Auf den Spuren von Schmugglern und Steinmetzen


Publiziert von Zaza , 12. August 2013 um 18:46.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Misox
Tour Datum:10 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Balniscio-Forcola   CH-GR   I 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 1000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus nach Mesocco (gute Verbindung z.B. mit dem reservationspflichtigen Schnellkurs, Bellinzona ab um 9.40 Uhr)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Splügenpass-Bus von Isola nach Splügen (Zuschlagspflichtig)
Unterkunftmöglichkeiten:Man kann sehr spartanisch auf der Alp de Montagnia nächtigen (P. 2032), eher ein Unterstand. Bivacco Ca Bianca, in ordentlichem Zustand. Wasserversorgung kann gegen Ende Saison problematisch sein.
Kartennummer:1274, 1275

Bis in die 1960er Jahre wurde im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Italien intensiver Warenschmuggel betrieben. Weil die Zoll- und Steueransätze in Italien meist höher waren als in der Schweiz, ging der Schmuggel meist in eine Richtung und der Einnahmenverlust war vor allem für Italien spürbar. Entsprechend bekämpfte die Italienische Grenzwacht den Schmuggel nach Kräften, während die Schweizer Behörden sich eine pragmatische Haltung leisten und von „Export II“ sprechen konnten.
 
Die Arbeit der Schmuggler war finanziell sehr lukrativ, aber riskant und unglaublich hart. Die sperrigen Waren wurden in Ladungen von rund 30 kg verpackt und in unbequemen Kraxen über die steilen Grenzkämme getragen - weit entfernt von Ultralight Bakpacking! Dies geschah meist auf den weniger gebräuchlichen Wegen und oft auch im Winter. In den Italienischen Grenzgebieten gehört die Erinnerung an diese Zeiten zur lokalen Folklore und noch heute kann man in Orten wie Starleggia oder Campodolcino ältere Herren in den Wirtschaften treffen, die gerne davon berichten. Wer mehr wissen möchte, kann zum Beispiel zum schönen Buch „Contrabbandieri“ von Ermino Ferrari greifen oder, bequemer, diese Radiosendung anhören.

Im Misox wurden die naheliegenderen und bequemeren Übergänge wie etwa die Forcola oder der Passo San Jorio eher im Winter begangen. Im Sommer zogen die Schmuggler ruppigere Routen vor wie zum Beispiel den Pass de Barna. Diesen interessanten Übergang möchte ich an diesem prächtigen Spätsommertag wieder einmal begehen und dabei noch einen Abstecher zum Piz de Montagnia einbauen.
 
Von Mesocco folge ich zunächst der markierten Route zum Pass de la Sancia bis nach Stabi. Dieses Maiensäss kann auch mit dem Auto erreicht werden, aber erfreulicherweise wurde in den letzten Jahren der alte Fussweg wieder hergerichtet und markiert, so dass man nur kurze Abschnitte auf der Fahrstrasse zurücklegen muss. Von Stabi geht es in Kürze über Gratela zur Alp de Barna, die noch mit Grossvieh bestossen wird (aber offenbar ohne festen Hirten...hoffentlich lesen hier keine Wölfe mit). Auf dieser schönen Ebene angekommen gibt es drei Optionen, wie man den Grenzgrat erreichen kann. Am einfachsten ist sicherlich die markierte Route zum Pass de la Sancia. Zwischen den beiden möglichen Routen zum Pass de Barna, die ich vor Jahren schon mal begangen hatte, ist die Wahl nicht einfach – beide sind unterhalb von 2000 m ziemlich verbuscht. Da es eine neue weiss-blaue Markierung hat, wähle ich heute mal die obere Variante, via Alp de Montagnia (Verlauf der unteren Variante vgl. Pdf mit dem Bild der alten Siegfried-Karte. Es finden sich alte Markierungen). Trotz der neuen Markierung ist der Weg unbequem, denn es gibt keinen Wegunterhalt und offenbar werden auf diese Hänge auch keine Schafe mehr getrieben. So sind die Markierungen nach kurzer Zeit verloren und ich wühle mich durch teilweise brusthohes Gebüsch hinauf, bis ich zur kleinen Ebene mit dem Hüttchen (P. 2032) komme. Abgesehen von einer kurzen Stelle, in der es im Kraut auch Brennesseln hat, ist die Sache aber noch einigermassen erträglich. Hier komme ich wieder zur Markierung, die etwas weiter links (westlich) verläuft.

