Wildes Maggiatal – über den Steinbrüchen von Riveo
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Die Südwest-Flanken des Maggiatals sind sehr besonnt und früh schneefrei. So können die unteren Hänge bis 1000m auch im Winter bei guten Verhältnissen besucht werden. Manchmal mithilfe von Steigeisen. Doch am Karfreitag 2013 – in der Nordschweiz von Schnee heimgesucht – helfen die wenigen Stunden Sonnenschein den Boden aufzutauen. Dieses Schönwetter-Fenster nutzte ich, um den schon lange geplanten Besuch der ehemaligen Alpen oberhalb Visletto anzugehen.
Start in Visletto 413m bei Sonnenschein im späten Vormittag. Unvoreingenommen. Weiss nur aufgrund des Kartenstudiums, dass es „cheibä steil“ und verzwackt sein muss. Aber das was ich antreffe ist ein ABSOLUTES HIGHLIGHT und nicht allzu schwierig. Hunderte von Tritte bilden Treppen, welche sensationell dem Gelände angepasst sind.
Ich liebe sie, die uralten Treppenanlagen. Teils bemoost. Teile davon sicher älter wie 200 Jahre und dennoch in ausgezeichnetem Zustand. Mal nach links, mal nach rechts die Felswände und -bänder ausweichend der manchmal horizontale Weg dazwischen. Eine kleine Passage beim und im Flussbett ist bei Nässe etwas heikel. So erreiche ich in 1 ½ Stunden Grèd 820m (T4). Ein Haus ist in gutem Zustande und wurde 1986 restauriert. Hübscher Ort hoch über dem Maggiatal mit Blick ins Val Bosco. Da lockt mich der Weg hinauf Richtung NW und siehe da: Nach etwa 50m ein ganzes Maiensäss mit etwa 5 Häusern - jetzt in pittoresken Ruinen – verschiedene Splüi unter die riesigen Gesteinsbrocken gegraben, ein Käsekeller. Diese Ruinen sind in der LK nicht wiedergegeben. In gleicher Richtung geht ein ausgeprägter Weg weiter. Ob er wohl die komplizierte Geographie der nächsten Geländekammern überlistet? Schon wieder eine neue Aufgabe!
Zurück zum schönen Haus und Mittagessen Menü 1 mit Kokosnuss-Bounties im herrlichsten Frühlingswetter auf der „Veranda“ mit Ausblick auf Cevio und ins Val Bosco. Darüber der Madone di Camedo, Pizzo Alzasca und Pizzo Sascola. Keine Unbekannten.
Was folgt, ist einem Nichtkenner der Tessiner-Wege abzuraten. Ein auf der LK 1:50‘000 von 1950 eingetragener Weg führt oberhalb des Steinbruchs von Alp zu Alp nach Riveo. Besser gesagt führte: Denn der Weg ist bis auf wenige Relikte total verschwunden und die Alpgebäude sind (bis auf eines mit Pultdach in Alvöra) zerfallen. Höhenmesser und ausgedruckte alte Karte machen es möglich, den Weg einigermassen nach zu vollziehen.
Der Weg von Grèd nach Alvöra 706m: Von Gred führen Wegspuren vorerst horizontal zum Fluss, dann 20m vor dem struben Graben 10 hm steil nach unten, wo sich die Schlüsselstelle (T5) befindet. Von oben nicht einsehbar öffnet sich zu Linken eine ein Meter breite Scharte. Durch diese erreiche ich eine riesengrosse, etwas exponierte Gneisplatte mit (leider) Talneigung. Mit Adhäsion kann ich einen Felssporn umrunden und angenehm ins Flussbett bei etwa 790m einsteigen. Auf der andern Seite öffnet sich ein Tälchen mit viel losem Geröll. Links eine senkrechte Felswand. Rechts eine überwachsene Rippe, auf welcher Wegspuren steil hinauf führen. Diese Rippe verfolgend erreiche ich den Wald und quere etwa 50m unterhalb des Felssporns auf ca. 900m in die Flanke hinein. Geröll- und Blockhalden wollen geschickt leicht absteigend überwunden werden bis zum Fixpunkt: Zwei riesige Felsbrocken (sind auf der LK eingezeichnet). Unterhalb dieser liegt eine ehemalige Alp mit einer lieblichen Ebene. Nun komplett von der Natur zurückerobert.
Oberhalb der Felsbrocken weiter mit dem Ziel, den nächsten Graben bei etwa 800m zu überschreiten. Das heisst ziemlich weit oben und quasi unter der Felswand. Konstant absteigend (viel Totholz) zum nächsten Graben, welcher ich auf Höhe 740m erreiche. Nun 20m auf der NW-Seite absteigen, den Fluss überschreiten und anstrengend hinunter nach Alvöra.
Was 1950 noch als bestehende Häuser eingetragen ist, liegt alles in Ruinen. Stolze Ruinen. Eindrücklich. Meine Tagträumerei lässt die Häuser wieder auferstehen. Ich sehe die Älpler die Kühe melken, Hirtenjungen den Geissen nachjagen, la polenta grassa auf den Feuerstellen. Blühende Wiesen……D E T O N A T I O N ! Eine Sprengung im Steinbruch – gleich unter mir. Blick nach oben – doch nichts fliegt durch die Luft.
