Freuden und Leiden am Heuwberg (2592 m)


Publiziert von Fico , 7. August 2013 um 19:26.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 2 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-UR 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 600 m
Abstieg: 600 m
Strecke:Sustenpass Hospiz-Heuwberghalden (2484 m)-Heuwberg (2592 m)-Sustenpass Hospiz
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Göschenen (oder Wassen), bzw. Meiringen, Postauto bis Susten Passhöhe
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Göschenen (oder Wassen), bzw. Meiringen, Postauto bis Susten Passhöhe
Unterkunftmöglichkeiten:Berggasthaus Sustenpass Hospiz, www.sustenpass-hospiz.ch/
Kartennummer:1211 (Meiental)

Besondere Beliebtheit, gemessen an der Anzahl Hikr-Berichte, scheint der Heuwberg bei den Alpinwanderern nicht zu geniessen. Vorhanden sind lediglich zwei Beschreibungen: eine aus dem Jahr 2008, die andere von 2011. Dabei sieht der dreistündige Rundgang verlockend aus: Vom Sustenpass her sind es, mit allen Auf- und Abstiegen auf dem Grat, keine 600 Höhenmeter und man steht auf fast 2600 m Höhe, auf einem Gipfel, der eine prächtige Rundsicht verheisst. Ausserdem vermittelt die offizielle, weiss-blau-weisse Markierung ein (falsches?) Gefühl von Sicherheit: Folgt man immer schön den Markierungen, kann man sich weder versteigen noch kommt man durch unwegsames Gelände – dachte ich. Die Schwierigkeiten sind im einen Bericht mit T4/I und im andern mit T3/II angegeben, also nichts, was den Rahmen meiner bisherigen Touren sprengen würde. Der schmalen und rutschigen Schutthalde auf dem Abstieg, die in beiden Tourenberichten erwähnt wird, mass ich keine allzu grosse Bedeutung bei.
 
In der Morgensonne steige ich vom Sustenpass Hospiz auf gutem Pfad zwischen den Schrofen hinauf. Von Osten weht ein frischer Wind, der Himmel ist wolkenlos. Der Tag verspricht wunderschön zu werden. Schon bald trennen sich die Wege: Rechts geht es Richtung Guferjoch und Sustlihütte, auf dem Wegweiser in die andern Richtung steht, eingeritzt in einem verwitterten Holzbrett: „Rundgang 3 Std. Heuberg 2592 m“. Die Abzweigung befindet sich auf rund 2340 m Höhe, bis zum ersten Gipfelziel, der Heuwberghalde (2484 m), braucht man noch etwa eine halbe Stunde. Bis dorthin schlängelt sich ein guter Bergweg hinauf, der keinerlei Schwierigkeiten bietet (T2-T3). In Kürze wird das anders sein: Von Weitem sieht man bereits die weiss-blau-weisse Markierung, die sich an einem Felszacken auf dem luftigen Grat befindet.
 
Ein grosses Steinmannli ziert diesen ersten Gipfel, den südlichsten und niedrigsten der ganzen Heuwbergkette. Die Rundsicht ist grossartig: In unmittelbarer Nähe, am Ende des Grates, erhebt sich der breite Rücken des Heuwberg (2592 m), zu Füssen liegt die Passstrasse mit dem Hotel Steingletscher und dem Steinsee, von blossem Auge ist die Tierberglihütte zu erkennen, dahinter der Vordere und Mittlere Tierberg, das Gwächtenhorn und noch unzählige weitere Gipfel, deren Silhouette sich deutlich vom wolkenlosen, tiefblauen Himmel abhebt.
 
Der Weiterweg auf dem Grat ist nicht nur ausgesetzt, er ist stellenweise auch ziemlich heikel. Das Gestein in diesem abschüssigen Gelände ist brüchig, was sich besonders unangenehm bemerkbar macht, sobald man zum Weiterkommen die Hände braucht. Jeder zweite Stein, an dem ich mich festhalten will, ist locker. Ausserdem ist die Wegführung nicht immer klar ersichtlich. An einer Stelle komme ich an meine Grenzen: Bleibe ich direkt auf dem Grat, muss ich über einen griffarmen Felskopf klettern. Das kann wohl kaum die offizielle Route sein. Mühsam und mit mulmigem Gefühl steige ich in dem lockeren Gestein ein paar Meter hinab. Auch dort sehe ich keine Wegspur, die weiterführt, so dass ich wieder beim Felskopf lande. Nach einer weiteren Runde entdecke ich endlich einen kleinen Durchstieg. Eine zusätzliche Markierung an dieser Stelle – für mich eindeutig die Schlüsselstelle – wäre wirklich kein Luxus!
 
