Herbsttag im Valle di Nibbio


Publiziert von ABoehlen , 11. November 2015 um 20:48.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum:10 November 2015
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 400 m
Strecke:Cuzzago – Nibbio – Valle di Nibbio (Frana) und zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit FS oder Trenord von Domodossola nach Cuzzago (Regionale nach Milano oder Novara)
Kartennummer:LK285 Domodossola

Das Valle di Nibbio, auch Val Fa(j)era genannt, liegt zwar in unmittelbarer Nähe der Zivilisation, ist aber trotzdem ein typischer Teil des Val Grande-Gebietes: Wild, steil und völlig unwegsam. Allerdings gibt es hier, genauso wie in anderen Teilen von Val Grande, Spuren einer einstigen Besiedlung.

Vor gut 10 Jahren, am 19. April 2005 hat ein Bergsturz das Valle di Nibbio in zwei Teile geschnitten. Rund 1 Million Kubikmeter Gestein krachten damals in den Talgrund und hinterliessen einen riesigen Schutthaufen. Keine zwei Monate zuvor habe ich dort meine erste Erkundungstour durchgeführt und dann im kommemden Dezember eine zweite, die mich bis an den Fuss der Trümmerhalde führte.

Inzwischen sind also 10 Jahre vergangen und es ist höchste Zeit, diesem Tal wieder mal einen Besuch abzustatten. Beim gegenwärtigen Fahrplan ist die Reise an den Ausgangspunkt Cuzzago leider sehr umständlich und beinhaltet am frühen Morgen 5 Umsteigevorgänge. Aber alles klappt, obwohl der Autozug rund 10 Minuten zu spät in Brig losfährt und wegen Bauarbeiten nur im Schneckentempo durch den Tunnel schleicht. Aber der Chauffeur von Comazzi wartet netterweise, obwohl er sich damit natürlich selbst eine Verspätung holt. Der Anschluss an alle Züge in Domodossola klappt noch gut und um das Umsteigen zu vereinfachen, können wir direkt vor dem Bahnhof aussteigen.

Ca. um 10:00 Uhr erreiche ich Cuzzago, wo ich bei herrlichem Sonnenschein und angenehm warmer Temperatur aussteige. Bis zum Beginn des Weges folge ich der Hauptstrasse, wo um diese Zeit nur wenig Verkehr herrscht. Dort, wo die Ortstafel «Mergozzo» steht, biege ich links in einen Feldweg ein, der dem Gelände der «Bovere Graniti» folgt. Vorbei an einer Abschrankung aus Metall gelange ich zur Betonbrücke über den hier unterirdisch fliessenden Rio Nibbio. Interessanterweise ist die Strecke mit auffälligen roten Farbmarkierungen gekennzeichnet, die noch ganz frisch sind. Sie sind sehr praktisch, denn wie schon früher festgestellt, beginnt in dieser Gegend die Wildnis oft direkt hinter den Dörfern und entsprechend ist alles überwuchert und der richtige Durchgang nicht ohne weiteres auffindbar. Gegenüber der hohen Mauer, hinter der das Dörfchen Nibbio liegt, muss ich aufpassen, nicht den Weg zu erwischen, der gegen den Sasso Grande hochführt. Der wäre natürlich auch interessant, ist aber heute nicht das Ziel. Unterhalb einer Kletterwand beginnt der schwach ausgeprägte Pfad, der ins Tal hinaufführt. Vor 10 Jahren habe ich seinen Verlauf kartiert; mal schauen, ob ich damit noch zurechtkomme.

Der erste Teil verläuft in der orografisch rechten Flanke, dann wird ein erstes Mal das trockene Bachbett gequert und es geht linksseitig weiter. Mir fällt auf, dass die vor 10 Jahren noch beobachteten schwachen roten Farbmarkierungen weit gehend verschwunden sind, und die einzige Orientierungshilfe gelegentliche «Steinmännchen» sind, die aber meist nur aus einem mehr oder weniger auffällig platzierten Stein bestehen. Die damals erstellte Karte erweist sich aber durchaus als hilfreich, obwohl die Geometrie nicht massstäblich ist.

Nach einem erneuten Wechsel auf die rechte Seite, geht es bei einem auffälligen riesigen Felsblock abermals auf die linke Seite und gleich sehr steil bergan. Hier habe ich den Eindruck, dass der Weg vor 10 Jahren noch besser war. Mittlerweile ist das Trassee weit gehend zerfallen, teilweise abgerutscht und insgesamt schwierig zu passieren. Über eine noch vorhandene Steintreppe erreiche ich schliesslich einfacheres Gelände. Teilweise ist der Wald hier fast flach und die Gegend erscheint geradezu idyllisch. Das ist ein starker Kontrast zum bisher gesehenen rauen und unwirtlichen Charakter dieses Tales!

