Piz Cotschen 3046m und Piz Lischana 3105m ü.M.
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Herbstlich-winterlicher Abstecher im Unterengadin
Das Unterengadin oder das Engadin als ganzheitliche Bergregion, im übrigen eines der höchstgelegenen und insbesondere im Winter als eines der am kältesten geltenden Alpentäler des gesamten Alpenraums ist leider für uns Berner in jedem Fall mit einer langen Anreise verbunden. Aus diesem Grund sind Tagestouren ein Ding der Unmöglichkeit. Um so mehr ergibt sich aber dafür die Gelegenheit, die Region mit mindestens einer Übernachtung etwas intensiver zu besuchen und dadurch auch eine innigere Beziehung dazu aufzubauen. Als wir vor ein-Dreivierteljahren mit dem Fahrrad unsere 16-monatige Reise quer durch die Welt im Abschliessen begriffen waren, fuhren wir auf den letzten Tagen dieses unwahrscheinlich schönen Erlebnisses eben durch das Unterengadin. Die Berge waren gegeben durch die noch frühsaisonale Jahreszeit noch tief verschneit und es blies uns bereits ab Martina, dem schlichten und zusammen mit Mustair im Münstertal östlichsten Ort der Schweiz, der berüchtigte Engadiner Bergwind entgegen. Diese Erinnerung- übersät mit dem Ambiente der alpinen Landschaft des Engadins und der unglaublich schönen Architektur des Kuturlandes - blieb bei uns zweien in einem sehr positiven Lichte und brandmarkte sich in unser Gedächtnis, so dass bereits da der Wunsch entstand, das Engadin und seine wunderbare Bergwelt besser kennen zu lernen. Nun im Herbst, nach dem Sommer, in jenem wir unglaublich viele schöne Bergerlebnisse erleben durften, ergab sich für uns nun wieder einmal die Gelegenheit, das Engadin zu besuchen.
[10.10.2015] Wie bereits mit dem Hinweis auf eine lange Anreise erwähnt, erreichten wir nach einer fast 5-stündigen Bus- und Bahnfahrt Scuol-Tarasp etwas gerädert und gönnten uns am Abend nach der Ankunft ein entspannendes Bad mit Sauna im Engiadina. Die Wetteraussichten für den kommenden Sonntag standen zwar nicht perfekt, aber gut genug für den Piz Lischana zu erreichen. Hierfür planten wir aber nicht den Direktaufstieg von Scuol via San Jon und die Chamanna Lischana CAS, sondern die etwas wildere Route von der Südseite vom kleinen, gut versteckten Ort S-charl (S-Gkarl ausgesprochen).
[11.10.2015] Mit dem Postauto erreichten wir am Morgen danach eben diese kleine Ansammlung von Häusern zuhinterst im Val S-charl um etwas nach 09:20 Uhr und begutachteten den schön gelegenen, sehr abgelegenen Ort. Die Umgebung ist gerade im Herbst eine Augenweide. Die Bäume, vorwiegend Nadelbäume, leuchteten in unvergleichbarem Gelb, gemischt mit einigen Restnebelfelder und teils sonnendurchtränkten Hängen, inspirierte uns die Stimmung, an diesem Tag einen für uns neuen Weg zu gehen. Die gelbliche Färbung natürlich verursacht durch die Lärchen, eine der wenigen Nadelbäume, die ihr Herbstkleid gelb färbt und durch den Winter wie die Laubbäume in Europa ihre Blätter (Nadeln) verliert. Wir zogen nach einigen Minuten des Staunens dem kleinen Fluss namens Aua Sesvenna entlang in Richtung Alp Sesvenna. Die Wiesen bei der Alp Sesvanna sind karg, die intensive Bewirtschaftung durch Nutztiere ist gut ersichtlich. Es dürften vor allem die Schafe gewesen sein, die mittels ihrem stark frontlastigen Gebiss ihre Arbeit in üblicherweise auf dieser Höhe nicht sehr hoch wachsendem Gras bis fast auf die Wurzel getan haben.
Nach der Alp zweigen zwei Wege Richtung Norden (und Osten) ab. Ein Weg führt ins Val Sesvenna und auf der Normalroute via Vadret da Sesvenna zum Piz Sesvenna und der andere, leicht nördlich davon und in ebendiese Richtung relativ steil hoch in die Fora da l'Aua, was soviel bedeutet wie Wasserlücke, also einem der Quellgebiete des talgründigen Flusses Aua Sesvenna. Beim Hochstiegen auf die Fora da l'Aua wurde uns bei der nähren Betrachtung doch bewusst, dass dies ein Gletschervorfeld gewesen sein muss. Wir begutachteten einen Durchflug eines riesigen Bartgeiers. Zur gleichen Zeit betrachteten uns von der anderen Seite zwei Steinböcke argwöhnisch von einem Felssporn. Nach gut. 2 Stunden erreichten wir nämlich die Lücke, die zwar auf den Landkarten keinen offiziellen Namen trägt. Sie befindet sich zwischen zwei über 3000m hoch ragenden Gipfeln, nämlich jenen des Piz Cotschen im Westen der Lücke und jenem des Piz d'Immex im Osten derselben.
