Stotzig Muttenhorn 3062m


Publiziert von Bombo , 16. Januar 2012 um 23:24.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:14 Januar 2012
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Ski Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   CH-VS   Gruppo Pizzo Rotondo 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 730 m
Abstieg: 1980 m
Strecke:Rotondohütte - Leckipass - Muttenlücke/Saaspass - Stotzig Muttenhorn - Saasgletscher - Saastal - Gerental - Oberwald
Zufahrt zum Ankunftspunkt:mit PW oder ÖV bis Oberwald
Unterkunftmöglichkeiten:Rotondohütte SAC
Kartennummer:LK 1:50'000, Bl 265 S "Nufenenpass"

Stotzige, wilde und impossante "Reise" ins Wallis


Nachdem wir am Vortag vom Bedrettotal im Tessin ins Witenwasserental im Kanton Uri vorstiessen, wäre heute die Rückkehr ins Tessin via Pizzo Pesciora geplant gewesen. Wir mussten aber bei der Muttenlücke / Saaspass - von hier hat man eine gute Einsicht in die Verhältnisse der umliegenden Varianten - einsehen, dass die aktuellen Verhältnisse beim Passo Superiore di Pesciora keinen Aufstieg zum Skidepot des Zielgipfels zuliessen. Diverse Alternativen bieten sich an: via Passo di Rotondo oder Gerenpass zurück ins Bedrettotal, via Muttengletscher und Muttental oder Deieren zurück nach Realp oder eben eine wilde, absolut einsame und 100% Natur pur Abfahrt über den Saasgletscher zum Saasbach und von dort durch das lange Gerental nach Oberwald im Wallis.

Alle Varianten bis auf die letzte kannten wir bereits oder stiessen nicht auf Interesse, sodass wir uns für die - logistisch gesehen - "mühsamste" Variante entschieden: Die Abfahrt durch das Gerental nach Oberwald. Und ich wiederhole gerne nochmals mein mündliches Statement unmittelbar bei der Ankunft in Oberwald: einmalig und fantastisch! 

 
Tag 2

Nach einer ruhigen, jedoch eher kühlen Nacht und einem gemütlichen Frühstück in der Rotondohütte 2571m ziehen wir kurz nach 8.00 Uhr los Richtung Leckipass 2892m, welchen wir nach rund 50 Minuten erreichen. Der Wind hat ordentlich gewütet, weshalb wir die ersten 20 Meter über Geröll zum Muttengletscher zu Fuss absteigen müssen. Wir lassen die Felle für die kurze Abfahrt und die folgende Traverse rüber zum Aufstieg für die Muttenlücke gleich an den Skis, was bei guten Verhältnissen sicher verschenkter Abfahrtsspass wäre. Die Muttenlücke 2846m und den Saaspass erreichen wir wenige Minuten später - kämpfen aber einmal mehr mit der Klebehaftung der Colltex-Felle. Heute stand somit 1:0 für meine Geckos - es hätte aber genau so gut auch umgekehrt sein können.

Beim Saaspass deponieren wir unsere Skis, gönnen uns eine sonnige Pause und rüsten uns für den Fussaufstieg zum Stotzig Muttenhorn. Die Steigeisen und der Pickel bleiben im Rucksack, wobei ich letzteren für das obere Aufstiegsdrittel zur Hilfe nahm - wäre aber auch nur mit Skistöcken gegangen. Der Name des Stotzig Muttenhorn kommt nicht von ungefähr - der Grat ist tatsächlich ziemlich stotzig und dazu auch noch sehr ausgesetzt, vorallem, wenn man messerscharf mittig auf der Gratkante steht. Ich bin froh um meinen Vorspurer Alpinos, welcher nicht nur deziliterweise an Schweisstropfen in den tiefen Trittschnee giesst, sondern auch eine hervorragende Motivation für den nicht gerade trivialen Fussaufstieg bietet. Ich kann mich so in perfekter Fussspur voll auf den Aufstieg konzentrieren, was die Situation für mich natürlich um einiges komfortabler macht, als wenn man selber spuren muss. 

Wir erreichen den selten besuchten Gipfel - bzw. infolge starker Verwächtung den Vorgipfel - des Stotzig Muttenhorn 3062m um 11.00 Uhr, inkl. Pausen somit in weniger als 3h seit dem Start in der Rotondohütte. Glücksgefühle übermannen uns - die Aussicht ist fantastisch schön und man weiss kaum, in welche Richtung man Fotos schiessen möchte - es ist wie in einem 360-Grad-Kino, welches nie aufhört zu drehen. Der kühle Wind aber lässt auch heute keine lange Gipfelpause zu, sodass wir uns bald aufmachen und zum Skidepot beim Saaspass absteigen. Hier gönnen wir uns nochmals eine sonnige Verpflegungspause.

Wie eingangs erwähnt entscheiden wir uns für die sicherlich sehr selten befahrene Abfahrt über den Saasgletscher hinunter ins Gerental - eine Abfahrt, welche sich nur bei sicheren, guten Schneebedingungen anbietet - wie heute eben. Die ersten Abfahrtsmeter sowie die Traverse nach Saas sind noch eher unangenehm windgepresst, doch dann folgt die berauschende Abfahrt durch die Mulden des Saasbachs. Wow, das fäggt! Wem die Oberschenkel im Auslauf bis ca. Höhe 2000m noch nicht brennen, der hat definitiv zu wenig Schwünge in die Mulden zelebriert... Und das Meisterwerk geht gleich weiter, denn bei den Bäumen auf der linken, östlichen Bachseite geht's gleich nochmals stiebend hinunter bis direkt ins Gerental - ich kann's kaum fassen, wie toll die soeben zurückgelegte Etappe war. 