Sirene. Arbeitsschluss und verdientes Ostern Wochenende für die Arbeiter. Ruhe.
Für mich beginnt nun der krasseste Teil meiner Tour. Immer mehr tote Bäume versperren mir den Weg, welcher ich zeitweise dank Steintreppen u.ä. , Höhenmesser und alter Landeskarte nachvollziehen kann. Ich erreiche auf Höhe 570m den nächsten Fluss, welcher lieblich plätschernd von Wändchen zu Wasserfällen hüpft.
Hier hätte ich horizontal queren müssen!
Nach diesem Fixpunkt suche ich lange nach dem „offiziellen“ Weg der alten Landeskarte. Nun endlich gefunden führt er mich zu den Ruinen von Tetto Genasci 515m hinunter. Direkt über der Abbruchkante des Steinbruchs. In der Tiefe liegen schön aufgeschichtet die gebrochenen Steinplatten, die Gebäude, Maschinen. Toll, dass dieses Gewerbe so gefragt ist. Ist dies der Grund der Aufgabe der mühsamen Alpbewirtschaftung hier oben?
Nach einer Eskapade steige ich wieder zum Fluss Höhe 570m hinauf, da mir die Abbruchkante etwas zu nah kommt. Querung des Flusses und leicht fallend in einen Laubwald mit noch mehr Totholz hinein. Den Einen das Athletik-Center – mir mein Tessiner-Trecking! Wie ein Pensionierter plötzlich turnen kann…
Da sehe ich die Möglichkeit, direkt zur Kantonsstrasse hinunter zu steigen. Riveo Pt. 391. Da ich mein Auto in Visletto habe, verzichte ich auf den Bus (Busstation gleich in der Nähe) und marschiere zum Restaurant, wo ich unter den vielen Bauarbeitern nicht besonders auffalle. Sehr nette Wirtsleute!
Der Strasse entlang – und natürlich wieder durch den Tunnel der alten Maggiabahn hindurch (das Kind im Manne) – zurück nach Visletto 413m.
Fazit: Der Besuch von Grèd ist sehr zu empfehlen und nicht sehr schwierig (T3). Der „Höhenweg“ ist nur sicheren Berggängern, ausgerüstet mit Höhenmesser (Risiko des darunter liegenden Steinbruches) und alter Karte vorbehalten.
Ich werde Dich wieder besuchen – promesso. Wobei mich dieser Weiterweg von Grèd fasziniert.
Danke für Alles. Für die Gesundheit, die fantastischen Treppenanlagen und das Ticino Selvaggio!
Start in Visletto 413m bei Sonnenschein im späten Vormittag. Unvoreingenommen. Weiss nur aufgrund des Kartenstudiums, dass es „cheibä steil“ und verzwackt sein muss. Aber das was ich antreffe ist ein ABSOLUTES HIGHLIGHT und nicht allzu schwierig. Hunderte von Tritte bilden Treppen, welche sensationell dem Gelände angepasst sind.
Ich liebe sie, die uralten Treppenanlagen. Teils bemoost. Teile davon sicher älter wie 200 Jahre und dennoch in ausgezeichnetem Zustand. Mal nach links, mal nach rechts die Felswände und -bänder ausweichend der manchmal horizontale Weg dazwischen. Eine kleine Passage beim und im Flussbett ist bei Nässe etwas heikel. So erreiche ich in 1 ½ Stunden Grèd 820m (T4). Ein Haus ist in gutem Zustande und wurde 1986 restauriert. Hübscher Ort hoch über dem Maggiatal mit Blick ins Val Bosco. Da lockt mich der Weg hinauf Richtung NW und siehe da: Nach etwa 50m ein ganzes Maiensäss mit etwa 5 Häusern - jetzt in pittoresken Ruinen – verschiedene Splüi unter die riesigen Gesteinsbrocken gegraben, ein Käsekeller. Diese Ruinen sind in der LK nicht wiedergegeben. In gleicher Richtung geht ein ausgeprägter Weg weiter. Ob er wohl die komplizierte Geographie der nächsten Geländekammern überlistet? Schon wieder eine neue Aufgabe!
Zurück zum schönen Haus und Mittagessen Menü 1 mit Kokosnuss-Bounties im herrlichsten Frühlingswetter auf der „Veranda“ mit Ausblick auf Cevio und ins Val Bosco. Darüber der Madone di Camedo, Pizzo Alzasca und Pizzo Sascola. Keine Unbekannten.
Was folgt, ist einem Nichtkenner der Tessiner-Wege abzuraten. Ein auf der LK 1:50‘000 von 1950 eingetragener Weg führt oberhalb des Steinbruchs von Alp zu Alp nach Riveo. Besser gesagt führte: Denn der Weg ist bis auf wenige Relikte total verschwunden und die Alpgebäude sind (bis auf eines mit Pultdach in Alvöra) zerfallen. Höhenmesser und ausgedruckte alte Karte machen es möglich, den Weg einigermassen nach zu vollziehen.
