Gross Windgällen via Westgrat, fantastisch klassisch


Publiziert von danski , 27. Juli 2012 um 18:26.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:26 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Strecke:Egg Golzeren - Oberchäseren - Windgällenfirn - Oberes Furggeli - Windgällen Südflanke - W-Grat - W-Gipfel - E-Gipfel, Abstieg via E-Flanke nach Golzeren

Eine möglichst spannende 1-Tagestour im Urner Adventure County musste her, um von den perfekten und stabilen Wetterverhältnissen maximal zu profitieren. Etwas Recherche im Internet und das abklappern der alpinen To-do list im Kopf lieferte folgendes Ergebnis: Gross Windgällen via Westgrat. Angeblich ein Klassiker und bestens hier beschrieben http://www.alpineklassikeruri.ch/sites/windgaellenwestgrat.php . Warum der W-Grat auf die imposante Erscheinung des Gross Windgällen ein wahrhaftiger Alpin-Klassiker ist, stellten wir spätestens nach der 2. Seillänge fest...

Die 1. Bahn von Bristen hoch nach Golzeren bringt uns mit urschweizerischer Pünklichkeit um 06:00 mühelos schon mal 560HM unserem Ziel näher. Zügig gewinnen wir auf dem ebenso perfekt gepflegten Bergweg nach Oberchäseren Höhe. Durch blühende Bergwiesen mit erstaunlicher Artenvielfalt, den nun blau-weiss-blauen Markierung Richtung Oberes Furggeli folgend, nähern wir uns der respekteinflössenden Südwand des Gross Windgällen an. Von Weitem beobachten wir eine zu Ameisengrösse geschrumpfte 2er-Seilschaft, die langsam über das markante Band in der Wand quert mit dem Wissen, dass wir uns bald in der selben delikaten Lage befinden werden... Doch erst einmal stehen wir am Einstieg unterhalb Oberes Furggeli und freuen uns auf die erste IV+ Seillänge in bestem Kalk mit orangen Einschlüssen, die uns irgendwie an die Haut irgendeiner exotischen Schlange erinnern. Wenige BHs vermitteln noch eine gewisse Sicherheit. Leider dringt man spätestens nach der 2 Seillänge in die eher unangenehmere Welt des Gross Windgällen ein. Was aus der Ferne nach bestem Fels aussieht, entpuppt sich bei der Begehung als arg verwitterter Hochgebirgskalk. Das Band ist dann tatsächlich kein Zuckerschlecken. Auf Schutt gespickten Platten mit keinerlei Sicherungsmöglichkeiten herrscht Null Fehlertoleranz. Nähert man sich dem Ende dieser Traverse durch die Südwand, erreicht man eine leicht ansteigende Rampe, die wieder entspannter zu begehen ist. Zwischenzeitlich muss die Seilschaft vor uns den Grat erreicht haben, was sich durch ständigen Steinschlag bemerkbar macht. Mit einem zischenden FFFFFRRRRRRRR flogen die zu Geschossen mutierten Steine an uns vorbei. Gut ist die Wand hier steil, so dass man sich nicht unbedingt in der Schussbahn befindet, vorausgesetzt man bewegt sich nahe am Fels. Allgemein ist Steinschlag wohl die grösste objektive Gefahr an diesem Berg. Falls sich mehrere Seilschaften auf dieser Route befinden, wirds schnell unangenehm. Glücklicherweise halten solche "Klassiker" dem Massenansturm meist unbeeindruckt stand. Eine steinschlägige Rinne führt nun endlich auf den Westgrat. Der Nachsteigende sollte sich hier vorteilhaft so platzieren, dass der Vorsteigende ihn nicht einem Bombardement aussetzt. Leider kann man nicht verhindern, dass man hier den einen oder anderen Stein ins Rollen bringt. Statt den W-Grat direkt zu erklimmen quert die Route wieder in die Südwand und führt durch 2 Kaminsysteme endgültig auf den Westgrat. Dieser Abschnitt bleibt mir kletter- und felstechnisch als schönster in Erinnerung. Kompakter Fels, verhältnismässig komfortabel abgesichtert mit ordentlicher Exposition. Einzig am 2. Kamin hatte ich die Zähne auszubeissen... Statt sich mit Füssen und Händen zu verkeilen, rutschte ich immer tiefer in den Spalt bis ich nur noch die Rettung im Seil sah. Es war ein Kraftakt, sich an diesem hochzuziehen, bis ich wieder eine gewohntere Kletterposition einnehmen konnte. Es ist halt noch kein Kamin-Klettermeister vom Himmel gefallen... ;) In schöner Kletterei gehts erst einmal dem Grat folgend zu weiteren Türmen, von denen man zwei durch Kamine (IV) in interessanter Kletterei umgeht. Allgemein ist die Routenfindung auf dem Grat nicht ganz einfach. Manchmal helfen rote Markierungen oder einzelne Steinmännchen der Orientierung. Ein Blick ins sehr detaillierte Topo http://www.alpineklassikeruri.ch/sites/windgaellenwestgrat_topo.php schafft immer wieder Klarheit. Oft weicht man jedoch auch in die Süd- bzw. Nordflanke aus, was an manchen Stellen heikel ist, weil kaum Sicherungsmöglichkeiten bestehen. Auf dem Westgipfel, der übrigens geringfügig höher als der öfter besuchte Ostgipfel ist, gratulieren wir uns erst einmal und geniessen den Augenblick. Zwischen uns und dem Ostgipfel klafft eine Scharte, die nur via Abseilen zu erreichen ist. Die neu eingebohrte Abseilstelle befindet sich einige Meter unterhalb des Gipfels. Die etwas ausgesetzte Abkletterei hat den Vorteil, dass vom Stand ein 50m Einfachseil genau bis in Scharte reicht. Nach knapp 9 Stunden Gesamtzeit stehen wir auf dem Ostgipfel und gönnen uns eine verdiente Pause. Schroffe Berge, saftig grüne Wiesen und das fast schon unnatürlich blaue "Seewli" sind zu bestaunen.

