Ammergauer Kreuzspitze (2184 m) über den Kuchelbergkamm


Publiziert von gero , 26. April 2011 um 17:55.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:25 April 2011
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1485 m
Abstieg: 1485 m
Strecke:Kuchelbachtal - Kuchelberg-Diensthütte - Kuchelbergspitze - Kuchelbergkopf - Kreuzspitze - Ammerwaldstraße (17,2 km)
Kartennummer:Freytag & Berndt WK 322 (Wetterstein-Karwendel)

Kurz unter dem Gipfel der Ammergauer Kreuzspitze war es mir heute gar nicht sonderlich wohl: ein steiles Schneefeld war heikel zu erklimmen - eigentlich hätte ich sicherheitshalber umkehren müssen ! Aber immer der Reihe nach .....

Um 6:45 Uhr starte ich an der Ammerwaldstraße vom Parkplatz Kuchelbachtal (910 m). Für gute 3 km folge ich mit nur geringer Steigung der Forststraße (gemäß LK: Fürstenweg) durch lichten Wald, es geht genau auf das Massiv des Frieder zu. 40 Minuten später zweigt am südlichen Ende einer größeren Lichtung ein Steig ab (Wegweiser "Kuchelberg-Grat"), ihm folge ich in vielen Kehren unmarkiert, aber unfehlbar bis zur Kuchelberg-Diensthütte (1597 m, genau 2 Std. ab P). Ein schönes Plätzchen: um mich herum balzen Birkhähne, sie gurren und schlagen dabei ein kleines Rad - einer sitzt vor mir auf dem Steig, es gelingt mir, ihn zu fotografieren, bevor er davonfliegt.

Gleich hinter der Diensthütte geht es weiter, der Steig quert nun für einige Zeit mäßig ansteigend den Südhang des Kuchelberges, bevor es dann an einem kleinen Wegweiser umso steiler zur Grathöhe hinauf geht. Man erreicht sie etwa mittig zwischen dem Brunnenköpfl und dem Kuchelbergspitz; von hier aus erhebt sich letztere in einiger Entfernung als recht stolzes Horn.

In stetem Auf und Ab verfolge ich die vielen Buckel des unschwierigen Graskammes mit Ziel Kuchelbergspitze (2020); ich erreiche sie um 10 Uhr, habe somit ab Ausgangspunkt etwas über 4 Std. benötigt. Das hört sich für 1100 Hm relativ viel an, doch muß man bedenken, daß eine nicht unerhebliche Horizontalentfernung von rund 7 km mit dem bisherigen Marsch verbunden sind. Ein kleines Alu-Kreuz ziehrt den aussichtsreichen Gipfel - großartige Landschaft umgibt mich, aber bis zu den nächsten Zielen, dem Kuchelbergkopf und vor allem der Kreuzspitze, ist es noch weit. So halte ich mich nicht lang auf und setze meine Überschreitung des Kuchelbergkammes fort.

Der Steig führt nun abwärts in einen Sattel; etwas Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind dabei erforderlich, weil das schrofige Gelände nordseitig exponiert gegen das Graswangtal hin abfällt. Die südseitigen Hänge sind ebenfalls recht steil. Ab dem Sattel geht es nun wieder problemlos aufwärts zum Kuchelbergkopf (2026 m, ein kleiner Steinmann markiert dessen westlichsten Punkt) und jenseits gleich weiter hinab zum namenlosen Sattel (1940 m) vor dem Gipfelaufbau der Kreuzspitze. Bis zu diesem Punkt habe ich 5 Std. ab dem Parkplatz benötigt, wobei kurze Fotografier- und Brotzeitpausen eingerechnet sind.

An diesem Sattel könnte ich nun nach Süden ins Kuchelbachtal absteigen und zum Ausgangspunkt zurückkehren - ein Wegweiser markiert diese Stelle ( FelixW84 hat diesen Abstieg beschrieben *Ammergauer Kreuzspitze über Kuchelberggrat ). Ich habe mir jedoch vorgenommen, so wie Felix auch die Kreuzspitze gleich noch mitzunehmen. Also los! War der Steig bislang nicht markiert, so verkehrt sich dies jetzt ins genaue Gegenteil: alle paar Meter ist ein dicker roter Punkt an den Fels gepinselt. Denn das Gelände wird nun richtig interessant: steil, aber unschwierig geht es durch die abweisende Nordflanke der Kreuzspitze mit einigen kurzen, interessanten Kraxelstellen aufwärts - bis mit einem Mal eine Unterbrechungsstelle meinen zügigen Schritt hemmt: ein harter Schneerest sorgt dafür, daß ich in unangenehm bröseligem Untergrund wenige Meter ab- und danach wieder aufsteigen muß. Aber schon leiten mich danach die roten Punkte sicher weiter - bis ich an einem mächtigen Felsabsatz auf eine mit Kette versicherte Stelle treffe. Jetzt sind es nur noch 50 Hm bis auf den Gipfel - frohlocke ich zu früh, denn ein viel unangenehmeres Hindernis als die eben erwähnte Unterbrechung stellt sich mir in den Weg.