Der Weg von Grèd nach Alvöra 706m: Von Gred führen Wegspuren vorerst horizontal zum Fluss, dann 20m vor dem struben Graben 10 hm steil nach unten, wo sich die Schlüsselstelle (T5) befindet. Von oben nicht einsehbar öffnet sich zu Linken eine ein Meter breite Scharte. Durch diese erreiche ich eine riesengrosse, etwas exponierte Gneisplatte mit (leider) Talneigung. Mit Adhäsion kann ich einen Felssporn umrunden und angenehm ins Flussbett bei etwa 790m einsteigen. Auf der andern Seite öffnet sich ein Tälchen mit viel losem Geröll. Links eine senkrechte Felswand. Rechts eine überwachsene Rippe, auf welcher Wegspuren steil hinauf führen. Diese Rippe verfolgend erreiche ich den Wald und quere etwa 50m unterhalb des Felssporns auf ca. 900m in die Flanke hinein. Geröll- und Blockhalden wollen geschickt leicht absteigend überwunden werden bis zum Fixpunkt: Zwei riesige Felsbrocken (sind auf der LK eingezeichnet). Unterhalb dieser liegt eine ehemalige Alp mit einer lieblichen Ebene. Nun komplett von der Natur zurückerobert.
Oberhalb der Felsbrocken weiter mit dem Ziel, den nächsten Graben bei etwa 800m zu überschreiten. Das heisst ziemlich weit oben und quasi unter der Felswand. Konstant absteigend (viel Totholz) zum nächsten Graben, welcher ich auf Höhe 740m erreiche. Nun 20m auf der NW-Seite absteigen, den Fluss überschreiten und anstrengend hinunter nach Alvöra.
Was 1950 noch als bestehende Häuser eingetragen ist, liegt alles in Ruinen. Stolze Ruinen. Eindrücklich. Meine Tagträumerei lässt die Häuser wieder auferstehen. Ich sehe die Älpler die Kühe melken, Hirtenjungen den Geissen nachjagen, la polenta grassa auf den Feuerstellen. Blühende Wiesen……D E T O N A T I O N ! Eine Sprengung im Steinbruch – gleich unter mir. Blick nach oben – doch nichts fliegt durch die Luft.
Sirene. Arbeitsschluss und verdientes Ostern Wochenende für die Arbeiter. Ruhe.
Für mich beginnt nun der krasseste Teil meiner Tour. Immer mehr tote Bäume versperren mir den Weg, welcher ich zeitweise dank Steintreppen u.ä. , Höhenmesser und alter Landeskarte nachvollziehen kann. Ich erreiche auf Höhe 570m den nächsten Fluss, welcher lieblich plätschernd von Wändchen zu Wasserfällen hüpft.
Hier hätte ich horizontal queren müssen!
Nach diesem Fixpunkt suche ich lange nach dem „offiziellen“ Weg der alten Landeskarte. Nun endlich gefunden führt er mich zu den Ruinen von Tetto Genasci 515m hinunter. Direkt über der Abbruchkante des Steinbruchs. In der Tiefe liegen schön aufgeschichtet die gebrochenen Steinplatten, die Gebäude, Maschinen. Toll, dass dieses Gewerbe so gefragt ist. Ist dies der Grund der Aufgabe der mühsamen Alpbewirtschaftung hier oben?
Nach einer Eskapade steige ich wieder zum Fluss Höhe 570m hinauf, da mir die Abbruchkante etwas zu nah kommt. Querung des Flusses und leicht fallend in einen Laubwald mit noch mehr Totholz hinein. Den Einen das Athletik-Center – mir mein Tessiner-Trecking! Wie ein Pensionierter plötzlich turnen kann…
Da sehe ich die Möglichkeit, direkt zur Kantonsstrasse hinunter zu steigen. Riveo Pt. 391. Da ich mein Auto in Visletto habe, verzichte ich auf den Bus (Busstation gleich in der Nähe) und marschiere zum Restaurant, wo ich unter den vielen Bauarbeitern nicht besonders auffalle. Sehr nette Wirtsleute!
Der Strasse entlang – und natürlich wieder durch den Tunnel der alten Maggiabahn hindurch (das Kind im Manne) – zurück nach Visletto 413m.
Fazit: Der Besuch von Grèd ist sehr zu empfehlen und nicht sehr schwierig (T3). Der „Höhenweg“ ist nur sicheren Berggängern, ausgerüstet mit Höhenmesser (Risiko des darunter liegenden Steinbruches) und alter Karte vorbehalten.
Ich werde Dich wieder besuchen – promesso. Wobei mich dieser Weiterweg von Grèd fasziniert.
Danke für Alles. Für die Gesundheit, die fantastischen Treppenanlagen und das Ticino Selvaggio!
Tourengänger:
Seeger

Communities: Ticino Selvaggio
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