Im wildromatischen Valle di Cresciano


Publiziert von Regula52 , 4. November 2011 um 23:38.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:30 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Pizzo di Claro   CH-TI 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Strecke:Cresciano, Cavri, Sotaregn, Ruscada, Pontei, Perosa, 2131, Cima di Piancra bella(2/3), Crosle, Mottale Gipfel 2141 und 2169, Bocchetta del Mottale, Crosle, Corött, Ruscada, Maiensäss 865, Piano del Vent, Cavri, Cresciano
Zufahrt zum Ausgangspunkt:OeV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:OeV
Unterkunftmöglichkeiten:Alpe di Perosa, Alpe di Crosle
Kartennummer:Ausdruck aus CD Ticino 1:25000

Noch mit Stirnlampe bewaffnet ziehe ich frühmorgens los. Mein Ziel: Alpe di Crosle bzw. Croslet, wie sie die Einheimischen nennen und dann über die Bocchetta del Mottale ins Valle d'Osogna. Doch meine Pläne veränderten sich im Laufe der Tour. Ich bin vorgewarnt. Im Brennaführer habe ich verschiedenes gelesen, über nicht mehr ausgeprägte Wege im oberen Valle di Cresciano. 
Mein Rucksack ist recht schwer. Ganze Biwackausrüstung samt Schlafsack und Proviant für 4 Tage, sowie Flüssigkeit. 

Das Valle di Cresciano ist ein Hängetal und  von der Riviera aus nicht einsehbar. Es gibt auch keinen direkten Zugang vom Tal hinauf, sondern man steigt  über die Flanke  auf circa 950 m ins Tal hinein. Von dort aus ist der Talweg prächtig. Breit genug, um mit Kühen, dem ganzen Haushalt, sowie Kind und Kegel auf die Alp zu ziehen. 

Eine traumhafte Gegend. Der Weg führt durch den Wald, über Waldlichtungen dem Fluss entlang, langsam ansteigend nach Ruscada.  Das Wasser stürzt sich über unzählige Wasserfälle in die Tiefe. Schluchten die mit zerstiebendem Wasserdampf gefüllt sind wechseln sich ab mit lieblichem flachem Wasserlauf. Das Wasser ist einmal tiefblau, dann wieder gläsern durchsichtig oder golden. 

Ankunft in Ruscada. Da ist ja einer, der durch den Feldstecher nach oben blickt. Uebrigens der einzige Mensch, den ich in den drei Tagen angetroffen habe.  Salve, ah eine Tasse Kaffee, ja gerne. 
Ein Jäger, der seine Hütte für den Winter schliesst. Sein Vater hat sie 1960 gebaut. Hat den Zement von Cresciano nach oben getragen. Offensichtlich ein zäher Mann. Er war noch mit ihm auf der Gemsjagd dieses Jahr, mit 80 Jahren.  Er selber sei einjährig, das erste mal hier oben gewesen. Man habe ihn im gerlo (Hutte) nach oben getragen. 

Ich gehe weiter zur Alpe di Corött. Der Weg ist markiert und in gutem Zustand. Im Rahmen des Waldreservates wurde der Weg durch das Tal bis zur Alpe di Simidi markiert. 
Von dort zur Alpe di Pontei. Jetzt geht die Sonne auch für mich auf. 
Von der Alpe di Pontei zur Alpe di Perosa kann man nicht mehr von einem Weg sprechen.  Die Route ist aber mit roten Punkten vorbildlich markiert und sehr stotzig. Kurzbeiner wie ich müssen da schon auch die Hände zu Hilfe nehmen.  Ohne Punkte wäre es echt mühsam. Vor dem Beginn des Aufstieges nehme ich noch Wasser mit, da es auf Crosle ein Problem mit Wasser gebe. 

Die Terrasse der Alpe di Perosa ist klein aber fein. Die Hütte ist immer offen, von den Jägern unterhalten, aber minimal eingerichtet. Es gibt einen Holzherd und zwei Lattenroste. Darauf legt man Ueberreste von Liegestühlen. Vorzugsweise legt man darauf noch eine Matte.  Das Wasserrohr ist für den Winter bereits unterbrochen.

Nach kurzer Rast mache ich mich auf die Suche nach dem Weg zum Punkt 2131 und finde nichts. Brenna schreibt in seinem Führer, dass man unter keinen Umständen die Trittspuren verlassen solle,   aber zuerst muss man sie finden.  Ich entschliesse mich, hier zu bleiben. Es ist so schön hier.  Als nächstes kommt die Wassersuche.  Schliesslich finde ich eine Stelle, wo es tropft und ich mit viel Geduld meine Flasche voll bringe. 
Dann mache ich mich nochmals auf die Suche nach dem Weiterweg und ich werde fündig. s. Photos. 

