Komplette Rigi-Überschreitung - über 12 Gipfel von Küssnacht nach Seewen
Die Rigi ist ein weithin bekanntes und viel besuchtes Wandergebiet par excellence. Während der nordwestliche Teil durch viele Bergbahnen und Berggasthäuser fast schon übererschlossen ist, wirkt der südwestliche Teil um die Hochflue ursprünglicher und bietet bis auf Seilbahn und Berggasthaus am Urmiberg keine touristische Infrastruktur. Trotz der hohen Zahl an Wanderern und Ausflüglern ist die vollständige Überschreitung aller Rigi-Gipfel eine eher selten unternommene Tour, denn von Küssnacht bis nach Seewen müssen mehr als 2800 Höhemeter und ein Vielfaches davon an Entfernung zurückgelegt werden.
Föhnsturm - diese Wetterprognose von MeteoSchweiz verheißt nichts Gutes. Als ich meine Wanderung an der Talstation der Seilbahn in Küssnacht am Rigi (460 m, 7:58 Uhr) beginne, bemerke ich am Eintrüben des Himmels die Vorboten dieses Wetterphänomens. Den strahlend blauen Himmel des Vortages werde ich heute vergeblich suchen. Die Temperaturen liegen am Morgen leicht unter dem Gefrierpunkt. Auf dem markierten Wanderweg (T1) steige ich hoch zur Seebodenalp und weiter an der Holderenhütte vorbei. Für den weiteren Aufstieg wähle ich den steilen "Bänderenweg" (T3-T4), wo ich überhalb von etwa 1400 m über Schnee gehen muss. Problemlos erreiche ich Rigi-Kulm (1798 m, 9:55 Uhr), den ersten und höchsten Gipfel meiner langen Wanderung.
Der Blick Richtung Süden präsentiert sich schon ziemlich wolkig, und es ist windig und kalt, so dass ich ohne Pause nach Rigi-Staffel absteige (T1). Ein kurzer Gegenanstieg bringt mich zum Rotstock (1659 m). Nun folge ich stets der mehr oder weniger ausgeprägten Krete über First, Schild und den Würzenstock zur alten Eisenbahnbrücke bei Unterstetten (T1-T2). Dort mache ich im Blockhaus bei der der Feuerstelle eine wohlverdiente Pause (1452 m, 10:45-11:00 Uhr). Der nachfolgende, schneebedeckte und etwas eintönige Aufstieg lässt mich wissen, dass ich schon über 1500 Höhenmeter in den Beinen habe. Kurz vor dem Dossen (1685 m) komme ich zum ersten Mal in direkten Föhn-Kontakt: Die letzten Meter muss ich gebückt gehend dem Sturm trotzen. Gut, dass der Weiterweg nach Rigi-Scheidegg kurzweilig und weniger windig ist.
Auf dem Scheidegg-Gipfel (1656 m) genieße ich trotz kaltem Luftzug die Aussicht hinunter nach Goldau und auf den direkt gegenüber liegenden Goldauer Bergsturz. Einem gewaltigen Schneebrett gleich löste sich dort am 2. September 1806 die gesamte Südflanke des Gnipen und begrub in der Folge das 1000 m tiefer gelegene Dorf Goldau nebst mehr als 400 Einwohnern unter sich. Das sehenswerte Goldauer Bergsturzmuseum dokumetiert diese schlimme Naturkatastrophe für interessierte Besucher. Im Berggasthaus Scheidegg (1650 m, 11:45-12:10 Uhr) lege ich dann eine Mittagspause ein.
Der Abstieg zum Gätterlipass ist leicht (T1), aber sehr dem Föhn ausgesetzt. An manchen Stellen muss ich sogar stehen bleiben, um nicht vom starken Wind aus dem Stand gerissen zu werden. Ab dem Gätterlipass (1190 m, 12:45 Uhr) beginnt für mich die "konditionelle Schlüsselstelle" des Tages - der Aufstieg zur Hochflue. Ich bin sehr froh, dass der Weg im Windschatten liegt, so dass ich erst ganz oben wieder in Berührung mit dem ungemütlichen Föhn komme, der mit fortschreitender Tageszeit eher noch zunimmt. Der oberste Felsabbruch wird mit einer ca. 20 m hohen Metallleiter überwunden - Schwindelfreiheit ist dafür zwingende Voraussetzung. Auf der Hochflue (1698 m, 13:30 Uhr) genieße ich die Pause nun in der Gewissheit, in konditioneller Hinsicht diese lange Überschreitung mehr oder weniger geschafft zu haben. Einzig der bereits absehbare Sonnenuntergang (und die nicht mitgenommene Taschenlampe) beunruhigen mich etwas.
