Grau und rot: Wilde Welt unter dem Clariden


Publiziert von PStraub , 8. August 2011 um 10:11.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 4 August 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   Claridengruppe   Ortstockgruppe 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus oder PW zur Klausenpasshöhe
Kartennummer:1193

Selbst wer die Glarner Alpen einigermassen zu kennen glaubt, wird immer wieder von ihrer Vielfalt überrascht. Vor allem, wenn wir uns in weniger bekannten Winkel vorwagen. 
Meine Ziele für heute waren Roten Nossen und Roten Pfaffen, zwei unbekannte Gipfel in der Nordflanke zwischen Clariden und Gemsfairenstock.
 
Von der Passhöhe des Klausenpasses führt ein beliebter Höhenweg via Firnband - Gemsfairenhüttli zur Bergstation der Luftseilbahn beim Fisetenpass. Auf diesem wandere ich zum Firnband bis dort, wo der Weg nicht mehr steigt. Dann über alte Moränenhügel hinüber zum namenlosen, aber recht grossen See im Griess. 
Oder Im Griess? Der Boden heisst nämlich so - und wer dort steht, wird dem Namengeber recht geben: Das sind sicher zwei Quadratkilometer nur Schutt in jeder Korngrösse.
Beim See muss ich dessen Abfluss, einer der Quellbäche des Fätschbaches, überqueren. Der führt als Folge von Gletscherschmelze und dauernden Regenfällen eine rechte Menge Wasser. Selbst an einer breiten Stelle ist eine Querung kaum trockenen Fusses (oder Schuhes?) zu schaffen. Na ja, geht für Kneippen ..
Jetzt schräg die endlosen Schutthalden hoch Richtung Roten Nossen. Hier schrecke ich eine Gemsen-Grossfamilie auf, sicher 20 "führende" Geissen mit ihren Gitzis. Um ihnen einen "geordneten Rückzug" zu ermöglichen, gehe ich so, dass sie mich nicht sehen.
Ich wollte überprüfen, ob das Schuttcouloir, das von Westen auf den Gipfel führt, begehbar wäre. 
Fazit: Ja, wäre es. Oben zwar recht steil durch plattige Bänder, aber machbar - wenn man den ständigen Steinschlag dort nicht scheut. 
Das wollte ich mir ohne Helm nicht antun und querte darum oberhalb des Riffs bei P. 2303 (unter Absingen hässlicher Lieder) durch Geröll jeder Grösse und Konsistenz und einem recht steilen Altschneefeld bis zur ehemaligen Seitenmoräne weit östlich des Gipfels. Auf dieser einfach hinauf bis zum Felsriegel, der den flachen, oberen Teil des Gletschers abschliesst. Der Gletschers ist dort getrennt: Oben liegt anstehendes Eis, unter dem Riegel liegt Toteis unter der Altschneedecke. Auf den Bändern dazwischen kann man mit etwas Phantasie ohne Eisberührung zum P. 2664, dem wenig spektakulären Gipfel queren. Der Turm, den man von unten als Gipfel wähnt, ist nördlich vorgelagert und deutlich weniger hoch.
Eine Beschreibung des Aufstiegs tönt so wenig einladend, dass man sich fragen kann, warum man sich so etwas antut. Wer aber dort oben steht, befindet sich in einer geradezu dramatischen Landschaft. Unmittelbar über einem die bizarren Türme der Chli Tüfelsstöck, daneben das mittlerweile berüchtigte Tüfelsjoch: Die ganze, schattig-kalt-feuchte Kulisse zwischen Gemsfairen und Clariden.
 
Beim Abstieg verzichte ich auf Varianten und folge einigermassen der Aufstiegsroute. Bis hinüber zum Hang, der schräg hinauf zum Totalisator auf P. 2529 führt. Beim Roten Nossen weiss man zwar anhand des nicht schmelzenden Altschnees, dass man auf Toteis geht. Hier liegt es sogar unmittelbar unter der Oberfläche. Entsprechend lose ist das Geröll darauf, wo es nicht angefroren ist. Und entsprechend viele Rinnsale und Wasserläufe durchfurchen die Hänge.
 
Unter P. 2529 ist der Gesteinswechsel nicht zu übersehen. Bis hier ist man vorwiegend in Flysch unterwegs, die Namen Roten Nossen und Roten Pfaffen stammen von auffällig bräunlichen Schichten im hier sonst eher schwarzen Flysch, doch hier oben liegt heller Kalk.
Vom "Totalisator-Gipfel" steigt man unschwierig ab in die Senke zum hinteren und anschliessend zum vorderen Roten Pfaffen-Gipfel. Schön ist hier der Blick auf die endlose Schuttwelt im Gletschervorfeld Im Griess mit dem blau-grauen See, dem Gletscherabbruch und den Eisbergen darin. 
Ich steige in westlicher Richtung zu einer markanten ehemaligen Seitenmörane ab. Hier liegt grober Blockschutt aus dem halben Mesozoikum, darunter ein auffällig dunkelgrüner Stein (Gault?).
 
Unten beim See lasse ich die Grönland-Stimmung auf mich einwirken. Ständig hört man das Knacken des Eises, ab und zu bricht auch ein Brocken ab. Wie gross diese teilweise sind, sieht man an den treibenden Schollen, von denen ja nur ein Neuntel des Volumens aus dem Wasser ragt.
 
Anschliessend über die Hügel zurück auf den markierten Weg. Bald sieht man auf die Passstrasse hinab: Willkommen zurück in der "Zivilisation". Das Heulen der Motorrad-Motoren verrät, dass ab hier die Werteskala in Nm geeicht ist ..

Tourengänger: PStraub


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