Zufallspitzen (3757 m) - "Wander-3700er" in der Ortlergruppe


Publiziert von 83_Stefan , 15. August 2011 um 17:07. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 9 August 2011
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Cógolo auf schmaler Bergstraße nach Malgamare, dort Parkplatz. Die Fahrt kostet 2 € Mautgebühr. Preiswert!
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Larcher al Cevedale, 2608 m, CAI.
Kartennummer:Tabacco Wanderkarte 08 Ortles-Cevedale Ortlergebiet.

Noch offen stehende Rechnungen werden zeitnah beglichen. Das erfordert alleine schon der Anstand. Also lag nach der Tour auf den Monte Cevedale und dem wetterbedingt nicht durchgeführten Übergang zu den Zufallspitzen die Besteigung dieses eindrucksvollen Gipfels nahe.
Außerdem warten die Zufallspitzen mit einem besonderen Attribut auf: Sie sind ohne Gletscherquerung und ohne schärfere Kletterei erreichbar - man könnte sie also als "Wanderberg" bezeichnen. Das ist bei Bergen dieser Höhe in den Ostalpen wirklich höchst selten! Bei besten Bedingungen ist ihre Besteigung nicht sonderlich schwierig - viel Gehgelände, etwas Blockkletterei (I) und ein zackiger Firngrat zum Schluss. Eine Warnung muss aber ausgesprochen werden: Bei Bergen dieser Höhe sind die Bedingungen eben nicht immer optimal und können sich in kürzester Zeit ändern. Außerdem gibt es ein kurzes Stück am Grat, das vom Gletscher überdeckt wird. Normalerweise unproblematisch, aber eben nur normalerweise!
Start in Malgamare und durch das lange Tal auf einfachem Wanderweg hinauf zum Rifugio Larcher al Cevedale. Deutsche sind hier sehr selten, denn dieses Tal ist von Norden her kommend nur durch einen gewaltigen Schlenker um die gesamte Ortlergruppe herum zugänglich. Kein Mensch spricht Deutsch, macht aber nichts, denn man verständigt sich mit Gestikulieren und Depperlenglisch. Die Hütte ist übrigens eine empfehlenswerte Destination für eine Cevedalebesteigung.
Nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht - die meisten Bergsteiger sind schon längst auf dem Weg - geht es gemütlich zu den Seen "le Pozze" und steil hinauf zur namenlosen Scharte auf 3149 m (bis hierher offizieller Weg). Erstes Gipfelziel ist die völlig unbekannte Cima Lagolungo (3165 m), die nur selten Besuch erhält. Vom Sattel ist es nur mehr ein Katzensprung nach Südosten über Schutt und Blockwerk (I). Der Gipfel bietet eine erstaunlich gute Aussicht!
Zurück zur Scharte und auf dem meist breiten Kamm weiter bis zur Köllkuppe. Gehgelände und Blockkraxelei wechseln sich ab, eine Stelle erfordert etwas mehr Engagement (I+). Fühlt man sich dem an sich unschwierigen Grat aber dennoch nicht gewachsen, kann man unterhalb über dem ehemaligen Gletscher leicht durch Gehgelände aufsteigen, verzichtet dafür aber auf die schöne Kraxelei mit der guten Aussicht. So oder so gelangt man auf die Köllkuppe, schöner Aussichtsberg über dem Hohenferner. Ein Abstecher zur sich im Nordosten anschließenden Veneziaspitze ist nur dem klettergewandten Bergsteiger zu empfehlen (III-, siehe Bericht hier). Wir konnten eine Gruppe beobachten, die an der Schlüsselstelle umkehrte.
Weiter geht's! Man folgt dem Grat in westlicher Richtung knapp oberhalb des Gletschers über eine Kuppe bis zum breiten Hohenferner Joch. Dort stehen einige Steinmänner. Hier wäre sowohl ein gletscherfreier Abstieg zurück zum Rifugio Larcher al Cevedale, als auch nach Norden zur Marteller Hütte möglich. Aber wir wollen bis zur Fürkelescharte, also weiter am Kamm entlang. Nach wie vor gibt es keine wirklichen Probleme, mal geht es über Gehgelände, mal über einfaches Blockwerk (I) bis zu markanten Scharte. Kurz vor dem Ziel passiert man noch einige Militärruinen aus dem ersten Weltkrieg in Form von Schützengräben und Barakenresten.
