Fibbia (2738m) - Ein Steinhaufen par Excellence


Publiziert von Chrichen , 17. Oktober 2015 um 21:48.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:29 September 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Pizzo Lucendro   Gruppo Pizzo Centrale 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 670 m
Abstieg: 670 m
Strecke:ca. 7.5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Zug bis Airolo / Postauto bis Gotthard, Passhöhe
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem ÖV: Postauto ab Gotthard, Passhöhe bis Andermatt / Weiter mit dem Zug via Göschenen

Der Blockstein verlangt viel Liebe und Hingabe, besonders wenn er noch mit ein wenig Weiss überzuckert ist. Dazu ein bisschen Nebel und Einsamkeit - und schon befindet sich der Wanderer in einer ganz anderen Welt!

Den Fehler von der letzten Wanderung (ein ganzer Tag 200-300m unter der Nebelgrenze) wollte ich nicht wiederholen. Deshalb suchte ich mir ein Ziel in grösserer Höhenlage aus, das sich nicht in den nördlichen Voralpen befindet. Natürlich landete ich wieder in den Wolken :-)

Der Fibbia befindet sich oberhalb des Gottharpasses und ist zugleich Hausberg von Airolo. Im SAC Führer Alpinwandern/Gipfelziele Gotthard steht, dass der Gipfel seine Besucher begrüsst "mit einem angejahrten Niederschlagsmessgerät und einer von Blitzen arg gebeutelten Gamelle mit aufgeweichtem Gipfelbuch". Ein solches Prachtstück von Berg muss natürlich erwandert werden! Das Menu der Schwierigkeiten lässt sich dabei von T3 bis T5, II beliebig nach eigenem Gusto zusammenstellen. Vom Blockstein mit Schnee erhoffte ich mir ausserdem, dass meine schmutzigen Schuhe wieder sauber werden würden - was tatsächlich funktionierte!

Ich starte um 10:30 Uhr bei Nebel und Wolken auf dem Gotthardpass. Nur einmal für wenige Sekunden lässt sich der Gipfel mit dem markanten Regenmesser erblicken, bevor er wieder im Weiss verschwindet. Ich frage mich, ob das weglose Gipfelziel bei diesen Bedingungen überhaupt sinnvoll zu erreichen ist. Trotz tiefer Motivation entscheide ich mich, vorerst einmal loszumarschieren.

Nach Überqueren der grossen Strassenkreuzung gehe ich weglos durch die Wiese links an der dünnen Antenne vorbei dem Ri della Valletta entgegen. Ein Stück weit laufe ich etwas oberhalb des Bächleins auf dessen rechten Seite weiter, bis es sich auf einer Höhe von ca. 2160m einfach auf Wegspuren überqueren lässt. Schon bald bin ich verzaubert von der Stimmung, die diese wilde Landschaft mit herbstlichen Farbtönen im Nebel ausstrahlt. Zahlreiche Wassertropfen zieren das Grün, und es zeigen sich schon erste Schneereste.

Im Führer steht, dass nun zwei markante Flusstäler zu erkennen sind, die in Richtung Fibbia hinaufführen, und dass das rechte davon zu wählen ist. Ich sehe im Nebel gar nichts und schaue auf meinem GPS zunächst einmal, in welcher Richtung sich der Gipfel denn überhaupt befindet. Das stimmt recht gut überein mit einem kleinen Einschnitt, den ich vor mir habe. Also gehe ich eher rechts haltend dort hinauf. Die bewachsene Rinne strahlt eine wunderbare Atmosphäre aus, und die fehlende Sicht stört mich plötzlich überhaupt nicht mehr. Statt der Landschaft im Grossen nehme ich unzählige spannende Details im Kleinen wahr. Laut GPS laufe ich in direkter Linie dem Gipfel entgegen. In raren Momenten erhöht sich die Sichtweite etwas, manchmal sehe ich sogar hinunter zum Gotthardpass. Ab und zu zeigen einige aufeinandergeschichtete Steine an, dass hier auch andere Leute bereits durchgegangen waren. Ich verspüre kein Bisschen von Eile, denn die Wettersituation sollte sich laut Prognose auf den Nachmittag hin eher bessern.

Nach einem Weilchen erreiche ich kleines Tal, das eher rechts hinaufführt, und in dem ein Rinnsal fliesst. Rechts davon zeigen sich grössere Felsen. Das kann so falsch nicht sein! Nach einer gemütlichen Pause gehe ich dem Wasserlauf entlang weiter. Ganz zu unterst verläuft das Wasser in den blockigen Steinen und ist nur zu hören. Erst ein Blick zwischen die Steine lässt fliessendes Wasser erkennen. Ich laufe ein Stück weit quasi direkt im Wasserlauf, bis sich die Wege durch Felsbrocken getrennt in zwei undeutliche Tälchen scheiden. Mein GPS sagt mir, dass das linke vermutlich richtig sein sollte, da es schnurstraks zum Gipfel führt. Also steige ich in diesem weiter auf, wobei ich dessen Mitte nach einem Weilchen verlasse und rechtsseitig über Geröll weitergehe. Bis hier ist alles T3, und in diesem Stil kann man auch weitergehen. Die grossen Felsen weiter auf der rechten Seite sehen für mich wenig einladend aus. Hier könnte man einige T5-Einlagen mit Klettern im II. Grad oder mehr einbauen, völlig optional.