Die Kette nehme ich dankbar in die Hand, das Gelände ist hier etwas ausgesetzt, nach rechts fallen Rinnen und Absätze in das tiefliegende Hochgrießkar ab. Am Ende der etwa 10m langen Kette ist der schöne Steig auf 20m Länge durch ein häßlich steiles Schneefeld zugedeckt - hier ist guter Rat teuer. Eine alte, fast unkenntliche Spur zieht über den Schnee aufwärts - sie scheint mir aber äußerst riskant, ich will ihr auf keinen Fall folgen.

Was tun? Umkehren? Bin ich zu ängstlich?

Wie würden hier ADI, kogo, Ursula und Felix, FelixW84 und andere hikr-Bergfreunde entscheiden? Ich selbst habe doch schon so oft meine Überzeugung zu vernünftigem Handeln und gegen riskante Entscheidungen mit überzeugter Stimme kundgetan ...

ABER: so schnell gebe ich nicht auf. Meine Idee ist, an den etwa 20m weiter oben befindlichen Rand des Schneefeldes zu gelangen, selbiges dort zu queren - und darauf zu hoffen, daß es auf der anderen Seite auf normalem Steig weitergeht. Die roten Markierungspunkte dort drüben locken gewaltig ...

Ich mühe mich deshalb zunächst am Rand des Schnees aufwärts - dort, wo er an den Fels stößt, hat sich eine Art Randkluft gebildet, die aber stellenweise so tief ist, daß ich bis über die Hüfte darin stecke. Auf diese Weise gibt es kein Vorwärtskommen - ich muß auch daran denken, notfalls wieder heil hinunterzukommen. Nach 2m kehre ich vorsichtshalber um - und lege, bevor ich aufgebe, wenigstens mal die Grödel an, um damit einen zweiten Versuch zu starten. Ich bleibe nun, physisch (mit Zacken an den Füßen) und dadurch auch psychisch gestärkt, etwas rechts neben der Randkluft - und komme hier höher hinauf als beim ersten Versuch. Als ich mich mal probehalber umdrehe und runtergucke, trifft mich schier der Schlag: verflixt, stehe ich hier exponiert herum - wenn dieses blöde Schneefeld ins rutschen kommt (man weiß ja nie, wie gut die Verbindung zum Untergrund ist), dann gute Nacht ! So schnell wie mein Mut eben noch gewachsen ist, sackt mir jetzt das Herz in die Hosentasche, und ich steige ganz vorsichtig wieder hinunter, solange dies noch möglich ist.

Also stehe ich wieder bei der Kette am unteren Rand des Hindernisses. Herrschaft, wenn man von hier aus hinschaut, ist es gar nicht so steil als wenn man dann draufsteht. Das muß doch irgendwie zu packen sein - ich mag schließlich jetzt, einige Dutzend Meter unter dem Gipfel, nicht einfach kapitulieren und heimgehen !

Ich raffe mich zu einem dritten und definitv letzten Versuch auf. Vorsichtig steige ich in meinen eigenen Spuren aufwärts - mal trägt der Schnee, mal ist er weich. Und weiter, noch ein Stück, weiter, nur Mut, es geht schon. Ich habe den oberen Rand erreicht - der Point of no Return ist damit überschritten, Augen zu und durch. Ich quere am oberen Rand des Schnees hinüber, die Randkluft ist hier bald 2m tief. Bloß nicht hineinrutschen ... und auch nicht runtergucken! Ja, und dann habe ich die andere Seite und damit die roten Markierungpunkte erreicht. Das folgende Stoßgebet kommt aus tiefster Erleichterung über meine Lippen. Und: der Weiterweg zum Gipfel ist nun frei .... um 12:15 Uhr stehe ich droben auf der Ammergauer Kreuzspitze (2185 m), 6 1/2 Stunden nach Abmarsch. Die besonderen, jahreszeitlich bedingt noch ungünstigen Verhältnisse rechtfertigen diese etwas zu lange Zeit.

