Unbekannter Bockberg (2572 m)


Publiziert von Fico , 8. August 2013 um 23:08.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 2 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 320 m
Abstieg: 320 m
Kartennummer:1211 (Meiental)

Würde nicht auf der Landeskarte zwischen P. 2344 und P. 2572 breit „Bockberg“ stehen, würde man das Massiv westlich des Chalchtals wohl eher als Teil des Sustenspitz (auf der Dufourkarte hiess der Sustenspitz übrigens noch Bockberg!) denn als eigenständigen Berg betrachten, als langgezogenen, zuerst nord-südwärts verlaufenden Grat, der dann in den NE-Grat des Sustenspitz übergeht. Von der Urner Seite des Sustenpasses aus gesehen bildet der Bockberg eine formschöne Pyramide, die gegen Nordosten, Osten und Südosten steil abfällt, während die nach Nordwesten gerichtete Flanke verhältnismässig flach ist. Nach Südwesten steigt der Grat weiter an und endet schliesslich auf dem Sustenspitz (2931 m), in dessen Schatten buchstäblich der Bockberg steht. Man könnte ihn daher auch als kleinen Bruder des Sustenspitz bezeichnen, als Tourenziel für solche, die – wie ich – sich den 400 m höheren Gipfel (noch) nicht zutrauen. Einsamkeit ist jedenfalls an beiden Orten garantiert. Vom Sustenspitz gibt es bis jetzt erst einen einzigen hikr-Bericht: eine „Hikr Erstbesteigung“ vom September 2008. Hätte jene Tour, von der ich mich habe inspirieren lassen, nicht ebenfalls über den Bockberg geführt, könnte auch ich nun über eine „Hikr Erstbesteigung“ berichten.
 
Eigentlich wollte ich nach meinem Heuberg-Abenteuer bloss noch einmal den Steinkreis mit seinem gnomenhaften Steinmannli besuchen. Jener Ort der Stille und Harmonie, den ich am Abend vorher entdeckt hatte. Nachdem der Heuberg mich beim Abstieg gewissermassen ausgespuckt und fortgejagt hatte, hatte ich das Bedürfnis, an einem ruhigen und beschaulichen Ort neue Kraft zu sammeln.
 
Am späteren Nachmittag, nachdem ich mich in meinem Zimmer im Berggasthaus Sustenpass Hospiz ein wenig augeruht habe, mache ich mich auf den Weg. Eine unmarkierte, jedoch deutliche Spur führt - zuerst auf der linken, dann auf der rechten Seite des Baches (in Flussrichtung gesehen) - hinauf zum Bergsee beim P. 2295, wo sich eine Wasserfassung befindet. Der kleine See ist wunderschön gelegen und vom Hospiz aus in kaum zehn Minuten erreichbar. Dennoch hält sich hier kein Mensch auf, alle sitzen unten auf der Terrasse des Restaurants.
 
Der Steinkreis liegt fast genau 100 m höher, in südöstlicher Richtung. Man könnte nun direkt über Schrofen hinaufkraxeln. Etwas bequemer und weniger abenteuerlich ist es, weiterhin den Wegspuren zu folgen, die zuerst in südlicher Richtung sanft ansteigen und dann einen ziemlich weiten Bogen nach Westen machen. Dabei hat man einen schönen Blick auf die anderen beiden kleinen Seen. Die Wegspuren enden vor einem grösseren Schneefeld, das ostwärts überquert werden muss. Die Hangneigung ist so gering, dass selbst ich mich mit gutem Gefühl darüber wage. Nun befindet man sich nur noch eine Geländestufe unterhalb des Steinkreises. Über auffallend glatt geschliffene Felsen erreicht man die nächsthöhere, flache Rinne. Offensichtlich hat hier in vergangenen Zeiten eine zusammenhängende Gletscherdecke gewirkt, von der inzwischen weiter oben nur noch kümmerliche Firnresten vorhanden sind.
 
Beim Steinkreis angekommen, lasse ich mich nieder und geniesse die Ruhe und Kraft, die er ausstrahlt. Ursprünglich hätte ich den ganzen Rest des Nachmittags hier verbringen wollen. Doch dann packt mich erneut die Abenteuerlust. Ich will wissen, wie es weitergeht, wie weit ich noch hinaufkomme, bevor die Schwierigkeiten anfangen. Der Weiterweg ist nun nicht mehr auf den ersten Blick ersichtlich, die Wegspuren sind undeutlich und unterbrochen. In südlicher Richtung hinaufkraxeln oder, vom Steinkreis aus gesehen, auf der gleichen Seite des kleinen Bächleins bleiben?
 
Anfänglich versuche ich die erste Variante, kehre aber schnell wieder um, da ich das Gefühl habe, dass es dort eher nicht weitergeht. Zu meiner Freude taucht weiter oben in der ostwärts verlaufenden, flachen Rinne die Wegspur wieder auf, und zwar auf einmal recht deutlich ausgeprägt. Ihr folge ich, bis verschiedene Steinmannli den weiteren Weg weisen. Oft gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man zum nächsten Steinmannli gelangt. Welches jeweils die beste ist, merkt man ziemlich schnell. Auf diese Weise komme ich immer höher hinauf und stehe irgendwann auf dem nach Osten steil abfallenden Grat. Ihm folge ich noch ein Stück, bis ich das Gefühl habe, beim P. 2572 angekommen zu sein. Erst der Vergleich der GPS-Koordinaten mit der Landeskarte gibt mir die Bestätigung, ziemlich genau am richtigen Ort zu sein.
 
Die Sicht von hier oben ist prächtig, vor allem auf das Chli Sustenhorn (3318 m), das vorher vom Bockberg verdeckt war. Das Sustenjoch scheint in greifbarer Nähe, wobei ich mir kaum vorstellen kann, wo der Weg hinaufführt. Allzu schroff und unwegsam sieht das Gelände aus. Die Fortsetzung des Grates bis auf den Sustenspitz ist gut ersichtlich. Gerne würde ich noch ein Stück weiter hinaufsteigen. Leider ist die Zeit dazu nicht mehr vorhanden. Will ich rechtzeitig zum Abendessen zurück auf dem Sustenpass sein, muss ich mich an den Abstieg machen. Vorher noch trage ich ein paar Steine zusammen, um wenigstens auf diese Weise den P. 2572 des Bockberg als Gipfel zu markieren.
 
Beim Abstieg versuche ich, die gleiche Route wie beim Aufstieg zu nehmen. Mit Hilfe der Steinmannli gelingt das einigermassen. Das Gelände hier (T2-T3, einzig die etwas schwierige Wegfindung rechtfertigt ein T4-) ist jedenfalls deutlich angenehmer als auf dem Heuberg: keine heiklen, ausgesetzten Stellen, keine brüchigen Felsen, keine rutschige Schuttrinne. Eigentlich sollte man die Berge nicht gegeneinander ausspielen, genauso wenig wie die Menschen. Doch die Unterschiede sind da und lassen sich nicht übersehen. Daher bleibt – im einen wie im andern Fall – nichts anderes übrig, als sich auf die gegebene Situation einzustellen und das Beste daraus zu machen. Und wohin es einen eher zieht, muss man selbst wissen.

Tourengänger: Fico
Communities: Alleingänge/Solo


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