Ich kraxle die Felsen nur ein wenig an, um zu schauen, wie es sich anfühlt, dann klettere ich wieder zurück. Über eine steile von Felsplatten begrenzte Grasrinne gehe ich schliesslich doch noch auf den felsigen Rücken hinauf. Es wartet etwas schwierigeres aber interessentes Gelände mit grossen geneigten Felsplatten. Diese sind teilweise schneebedeckt oder vereist. Über den Rücken gehe ich nun weiter in Richtung Gipfel. Ab und zu geben die Wolken sogar die Sicht auf den mittlerweile recht nahen Regenmesstrichter frei. Zuerst habe ich einige Bedenken, dass der Rücken gegen den Gipfel hin wieder steil abfallen könnte. Dem ist aber nicht so. Fast flach mit nur geringem Höhenverlust führt er in den blockigen Gipfelhang über, wobei sich bis dahin das eine oder andere Hindernis in den Weg stellt. Mittlerweile ist die Schneedecke an flachen Stellen geschlossen und ich treffe sogar auf einige Fusspuren.

Der Gipfelhang besteht im wesentlichen aus grobem Blockstein. Gegen links hin sind die Blöcke besonders wuchtig. Auf der Suche nach minimaler Effizienz und maximalem Erlebnis quere ich hinüber zu den grossen Brocken und schaue, ob ich einen einfachen Weg finde. Die riesigen Felsbrocken meide ich natürlich, da sie für mich wohl unüberwindbar wären. Was folgt, ist eine Ode an den Blockstein. Vorbei an teils recht tiefen Löchern und Spalten, über schmale senkrechte Platten und grössere Brocken geht es im Zeitlupentempo vorwärts. Ab und zu ist ein wenig Backtracking gefragt, aber insgesamt geht es ganz gut voran und macht Spass. Wegen dem Schnee muss manchmal ertastet werden, ob man gerade auf einen schönen Stein steht oder ins Leere tritt. Wo möglich bewege ich mich über Steine, die aus dem Schnee herausschauen. So erreiche ich nach einem Weilchen den Gipfel - wieder im Nebel. Voller Freude begutachte ich den maroden Regenmesser und die besagte Gipfelbuchgamelle. Die beiden haben wohl tatsächlich schon viel erlebt!

Ich warte ein wenig auf Wetterbesserung. Bisweilen eröffnet sich zeitweise der Blick in den Uri und zum Gotthardpass. Das Panorama auf die Tessiner Seite bleibt mir verwehrt. Nur in wenigen Augenblicken sieht man wenigstens etwas, meistens aber ist es nur grau. Für einen kurzen Moment kann ich Airolo erkennen. So mache ich mich halt ohne in den Genuss der Tessiner Aussicht zu kommen an den Abstieg über den Nordwesthang in etwas weniger grobem Blockstein. Ziel sind die namenlosen Seen unterhalb des Pizzo della Valletta bei P.2387. Das Gelände ist auch im Abstieg anstrengend, und man muss sich den idealen Weg ein wenig suchen. Der Schnee ist mittlerweile nass geworden. Weiter rechts gibt es einige steile Felsplatten, weshalb ich mich eher links halte. Ich peile zunächst ein grösseres flaches Schneefeld an, das sich später als gut begehbares kompaktes Eis mit Schneeauflage erweisen sollte - wohl der winzige Überbleibsel eines Gletschers. Kurz darauf erreiche ich ein zweites solches Eisfeld. Danach geht es nochmals wenige Minuten mühsam bergab durch die Steinwüste, bis ich endlich bei den wunderschönen Seelein angelange. Eine Idylle für sich!

Das erste teilweise gefrohrene Seelein umgehe ich links, das zweite langgezogene rechts auf einer Rippe und das letzte direkt an dessen rechtem Ufer. Dabei mache ich viele Fotos. Weiter geht es wenige Meter dem abfliessenden Bächlein entlang zu einem Kanal, den ich überspringe. Ein Wasserschieber entscheidet hier in welches Meer das Wasser fliessen soll. Direkt nach dem kurzen Kanal halte ich leicht rechts und finde Wegspuren, die mich zu einem letzten kleinen Seelein und schlussendlich linksseitig am Lago di San Carlo vorbei zurück zum Pass führen. Es kann auch weglos gegangen werden.

Trotz (oder gerade wegen) des nicht optimalen Wetters ein wunderbares wildromatisches Erlebnis. Die Schwierigkeit für meine Route schätze ich auf T4, wobei wie erwähnt T3-Varianten gut möglich sind - ja sich von der Linienführung her geradezu aufdrängen. Meine tatsächliche Zeit war länger als 5 Stunden, aber ich war äusserst gemütlich unterwegs.

Tourengänger: Chrichen


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