In der Scharte beginnt ein markierter Weg, der anfangs recht steil zurück zur Hütte leitet.
Der nächste Tag beginnt wie gewohnt: In Ruhe lassen wir die hektischen Bergsteiger ihre sieben Sachen packen und ins Feld ziehen. Zeit haben wir genug, denn die Zufallspitzen laufen nicht weg und das Wetter ist stabil. Dann geht's hinauf zur Fürkelescharte. Dabei fällt auf, dass der Weg - wie am Vortag bereits vermutet - wirklich steil ist und nicht nur diesen Eindruck machte. Ein echter Schinder! Oben an der Scharte ist man dann endlich fertig mit dem Fluchen über den Weg. Jetzt beginnt die Königsetappe der Tour und alles Fluchen ist vergessen.
Der Grat ist breit und überwiegend problemloses Gehgelände auf gut erkennbarer Trittspur. Immer wieder schiebt sich eine Höhenstufe in den Weg. Dort ist dann Blockkraxelei (I) angesagt, aber nie ausgesetzt. Zwei Grataufschwünge können bei Bedarf rechterhand am oberen Gletscherrand umgangen werden - Achtung, immer ganz oben auf dem Gletscher bleiben, Spaltengefahr! An einer Vertiefung des Grats taucht dieser kurz unter die Eisdecke. In einem flachen Becken muss dort der Gletscher gequert werden (nur ein kurzes Stück, fast eben, normalerweise nicht zu verfehlende Spur). Auf der anderen Seite ragt der Kamm wieder heraus. Dort weist die Spur hin. Blockkletterei (I) bringt einen nun hinauf zum Firngrat, der direkt zum Gipfelfelsen leitet. Der Firngrat stellt die Schlüsselstelle der Tour dar, denn links und rechts geht's ordentlich steil runter. Ein Ausrutschen sollte man unbedingt vermeiden. Hat man guten Trittfirn, kommt man sogar ohne Steigeisen und Pickel gut nach oben und in wenigen Minuten ist der Gipfelfels erklommen (I). Wenn der Grat vereist ist, braucht man unbedingt (!) Steigeisen und Pickel, daher sollte man sie auf dieser Tour vorsichtshalber mitführen.
Am Gipfel wartet ein Rundblick der Sonderklasse: Von der Dolomitenprominenz zur Berninagruppe und von den Ötztaler Alpen bis zum Adamello reicht der Blick. Ein Einheimischer wollte sogar die Berge der Kroatischen Küste jenseits der Adria erkannt haben. Ein weiterer Blickfang ist der Monte Cevedale mit dem Verbindungsgrat zu den Zufallspitzen. Man erkennt deutlich das mittlerweile ausgeaperte, schwer zu überkletternde Mittelstück. Und natürlich das "Suldener Dreigestirn" Königsspitze, Monte Zebrú und Ortler. Trotz des 360°-Panoramas machen wir uns bald wieder an den Abstieg, denn die Bedingungen sind optimal und wir wollen einem zu intensiven Aufweichen des Schnees auf dem Firngrat zuvorkommen. Nach einer großen Pause auf einer Graterhebung erreichen wir in gemütlichem Tempo die Fürkelescharte, wo uns der Weg wieder über das Rifugio Larcher al Cevedale nach Malgamare bringt.

Schwierigkeiten:
Aufstieg zur Hütte: T2.
Rundtour über Cima Lagolungo, Köllkuppe und Fürkelescharte: T4, I+.
Besteigung der Zufallspitzen: T4+, I, L.

Fazit:
Eine schöne, gemütliche Hütte; allerdings versteht man hier kein Deutsch. Der Gipfelanstieg zu den Zufallspitzen ist unschwierig, aber stark von den Verhältnissen abhängig. Die Schlüsselstelle kommt erst kurz vor dem Gipfel. Ist der Firngrat dort vereist, wird's kritisch.
Eindrucksvolle 5*-Tour mit einem phänomenalen Ausblick am Gipfel.

Mit auf Tour: maxl.

Kategorien: Ortleralpen, Mehrtagestour, Hochtour, 5*-Tour, 3700er, T4.


Tourengänger: maxl, 83_Stefan


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