Hätte es Schnee in der Windgällen Ostflanke, dann hätte ich mir meine Skis an die Füsse gewünscht. Stattdessen müssen wir mit Schutt und sehr viel losem Geröll vorlieb nehmen. Ich möchte mir gar nicht erst  vorstellen, wie es hier zu und her geht, wenn sich mehrere Seilschaften in der Flanke befinden... Die Route ist bestens mit Eisenstangen und einigen Haken ausgerüstet. Oberhalb der Randkluft helfen Fixseile über plattigen Fels und eine ausgewachsene Leiter ermöglich die Übersteigung der ausgeprägten Randkluft. Danach "Schuhfahrend" über den Stäfelfirn vorbei an der herrlich gelegenen Windgällenhütte, die wir links liegen lassen müssen, da die letzte Talfahrt ein enges Zeitkorsett vorgibt. Halb rennend schaffen wir es dann doch noch mit ausreichenden Zeitreserven für eine währschafte Käseschnitte quasi an den Gestaden des Golzerensees.

Eindrücklich wars, die Grosse Windgälle via Westgrat zu erklimmen. Die Route ist wahrlich ein Klassiker und hat trotz einiger BHs wenig von ihrem alpinen Charakter verloren. Obwohl "nur" eine IV+ fand ich sie recht fordernd. Es sind  keine Stände eingebohrt und es kann z.T. nur an etwas zweifelhaften Stellen gesichert werden. Leider lässt der Fels etwas an Qualität vermissen, aber das gehört wohl auch zum Prädikat "Klassiker"... ;) Insgesamt jeodoch ein lohnendes Abenteuer an einem sehr eindrücklichen Berg. An der Windgälle befinden sich noch weitere Routen, die sich schon mal bequem am Bürotisch studieren lassen: http://www.alpineklassikeruri.ch/sites/routentabelle.php

Tourengänger: danski


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