Inzwischen ist das bisher recht schöne Frühlingswetter einer etwas gewittrigen Stimmung gewichen, und ich halte mich nur kurz auf dem Gipfel auf. Der Normalweg führt mich hinunter zur Ammerwaldstraße, auch er ist an einigen längeren Stellen noch schneebedeckt. Unmittelbar an der Grenze zwischen D und Ö erreiche ich das Tal - und eine barmherzige Seele nimmt mich im Auto die fast 10km lange Fahrstraße mit, vorbei an Schloß Linderhof und zurück zum Parkplatz.


Epilog

Ich habe heute über meine alpinistischen Verhältnisse gelebt, ich hätte unbedingt umkehren müssen, die Begehung des exponierten Schneefeldes kurz unter dem Gipfel war zu heikel. Wenn auch das diesjährige Frühlingswetter für außergewöhnlich gute Verhältnisse sorgt, so ist es meiner Meinung nach zu früh, die Kreuzspitze über den Kuchelbergkamm zu ersteigen.

Ich rate daher hier zum Schluß ausdrücklich davon ab, momentan meiner Route auf die Kreuzspitze zu folgen. In 4 Wochen sollte das besser möglich sein. Aber jetzt: bis zum Kuchelbergkopf ja, aber danach: NO !

Tourengänger: gero


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Geodaten
 5762.gpx Über den Kuchelbergkamm auf die Kreuzspitze

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Kommentare (6)


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felixbavaria hat gesagt: Gehzeit
Gesendet am 26. April 2011 um 19:23
So langsam warst Du auch nicht - Deinen Fotos nach zu urteilen hast Du 5 1/2 Std. gebraucht (von 5:45 bis 11:15), nicht 6 1/2.

gero hat gesagt: RE:Gehzeit
Gesendet am 26. April 2011 um 19:39
Du hast Recht - ich bin wieder einmal einem Fehler der Canon A640 zum Opfer gefallen.

Diese Kamera speichert die Uhrzeit in den Exif-Daten der Fotos einmal in MEZ, einmal in MESZ. Die Uhrzeiten, die hier bei hikr angezeigt werden, sind die MESZ-Zeiten (ich müßte also alle Uhrzeit-Angaben meines Berichtes um eine Stunde korrigieren: tatsächlicher Abmarsch um 5:45 usw.)

Der IrfanView zeigt aber die MES-Uhrzeiten an - und deshalb verliert man manchmal den Überblick über die Zeitangaben.

Exakt, wie Du immer bist, hast Du beim aufmerksamen Korrekturlesen meines Berichtes sofort den Unterschied gemerkt - also, somit paßt meine Zeit wieder, TROTZ des Aufenthaltes an dem Schneefeld.

Danke und mit Grüßen, Georg

Felix hat gesagt: na, endlich - habe ich auch den Bericht gelesen ...
Gesendet am 16. Mai 2011 um 15:48
Was du da wieder vollbracht hast, lieber Georg - unglaublich!
Detailliert und sehr persönlich hast diese Bergfahrt geschildert - ein Genuss.

lg Gruss aus dem Emmental (Oberaargau)

Felix

stefan87 hat gesagt: Danke!!!
Gesendet am 2. September 2011 um 19:28
Vielen, vielen Dank im Nachhinein!
Durch deinen Bericht war ich best möglich auf meine "Kuchelberggratexpedition" im Juni 2011 vorbereitet, besonders auf das heikle Schneefeld. (Wenn du Lust hast kannst du meinen Bericht lesen.)

Bergheil Stefan

toetoe hat gesagt: Danke
Gesendet am 3. August 2013 um 16:29
Wird sind die Tour heute nachgelaufen. Trotz Hitze war es gut auszuhalten, da v.a. am Kamm ein leichter Wind blies. Danke Dir für die gute Beschreibung und den nützlichen GPS Track.

gero hat gesagt: RE:Danke
Gesendet am 10. August 2013 um 21:40
Bittesehr - gern geschehen!
Hört man gern, wenn mal der GPS jemandem was nutzt - und auch die Beschreibung.


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