Dafür sehe ich mich auf dem nun folgenden Weiterweg zur Alp Egg ganz anderen Herausforderungen gegenüber: Mehrere drahtseilgesicherte und etwas ausgesetzte Wegpassagen (T4) kombiniert mit rutschiger Schneeauflage mahnen zur Vorsicht. Ein Ausrutscher könnte schmerzhafte Folgen nach sich ziehen. So lasse ich mir Zeit, konzentriere mich bei jedem Schritt, mache noch einen schnellen Abstecher zur Felsnadel Spitz (1410 m) und erreiche wohlbehalten die um diese Jahreszeit verlassene Almhütte Egg (1288 m, 14:30 Uhr). In zehnminütigem Gegenanstieg erreiche ich das Gotterli (1396 m, 14:40 Uhr), wo es aufgrund des Föhnsturms eher ungemütlich ist. So setze ich gleich meine Wanderung über P. 1288 fort, erreiche kurz darauf den Abzweig zum Berggasthaus Obertimpel am Urmiberg und steige auf unmarkierten Wegspuren hinauf zu P. 1253, dem höchsten Punkt des Urmibergs. Von dort geht es ebenfalls unmarkiert hinab zur Ränggen (930 m, 15:30 Uhr), einem Einschnitt, der von zwei monströsen Überlandleitungen gekreuzt wird.
Der letzte Anstieg und der letzte Gipfel meiner langen Überschreitung stehen nun vor mir: Die Zünggelenflue dürfte wohl der am wenigsten besuchte Gipfel des Rigi-Massivs sein. Man darf von Ränggen nicht zu hoch dem bewalteten Grat folgen, da kurz darauf ein scharfer Einschnitt den Grat unterbricht. So gehe ich südeitig am Fuß der Gratfelsen entlang und steige über einen erkennbaren Weg (T2-T3) zur erwähnten Scharte auf. (Falls direkt auf dem Grat aufgestiegen wird, muss in diese Scharte ca. 15 Hm steil und etwas ausgesetzt abgeklettert werden. Schwierigkeit II bzw. T5. Siehe dazu andere Tourenberichte zur Zünggelenflue.) Aus der Scharte geht es über kurze Kraxelstellen (T3-T4) über den Grat weiter bergan. Dann stehe ich endlich auf der mit hohen Bäumen bewachsenen Zünggelenflue (1088 m, 16:00 Uhr). Aussicht gibt’s hier oben keine, ein Gipfelbuch ebenso wenig, und irgendwelche Wegspuren den steilen Nordostrücken (T3) hinunter finde ich auch nicht. Aber es eilt, ohne Taschenlampe möchte ich in diesem dichten Wald keine Wegsuche beginnen. Mit dem letzten Licht erreiche ich das Gratende und folge der geteerten Straße unter der Autobahn und unter den Bahngleisen hindurch zum Bahnhof Schwyz in Seewen (455 m, 16:45 Uhr). Eine lange und anstrengende Wanderung liegt hinter mir.
Ich freue mich auf den Bus, der mich (mit Umsteigen am Postplatz in Schwyz) in einer guten Stunde zurück zur Seilbahnstation in Küssnacht am Rigi bringt.
Alle 12 besuchten Gipfel, Gipfelhöhe (jeweiliger Auf- und Abstieg):
- Rigi-Kulm , 1798 m (1338 m, 210 m)
- Rotstock, 1659 m (71 m, 206 m)
- Schild, 1548 m (95 m, 116 m)
- Würzenstock, 1482 m (50 m, 30 m)
- Dossen, 1685 m (233 m, 139 m)
- Rigi-Scheidegg, 1656 m (110 m, 466 m)
- Hochflue, 1692 m (502 m, 302 m)
- Spitz, 1410 m (20 m, 122 m)
- Gottertli, 1396 m (108 m, 131 m)
- P. 1288 (23 m, 90 m)
- Urmiberg, 1253 m (55 m, 323 m)
- Zünggelenflue, 1088 m (158 m, 638 m)
insgesamt: 2803 m rauf und 2813 m runter
Anmerkung: Ich hatte auf meiner Tour keine Kamera dabei. Die beiden Fotos wurden zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommen. Es hatte am 29.11.2009 wesentlich weniger Schnee.

Kommentare (8)