Vielleicht liegt es an mir, vielleicht bin ich verwöhnt. Im Alpstein beispielsweise, in der Nasenlöcher-Route, hat es bei jeder heiklen Stelle Drahtsteile und Eisenstifte als Aufstiegshilfen, und die luftige Querung in der Chammhaldenroute (die ja nicht als offiziell markierte Route gilt, da zu gefährlich!) habe ich als weit harmloser in Erinnerung. Aber bitte, jede und jeder möge selbst urteilen! Sei es anhand der Fotos, sei es an Ort und Stelle.
 
Der weitere Gratverlauf ist einfacher zu bewältigen, auch wenn Konzentration und nervliche Anspannung hoch bleiben. Gleichwohl erfreue ich mich immer wieder an den wunderschönen Ausblicken zwischen den schroffen Felsen hindurch oder an den Blumen, die aus dem kargen Gelände spriessen. Die letzten hundert Höhenmeter auf dem begrasten Rücken sind dann vergleichsweise ein lockerer Spaziergang. Um 11 Uhr stehe ich auf dem Gipfel des Heuwberg (2592 m). 2 ½ Stunden habe ich dafür gebraucht, einschliesslich aller Fotopausen und Irrläufer. Ein grosses Steinmannli markiert den höchsten Punkt. Zwei Holzleisten zwischen den Steinen erinnern an ein vergangenes Gipfelkreuz. Die Rundsicht hier oben ist noch schöner als auf dem ersten Gipfel. Was meine Stimmung etwas trübt, ist einzig der Gedanke an den bevorstehenden Abstieg, an die rutschige Schuttrinne, die mir wieder in den Sinn kommt.
 
Nach der Mittagsrast wage ich mich an den Abstieg. Die ersten dreissig Meter bis auf den Sattel bestehen aus einer Kraxelei, die Konzentration erfordert, aber ohne grössere Schwierigkeiten zu bewältigen ist. Dann folgt die erwähnt Schuttrinne, die im unteren Teil mit Schnee gefüllt ist. Solange es geht, klammere ich mich an die Felsen und steige auf diese Weise einigermassen sicher und ohne Rutschpartie hinab. Am Ende der Felsen ziehe ich den Schnee dem Schutt vor. Dies obwohl der Schnee – da ich überhaupt kein Wintersportler bin – nicht unbedingt mein Element ist. Nach wenigen Metern kommt, was zu erwarten war: Ich rutsche aus und lande auf dem Hosenboden. Die restlichen fünfzig Meter erledigt die Schwerkraft: Weder meine unfreiwillige Abfahrt zu steuern noch bedeutend abzubremsen, bin ich in der Lage. Mit andern Worten lande ich im Nu dort, wo auch all die kleineren und grösseren Steine liegen, die irgendwann auf den Schnee gefallen und dann ebenfalls der Schwerkraft gefolgt sind. An meinen Unterarmen, mit denen ich ein wenig zu lenken und zu bremsen versuche, hinterlassen sie ihre Spuren.
 
Mit durchnässten Hosen rapple ich mich wieder auf. Es ist, als hätte mich der Berg ausgespuckt, als hätte er mich nicht länger in seinem Revier haben wollen. Inzwischen bin ich auf dem Weg angelangt, der vom Guferjoch herkommt und der immer wieder über Schneefelder führt, die auch jetzt, anfangs August, nicht schmelzen wollen. Eine halbe Stunde später erreiche ich wieder meine Unterkunft auf dem Sustenpass Hospiz und bin sehr erleichtert, dass mein Rundgang über den Heuwberg insgesamt doch ein gutes Ende gefunden hat.

Tourengänger: Fico
Communities: Alleingänge/Solo


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Kommentare (2)


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Gelöschter Kommentar

Fico hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. August 2013 um 20:09
Hi Mark

Ja, der Oberheuberg wäre auch für mich definitiv eine Nummer zu gross gewesen. Besser gefallen hat mir der Bockberg (2572 m) auf der gegenüberliegenden Seite, wo ich dann am späteren Nachmittag war (Bericht folgt).

Herzlich, Rainer


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