Weil wir schon reichlich hoch waren, entschieden wir uns spontan auf den mässig steilen Schneefelder direkt von der Lücke auf den Piz Cotschen zu steigen. Cotschen bedeutet unter anderem Rot, weswegen es zu deutsch wohl ein Rothorn ist. Unterwegs hörten wir das sonderbare Rufen der Schneehühner und siehe da, eine ganze Truppe der herbstlich gefärbten Schneehühner präsentierten sich auf einem fesligen Vorsprung. Bei unserer Ankunft und Begutachtung der etwa 20m distanzierten Gruppe wurden die Rufe lauter. Ihr herbstliches Kleid präsentiert sich zur Zeit aus einer sonderbaren Mischung zwischen braun-schwarzen Punkten und dem bereits dominanten Winterkleid, dass sich nach vollkommener Umwandlung dann nur noch schwer von der Farbe des Schnees unterscheiden lässt. Nach ein paar Minuten flogen sie als Gruppe davon, wir im Wissen darum, dass wir als Störfaktor ihre Ruhe unterbrochen hatten.
Ein paar Minuten widerfuhr uns den durch den kalten Wind geprägten Gipfelaufenthalt des Piz Cotschen auf 3046m über Meer. Von hier lässt sich die mondähnliche Hochebene ziemlich genau überblicken. Hingegen sehen wir den Piz Lischana, unser Tagesziel noch nicht. Die Hochebene ist geprägt durch einige kleine und kleinste Seen (Rumantsch=Lais) und ist bereits fast durchwegs mit Schnee bedeckt. Bis ins 20. Jahrhundert bedeckte der Vadret Lischana einen Teil der Hochebene, heute kann man hier keinen Gletscher mehr ausmachen - Hinweise auf die fossile Gletscherlandschaft gibt es trotzdem einige. Beispielsweise wäre die Seen kaum Teil dieser Landschaft, wäre da nicht einmal ein Gletscher gewesen. Die Seen sind rezente Gletscherseen, deren Lebenslänge wohl durch das Abschmelzen des Gletschers auch begrenzt ist, insbsondere dadurch, dass sie nun vorwiegend nur noch durch die Schneeschmelze und den Niederschlag gespeist werden. Vom Piz Cotschen sticht vor allem der Lajet da Lischana ins Auge, ein tief blauer, für das Auge undurchdringbarer See (Lajet = Lache/Seelein). Gegeben durch die winterliche Prägung der Landschaft, durch die Farben grau-schwarz des Gesteins, weiss des Schnees wegen und des tiefblauen Sees, eine absolute Augenweide.
Nach einigen Minuten des Ausharrens auf dem kalten Gipfel, aber auch des Genusses der Aussicht nach Norden, stiegen wir in de Senke zwischen Cotschen und Piz da l'Aua ab und bedienten uns der wenigen Wegspuren, die uns auf die relativ offene Fuorcla da Rims (2945m) führte. Von da aus erreichten wir über Schutt den Vorgipfel des Piz Lischana und sahen auf den etwa 900m langen, total winterlichen Grat zum rötlichen Gipfelaufbau des Piz Lischana. Der Grat sah mit dieser Schneebedeckung gar nicht so leicht aus, doch wie so oft ist die Ferne nicht Realität genug um eine Schwierigkeit effektiv beurteilen zu können. In diesem Sinne "probieren geht über studieren".

Der Herbst im Hochtal Unterengadin ist meiner Wahrnehmung nach sehr verschieden und lädt insbesondere in dieser Jahreszeit zu vergnüglichen Wanderungen in allen alpinen Schwierigkeitsgraden ein. Die Landschaften sind weitgehend unberührt, verlässt man die tieferen und prominenteren Wanderrouten. Insebsondere fielen das herbstliche Farbspiel der Wälder, Nebel, Schnee und die fantastisch blauen Seen ins Auge. Neben der farbigen Flora ist aber auch einiges an Fauna geboten! Engadin, wir kommen wieder!
Wegpunkte und Wegzeiten (ohne Pausen):
S-charl - Fora da l'Aua: 2h, 1200Hm, 5Km
Fora da l'Aua - Piz Cotschen: 0.3h, 200Hm, 1Km
Piz Cotschen - Piz Lischana: 1.5h, 4Km, 200Hm runter, 350Hm rauf
Piz Lischana via Chamanna Lischana - San Jon: 2.5h 1650Hm runter
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