Auf Resten eines Pfades geht es anschliessend wieder ins Bachbett hinunter. Dieses ist im Übrigen in weiten Teilen trocken, da der Rio Nibbio oft unterirdisch verläuft. Aus diesem Grund ergab sich durch den Bergsturz auch nie die Gefahr einer Flutwelle, da das Wasser jederzeit abfliessen konnte. Auch das Wasser des Rio Cornera, welches rechterhand über eine hohe Felswand hinunterstürzt, verschwindet bald im lockeren Gestein.

Meinen Aufzeichnungen zufolge ist der Weiterweg weglos und schwierig. Wo genau man durchgehen soll, ist oft nicht klar, aber immer wieder treffe ich auf die mittlerweile bekannten «Steinmänner», die mir zeigen, richtig zu sein. Schliesslich ist sogar wieder eine Art Pfad zu erkennen, der der linken Talbegrenzung folgt. Er ist sogar recht deutlich, aber ungeheuer steil und mit Unmengen Grünzeugs überwuchert. Vor allem die Brombeerranken sind eine wahre Plage, aber hier erweist sich nun die gestern sicherheitshalber noch eingepackte Baumschere als Gold wert!

Direkt unterhalb der markanten Felsnadel «Ul Frà » erreiche ich wieder mal den Talgrund, wo der Bach für einmal oberirdisch verläuft. Das ist sehr gut, denn die Flasche ist schon bald leer – es ist fast so durstig wie im Hochsommer und auch das T-Shirt ist ebenso verschwitzt.

Inzwischen ist Mittag vorüber und der Hunger will gestillt sein. Anschliessend versuche ich, den gegenüberliegenden Steilhang zu erklimmen, der zum Fuss des Bergsturzgeländes führt. Das ist sehr mühsam, weil auch hier nur noch Stücke des Pfades vorhanden sind und der Boden mit feinem, rutschigen Geröll bedeckt ist. Gänzlich anders beschaffen sind dann die Steine weiter oben, dort wo die Trümmerhalde des Bergsturzes beginnt. Die Brocken sind meist riesig, was aber den Vorteil hat, dass die Sache stabil ist. Der Vergleich der Luftbilder von 2006 und 2012 auf dem italienischen Geoportal zeigt praktisch keine Veränderungen.

Laut alpi-ticinesi.ch soll es möglich sein, entlang der rechten Talbegrenzung den Bergsturz zu überklettern, um die Alpe Faera, die Balma della Vecchia und den einstigen Zustieg ins Val Cornera zu erreichen (letzerer ist auch hier beschrieben). Dazu ist heute aber keine Zeit mehr. Die Tage sind kurz und der Rückweg ist anspruchsvoll. Bald schon «geht die Sonne unter» und das Tal liegt wieder im Schatten. Ich komme aber gut voran und finde fast immer auf Anhieb den richtigen Durchgang. Schliesslich gelange ich zurück in die Ebene, wo die Sonne inzwischen auch verschwunden ist. Nach genau 6 Stunden erreiche ich, um viele neue Eindrücke reicher, wieder den Bahnhof von Cuzzago. Genauer – den «zweiten» Bahnhof, jener an der Linie nach Novara. Dort fährt pünktlich um 16:48 Uhr der Regionalzug ein, mit dem ich knapp eine halbe Stunde später in Domodossola eintreffe.

Ich hätte bald Anschluss an einen IR, lasse diesen aber ziehen und genehmige mir ein Feierabendbier in der «Bar Moderno» gleich beim Bahnhof. Dazu schreibe ich ein paar Karten, die ich zuvor bei «Grossi» gekauft habe. Auch für einen kleinen Einkauf im COOP reicht die Zeit noch, ehe um 18:48 der EuroCity aus Milano pünktlich einfährt. Platz hat es auch (wieder) genug, denn die EXPO ist ja vorbei! In Brig habe ich gleich Anschluss und in Bern auch und bin so bereits um 21:00 Uhr wieder zuhause.

Tourengänger: ABoehlen


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Kommentare (2)


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fuemm63 hat gesagt:
Gesendet am 12. November 2015 um 10:48
Wieder mal ein Bericht von ABoehlen, schön!

ABoehlen hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. November 2015 um 09:19
Merci :-) Dieses Jahr hatte ich zahlreiche andere «Baustellen», namentlich im Verein zu bearbeiten, wodurch das Berichteschreiben leider zu kurz gekommen ist. Gewandert bin ich auch vorwiegend in der Umgebung, mit Ausnahme einer Woche im Wallis, Umso mehr habe ich diesen Ferientag in Italien genossen :-)

Liebe Gruess
Adrian


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