Die gegenüberliegende schattige  Talseite, nach Norden gerichtet, ist bis 1500 m hinunter mit Schnee bedeckt. Am späteren Nachmittag donnert dort drüben rundherum  Steinschlag in die Tiefe. 

Nach einer kühlen Nacht mache ich mich am Morgen auf den Weg.  Die besagten Trittspuren zu finden ist nicht ganz einfach. Die Gämsen sind scheu, aber es gibt deren viele. 

Die Flanke der Cima di Piancra bella ist teilweise mit Schnee bedeckt. Ich komme bis zu etwa 2/3 rauf. Dann wird es zu mühsam, v.a. da ich intelligenterweise die Steigeisen im Rucksack auf Punkt 2131 gelassen habe.  Also vertage ich die Besteigung der Cima auf nächstes Jahr. 
Dann komme ich zur Alpe di Crosle auf recht gutem Weg.  Die Hütte dort ist auch immer offen und wirkt touristischer. Es hat sogar ein Hüttenbuch. Es scheinen jedoch nur ganz wenige hier vorbeizukommen. 

Den Rucksack lasse ich hier und mache mich auf Richtung Mottale.  Der Weg ist mit vergilbten gelben Strichen sehr unlogisch markiert. Manchmal finden sich ebenso vergilbte rote Punkte. Bald verliere ich den Weg. Da sich die Route  im Wald befindet, kann man sich keinen Ueberblick verschaffen.  Ich lande dann zwischen den beiden Gipfeln des Mottale. Zuerst besteige ich den vorderen, dann gehe ich zur Bocchetta, die ich endlich erspähte und dann auf den 20 m höheren Gipfel.  Herrliche Aussicht.  

Von der Bocchetta ins Valle d'Osogna hinunter hat es Schnee. Das wäre auch recht mühsam.  Also ändere ich meine Plan erneut.  Bocchetta  di Mottale ins Valle d'Osogna hinunter ist auf nächsten Frühsommer verschoben. Da kann man sicher schön runterrutschen.  Ich bleibe hier. 
Von der Bocchetta zur Alpe di Crosle ist der Weg zu Beginn schön markiert.  Im Wald verschwindet beides. Markierung und Weg.  Plötzlich finde ich mich inmitten von Felsen und Gestrüpp. Also wieder zurück zur letzten Markierung. Zum Glück finde ich den Weg zur Hütte hinunter. Die Stöcke helfen auf den rutschigen Tannennadeln. 

Am andern Morgen steige ich ab und will noch weitere Wege auskundschaften.  Der Weg hinunter nach Corött ist nur in Ansätzen markiert und nicht sehr gut zu finden.  Beim, von Brenna erwähnten Tobel angelangt, steigt man, wenn man aus dem Wald herauskommt  auf der rechten Seite des Tobels hinunter, bis man auf der anderen Seite eine Wegspur sieht. Dort quert man. Wenn man aus dem Wald heraus kommt geht auch eine sehr deutliche Spur nach oben. Dort oben findet sich aber keine Möglichkeit auf der anderen Seite  weiterzugehen. 
Die Wegspur führt dann in eine Waldlichtung, wo sie sich verliert. Wenn man die Waldlichtung nach unten geht, kommt man nach Corött. 

Von dort zurück nach Ruscada.  Im Rahmen des Waldreservates wurde auf der orographisch rechten Flussseite ein Weg eingerichtet mit dem Namen: Weg der grossen Bäume. Diesem folge ich. Die Bäume sind wirklich eindrücklich. Riesige Tannen.  Diese standen wahrscheinlich als Solitärbäume auf den Alpweiden, die jetzt  von Jungwald überwachsen sind. Während die Stimmung auf den Alpen heiter und hell ist, ist sie hier drinnen friedlich und geheimnisvoll. 

Anstatt über  Sotaregn zurückzukehren steige ich über das Maiensäss auf 865 nach Piano di vent ab. Von dort über Cavri zurück nach Cresciano.

Facit: Eine herrliche, einsame  Gegend, die aber gute Orientierung und Geländegängigkeit verlangt. Für das suchen von Wegen muss man eine gewisse Zeit hinzurechnen. 

Der untere Teil der Tour ist eine schöne Flusswanderung. (Sotaregn - Ruscada - Corött -- Ruscada  und über den Weg der grossen Bäume zurück.)

Tourengänger: Regula52


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Kommentare (2)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 6. November 2011 um 10:45
eine zünftige Tour von wildem, urtümlichen Charakter hast du da unternommen - und bestens geschildert; Bravo!

lg Felix

Regula52 hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. November 2011 um 21:13
Vielen Dank für's Kompliment. Es war im wahrsten Sinne des Wortes einfach unbeschreiblich schön.
Das Valle di Cresciano ist so reich an verschiedensten Strukturen, dass es nie eintönig wird. Dazu kommt die Abgeschiedenheit. Absolut kein Lärm hörbar.


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