ortsausgang von Burgberg (Richtung Alpe Weiherle)

Ausschlafen vor der Tour, eine Kombination aus chilliger Wanderung und zwei ordentlichen Kraxel-Einlagen, leckeren Nusskuchen an der Hütte und Sonne pur - das bietet die Südseite des Grünten mit dem Hörnle und der Stuhlwand selbst im November.

Der Zeitbedarf von 5 Stunden bezieht sich auf die Brutto-Zeit der Tour inklusive Gipfel-Pause am Hörnle, Hüttenterrassen-Einkehr und meist gechillter Geh-/Kraxelgeschwindigkeit.


An einem sonnigen Novembertag starten wir mittags am P am Ortsausgang von Burgberg. Wir gehen auf dem Wanderweg, dann auf dem Winterweg Richtung Grünten, bis auf ca. 1150m der Funkenweg zunächst fast eben nach links abzweigt ("Burgberger Hörnle - nur für Geübte" - das Schild wird von Funkenweg-Exklusivbesitzern öfters verdreht). Nach einem querenden Stück im Wald steigt der Weg auf einer Lichtung steiler an - hier folgen wir an einem markanten Baumstumpf den nach rechts führenden Pfadspuren (bis T4) zur Aurikel- und zur Südkante.

Heute steigen wir von rechts in die Kletterei an der Südkante ein (von links kann man an einem Baum mit einer IIIer-Stelle starten). Eine neue Gedenktafel am Einstieg, ein sichtbarer Steinausbruch in der Idealroute der plattigen Wand am Beginn der Route und ein kleiner Verhauer der Dreier-Seilschaft nebenan nach rechts, der sofort in loseres Gestein führt, mahnen zur Konzentration.

Nach der Wand (II+) klettert man zumeist am Grat (II-III, Schlüsselstelle genau über dem Wandbuch IV-). Lohnenswert finde ich das ausgesetzte Wändchen grad unter dem Gipfel des Burgberger Hörnle (III), das man durch kurze Kletterei an einem Riss überwinden kann.

Eine genauere Beschreibung der Kletterei an der Südkante mit Fotos und GPS-Track findet sich beispielsweise hier: *Burgberger Hörnle-Südkante und Funkenweg.

Nach einer Gipfelpause auf dem Hörnle und dem gemeinsamen Weg zum Siechenkopf wandert mein freundlicher Begleiter M. weiter zum Übelhorn. Ich gucke derweil am Grüntenhaus in die Sonne, genieße leckersten Nusskuchen und mache mich schließlich auf zur Stuhlwand.

Nach einer sehr ausgesetzten Kletterei an der Einstiegskante (II-III) kraxle ich am meist exponierten Grat der Stuhlwand (schwerste Stellen: III, T6) über so gut wie alles drüber. Zacken und zum Teil scharfe Grate wechseln sich ab mit einfacher Kraxelei und entspannten Gehpassagen. Jedenfalls beim ersten Begehen ist es sehr spannend, was einen als Nächstes erwartet, die Ausblicke und Tiefblicke sind toll - und ein großer Spaß ist dieser ausgesetzte Grat auch.

Ein verdutztes Innehalten folgt beim Abstieg von dem Gratzacken mit dem Kreuz: Auf ein paar Metern ist genau an der Kante das Gestein weggebrochen (siehe Fotos), der verbliebene Fels am Rand des Ausbruchs wackelt, und der Einblick ist erhellend: Das solide wirkende Gestein ist nicht mehr als eine vielleicht 10-30 cm starke Gesteinsschicht, die auf eine Erde-Wurzel-Mischung gebacken ist. Ist unter Euch vielleicht ein Geologe, der dem Ganzen ordentliche Bezeichnungen geben kann?

Ich gehe kurz in mich: Möchte ich den Aufschwung zum Zacken mit dem Kreuz (II-III) wieder abklettern, heikel seitwärts vom Grat weg abklettern (erscheint stellenweise griff- und trittarm), oder am Grat über das verbliebene recht wackelige Material absteigen? Ich entscheide mich für Letzteres (dieses Stück bewerte ich mit T6, ohne letztendlich sagen zu können, ob etwa Variante 2 einfacher und weniger heikel gewesen wäre) und mache mit der Gratkraxelei weiter.

Nach diesem Erlebnis kann ich die Stuhlwand entgegen dem Augenschein nicht solide nennen. Ebenfalls klar: Es reicht nicht, die Stuhlwand mit Sicherheit one-way begehen zu können. Wer nicht jeweils bis zum letzten Ausstieg (es gibt mehrere vorzeitige Ausstiegsmöglichkeiten) alles auch retour klettern kann, sollte Abseilausrüstung mit dabei haben.