Es folgt nun die lange Gerental-Abfahrt hinunter nach Oberwald - wären da nur nicht die unzähligen Lawinenkegel, welche uns Schneemassen zeigen, wie wir beide sie vermutlich noch nie in unserem Leben gesehen haben. Der Vorteil liegt klar in der Beobachtung dieser "Naturwunder", der Nachteil hingegen in dem ständigen Auf und Ab dieser Hindernisse, welche eine durchgängige, gemächliche Abfahrt verhindern. Bei der Brücke von Schärlichwang 1646m wechseln wir die Bachseite - zuvor meine ich, mit den Skis über etwas "Hartes" gefahren zu sein... Der Blick zurück verrät mir, dass dies weder ein Stein noch eine Wurzel war, sondern der Dachgibel der vollständig eingeschneiten Alphütte. Wahnsinn, diese Schneemassen!

Wir folgen nun der vollständig eingeschneiten, in der Landeskarte gut ersichtlichen, bei den aktuellen Verhältnissen aber nur vorstellbaren Fahrstrasse zur Geisshütte. Gerade in dieser Etappe müssen absolut top sichere Bedingungen herrschen - liegt wie bei uns noch keine Spur, so heisst das die Querung von mehreren sehr steilen Flanken, was im Falle eines Abrutschens unweigerlich zu einem fatalen Absturz ins tiefgelegene Bachtobel führt. Ich spüre meinen erhöhten Puls und bin froh, als wir die Geisshütte erreichen. Von hier kann man ziemlich direkt durch die Bäume gerade hinunter stechen, wo man wenige Augenblicke später die Lichtung beim Buchstaben "G" von Gerewasser (25'000er LK) vorfindet. Nun führt die Abfahrt weiter zur Brücke bei P. 1496 und es folgt ein kurzer Gegenaufstieg zu P. 1512. Zwischen der Brücke und P. 1512 treffen wir unmittelbar am Wegrand, 5 Meter von uns entfernt eine Gämse an, welche keinerlei Fluchtversuche unternimmt. Vom Verhalten her wie auch beim Anblick der Augen meine ich, dass sie vermutlich an Gämsblindheit leidet, bin mir aber auch nicht sicher. Vorsorglich kontaktieren wir bei unserer Ankunft in Oberwald den Wildhüter, welcher noch gleichentags das Tier erfolglos aufsucht. Nachahmer unserer Tour mögen also aktuell auf diesem Streckenabschnitt rücksichtsvoll sein.

Bei P. 1512 würde man nun die Strasse zum Weiler Gere erreichen - ausser einer vollständig eingeschneiten Fahrverbotstafel sehen wir aber keine Anzeichen einer Strasse. Eine alte Spur weist uns jedoch den Weg und schon bald sehen wir die ersten Häuser bei P. 1385 und folgen der Strasse inmitten durch die tief verschneiten Chalets von Unterwassern bei Oberwald. Der Bahnhof Oberwald 1366m erreichen wir um 14.15 Uhr - die vorläufige Endstation unserer Tessin-Uri-Wallis-Skitour. Es bleibt noch die ÖV-Rückfahrt nach Villa im Bedrettotal via Göschenen und Airolo, bevor wir uns nun definitiv wieder auf den Heimweg machen.


Fazit: 

Wow, waren das 2 Tage! Tag 1 war geprägt von der Sonnenstube Tessin, eines landschaftlich eindrucksvollen Aufstieges zum Pizzo Lucendro sowie der folgenden hammermässigen Abfahrt durch die Nordwestflanke. Der gemütliche Abend in der Rotondohütte rundete dieses Abenteuer ab. Tag 2 geht auf alle Fälle mit der Besteigung des Stotzig Muttenhorn in unser Erinnerungsvermögen ein, unvergesslich bleibt aber auch die rassige Abfahrt via Saasgletscher ins Gerental und die unglaublichen Schneemassen der Lawinenkegel wie auch vor Ort in Oberwald. 

Danke Alpinos für Deine super Begleitung - diese beiden Tage (wie auch der kommende Tag danach auf unserer Titlisrundtour) werden in bester Erinnerung bleiben! 


Schwierigkeit Skiabfahrt: 3.2 (siehe Legende bei mir auf dem Profil)


SLF: "Mässig"


Tour mit Alpinos-Masculinos




Route Nr. 973 - SAC Skitouren Zentralschweizer Voralpen und Alpen - M. Maier



Tourengänger: Bombo, alpinos


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ZS ZS
14 Jan 12
Stotzig Muttenhorn (3062 m) · alpinos

Kommentare (1)


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Felix hat gesagt: wahrlich hammermässig ...
Gesendet am 17. Januar 2012 um 08:10
gratuliere euch zur tollen, erlebnisreichen Tour - mit eindrücklichen Fotos!

lg Felix


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