Nach einen weiteren steilen und weglosen Anstieg bis auf etwa 2200 m folgt eine schöne und leicht ansteigende Querung und hier ist nun auch ein schmales Weglein vorhanden. Nach der Querung des schönen Baches, der vom Monte Bardan herunter kommt, bieten sich zwei Optionen an. Die markierte Route quert leicht absteigend, um dann in der Nähe von P. 2317 in das Tälchen zu kommen, das zum Pass führt. Ich wähle die obere Variante, eine Wegspur, die leicht ansteigend quert, um etwa 100 hm unter dem Pass ins Tälchen zu kommen. Zuletzt ist der Hang durch ein Schneefeld versperrt. Der steile und harte Schnee ist ohne Steigeisen etwas heikel, so kraxle ich durch den Spalt zwischen Schnee und Fels aufwärts und schon ist der Blick frei in die herrlichen Berge des Valchiavenna und bis hinüber zu den Bergeller Gipfeln.

Leider ist es etwas windig hier oben und nach den vielen Wochen des heissen Wetters habe ich mich inzwischen daran gewöhnt, nur wenig warme Kleider mitzunehmen. Kein langer Aufenthalt auf dem Pass also - trotzdem staune ich zunächst über die zahlreichen Routen, welche das Team vom GPS delle Cime markiert hat - nebst dem Aufstieg zum Pass de Barna auch die Verbindung zum Passo de la Sancia, zum Bivacco Ca Bianca und der Weiterweg zum Passo de Balniscio. Alles offenbar mit dem Fernziel, einen Höhenweg über diese Kette zu markieren.

Ich folge also mal der CH-seitigen Querung zum Pass de la Sancia bis zum Gemäuer des einstigen Steinbruches - hier oben wurden bis vor ein paar Jahrzehnten Steinplatten abgebaut, vermutlich vor allem zur Verwendung als Dachplatten. Der Transport nach Mesocco erfolgte mit einer Materialseilbahn, die bis in die 1930er Jahre existierte (Eine analoge, länger betriebene Abbauzone gab es früher auf der anderen Seite des Grates, dort wurde aus dem Gebäude der Steinmetze das Bivacco Ca Bianca hergestellt. Auf Karten aus den 1970er Jahren ist auch noch die dazu gehörende Materialseilbahn nach San Sisto zu sehen). Von hier steige ich direkt zum Grat hoch und folge ihm dann ohne Schwierigkeiten zum Gipfel des Piz de Montagnia, der von Italien her auch als schöne Skitour bekannt ist.

Auch hier vertreibt mich der Nordwind bald wieder und ich mache eine Pause im nahe gelegenen Bivacco Ca Bianca. Danach folge ich der Markierung zurück zum Pass de Barna und schlage die Richtung zum Lago Bianco ein. Die Querung ist sporadisch markiert, es hat aber auch eine Anzahl von Steinmännchen. Nun gehe ich hinunter zur weiten Ebene des Piano dei Cavalli, auf dem eine Vielzahl von Siedlungsspuren aus der Steinzeit freigelegt wurden. Der Wegverlauf ist hier nicht sehr eindeutig, aber das Gelände ist wenig problematisch. Ich halte am Ende des flachen Abschnittes nach links und komme dann auf einen Pfad, der zur Alpe Frandoglio hinunter führt. Bis hier (und sogar noch etwas weiter) darf und kann man mit dem Auto fahren. Ich treffe einen Mann, der mit seiner Tochter dran ist, die reiche Ernte an Heidelbeeren ins Auto zu verladen, komme mit ihnen ins Gespräch und sie bieten mir gleich an, mit ihnen nach Isola zu fahren. Sehr erfreulich - so bleibt genügend Zeit, um in der Locanda del Cardinello Gelato zu schlecken und Cappuccino zu schlürfen, bevor der Bus kommt, der mich über den Splügenpass hinunter nach Splügen fährt.
 


Tourengänger: Zaza
Communities: Ticino Selvaggio


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