Fast schon gegen Ende des Stuhlwandgrats finde ich ein quasi leeres Gratbuch (nur "Dr. No" hat sich vor mir eingetragen). In einfacherer Kraxelei (bis II) und Gratwanderung geht es nun zum Funkenplatz (auf ca. 1400m, mit Sitzgelegenheiten). Von dort laufe ich zurück zum P am Ortsausgang von Burgberg, wo ich wieder M. treffe. 

Eine weitere Beschreibung der Stuhlwand-Kraxelei gibt es unter anderem in folgendem Bericht: *Burgberger Hörnle-Aurikelkante und Stuhlwand.

Trotz der unerwarteten heiklen Stelle ein schöner Tag mit Kraxelspaß und herrlich viel Sonne am Hörnle, am Grüntenhaus und an der Stuhlwand - lohnenswert!


Und zum Schluss: Ich kalauere nicht so häufig, aber nach den Klappsitzen (Klammspitze) und dem Säugling (Säuling) aus bekannten hikr-Berichten möchte ich Euch folgende Auto-Korrekturen meiner Geräte beim Schreiben dieses Berichts nicht vorenthalten:

Stuhlwand- Stuhlgang
Gratbuch - Grabtuch
Grüntenhaus - Grünteehaus

Tourengänger: yuki


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Kommentare (7)


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Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 22. November 2015 um 09:45
Immer wieder eine tolle Runde.
Muss ich nächstes Jahr auch mal wieder machen. Solange man den Stuhlwandgrat noch machen darf.
VG Andy

yuki hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. November 2015 um 22:46
Du machst diese schöne Runde wohl öfters mal?

Ich hoffe, dass die Stuhlwand weiterhin frei zugänglich bleibt. Ich kenne zum Thema - mal abgesehen von Gerüchten - nur folgende Informationen der IG Klettern: Allgäu: Konfliktlösung Stuhlwandgrat und Klettergebiete - Stuhlwand. Hast Du neuere solide Informationen?

Liebe Grüße
Syoko

Tuppie hat gesagt: die Geologie...
Gesendet am 22. November 2015 um 19:04
... des Grüntens ist ja nicht ganz einfach. Ich habe versucht, den Aufnahemstandort Deiner Bilder möglichst exakt mit den geol. Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Gerade am Ausläufer der Stuhlwand wechselt aber die Geologie auf engem Raum. So oder so liegen karbonatische Gesteine der Kreide vor. In Frage kommen der Schrattenkalk (der z.B. in der Breitachklamm großflächig vorkommt), oder aber Luitere-Mergel. Letztere sind besser verwitterbar als der Schrattenkalk, was laut Bild für den Mergel sprechen würde. Die Gratzacken selber sollten aber eher aus Schrattenkalk bestehen. Allerdings tritt auch in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Brisisandstein ein wieder völlig anderes Gestein auf.
Du siehst - ein engräumiger Wechsel der Gesteine, gerade dort, wo Du unterwegs warst.

Liebe Grüße
Thomas

P.S.: ja, ich bin Geologe - und würde gerne direkt zur Probennahme kommen ;-) habe aber derzeit keine zeitlichen Möglichkeiten. Leider... Eine Ferndiagnose ist immer so eine Sache.

yuki hat gesagt: RE:die Geologie...
Gesendet am 23. November 2015 um 22:54
Wie nett von Dir, dass Du Dir die Mühe gemacht hast und sehr interessante geologische Informationen für uns hast, danke Dir sehr!

Eine Diagnose vor Ort wäre inzwischen allerdings auch so eine Sache ;-) Ich habe mir zwar sagen lassen, die Stuhlwand sei ein Winterklassiker für Tage, an denen zu wenig Schnee für Skitouren liegt – aber mir persönlich wäre die Stuhlwand bei den momentanen Verhältnissen recht unheimlich, vor allem diese Brösel-Stelle...

Auf schöne Winter- und Sommertouren!

Liebe Grüße
Syoko

quacamozza hat gesagt:
Gesendet am 23. November 2015 um 14:49
Passt das überhaupt zusammen - Grüntee und Nusskuchen?

yuki hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. November 2015 um 22:58
Nein, natürlich nicht :-)

Aber die nächste Generation von Smartphones & Co wird doch sicher in einem Satz, in dem „Grünteehaus“ vorkommt, „Nusskuchen“ in „Yokan“ oder „Daifuku“ autokorrigieren? Oder plädierst Du doch für den guten alten Nusskuchen?

Liebe Grüße
Syoko

F3ttmull hat gesagt: Erhellender Einblick
Gesendet am 6. September 2020 um 22:40


Aktuell sieht der gelbe Fleck so aus, fand es relativ sicher dort bei der IIer-Stelle abzuklettern. Man kann aber auch wie du erwähntest leicht links daran in IIIer-Kletterei sich vorbeihangeln.


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