Von der Silvretta ins Unterengadin - Teil 1: Bielerhöhe - Getschnerscharte - Jamtalhütte


Publiziert von marmotta , 11. Juli 2009 um 02:21.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Silvretta
Tour Datum: 8 Juli 2009
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   Augstenberg-Gruppe 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1570 m
Strecke:Bielerhöhe - Getschnerscharte - Jamtalhütte - Westl. Gamshorn - Jamtalhütte
Zufahrt zum Ausgangspunkt:über cff logo St. Margarethen mit der ÖBB via Bregenz - Bludenz nach Schruns, von dort mit dem Postbus (Linie 85) auf die Bielerhöhe (Mautgebühr 3,00 Euro)
Unterkunftmöglichkeiten:Jamtalhütte DAV (Tel.: 0043/54 43 84 08)
Kartennummer:LK 1178 Gross Litzner (1:25.000)

Die Getschnerscharte (2839 m) vermittelt den kürzesten und besten Übergang von der Bielerhöhe ins Jamtal und ist der einzige unvergletscherte Übergang zur Jamtalhütte von Westen. Der Übergang über die Getschnerscharte ist zudem Teil des Weitwanderwegs E 302.

Was macht man, wenn man eine Woche Ferien hat und Bergtouren geplant hat, das Wetter aber in den Nordalpen so gar nicht mitspielen will, man aber auch nicht bis auf die Alpensüdseite reisen möchte? Man wandert einfach vom instabilen Wetter im Norden in die Sonnenstube der Schweiz, das Unterengadin! Die von mir geplante Tour von der Bielerhöhe am Silvretta-Stausee nach Ardez könnte durchaus auch in einem Tag absolviert werden, aber ich hatte ja Zeit und wollte es gemütlich angehen und plante daher eine Übernachtung in der Jamtalhütte ein. 

Nach langem Hin und Her und Konsultierung sämtlicher Wettermodelle und -vorhersagen reservierte ich am Vorabend einen Schlafplatz in der Jamtalhütte und hoffte, dass der seit Tagen anhaltende Schub feuchter Luft für einmal nachlassen würde und ich zumindest überwiegend trockenes Wetter, ausreichende Sichtverhältnisse und vielleicht sogar ein paar Sonnenstrahlen geniessen konnte.

Dachte ich noch am Morgen, als ich mit dem Velo pitschnass am Bahnhof am Kreuzlinger Hafen ankam, ich hätte wettermässig das Schlimmste bereits hinter mir und es könnte nur noch besser kommen, wurde ich im Verlauf des Tages eines Besseren belehrt. Doch der Reihe nach...

Als ich dann mit dem Postauto die Kehren der Silvretta-Hochalpenstrasse hinauffuhr, war mir klar, dass es nun zurück in den Winter ging - und das Anfang Juli: Über Nacht hatte es bis 2400 m herunter geschneit und die Wetterverhältnisse auf der Bielerhöhe (2032 m) waren alles andere als einladend. Aber immerhin: Noch war es trocken und noch sah man zwischen tiefhängenden Wolken und Nebelschwaden auch die Gipfel über dem Silvrettastausee. Noch...

Vom Staudamm am Ostufer des Silvretta-Stausees (Wegweiser) folgte ich zunächst dem breiten Bieltalweg, bis nach ca. 1/4 h ein Wegweiser Richtung Jamtalhütte - Getschnerscharte nach links (Osten) in das Bachbett des Bielbachs hinunter leitet. Hier leistete ich mir prompt den ersten Verhauer, der aber nicht weiter schlimm war:  Anstatt nach Überquerung des Bachbetts am Ostufer des Bielbachs entlang bis zur Einmündung des von links oben herunterschiessenden Weissen Bachs zu laufen, rannte ich voller Euphorie sofort den sumpfigen und üppig mit Alpenrosen bewachsenen Hang Richtung Hennekopf bzw. Hennespitze hinauf. Als ich den Irrtum bemerkte, wollte ich nicht mehr zurücksteigen, zumal ja die Richtung klar war. Ich querte dann zwischen P. 2464 und P. 2387 (Runder Kopf) hindurch nach Südosten, um auf einer Hochebene auf ca. 2400 m wieder auf den vom Bieltal entlang des Weissen Bachs heraufführenden, rot markierten Pfad zu treffen. Von hier an folgte ich den Markierungen nach Südosten, bis diese sich in dem immer tiefer werdenden Schnee verloren. Nachdem die tief hängenden Wolken zwischenzeitlich alles in dichten Nebel gehüllt hatten und es leicht zu schneien begonnen hatte, war die Orientierung nun sehr schwierig. Rings um mich herum war alles weiss, im diffusen Licht konnte man nicht einmal mehr den Boden vom Himmel unterscheiden - bei diesen Verhältnissen die Getschnerscharte zu finden, schien ein reines Glücksspiel zu sein! 

Lt. Karte steigt man am besten zwischen den Felsabstürzen des Nordwestgrats der Mittleren Getschnerspitze und einer markanten Felsinsel (P. 2713) am Fuss des Madlener Ferners geradewegs das gegen Ende bis zu 40 ° steile Firnfeld hinauf zur Scharte. Da ich ja nichts sah, verliess ich mich auf meinen Instinkt und arbeitete mich ein Stück rechts (südlich) der auf der Karte eingezeichneten Route den Madlener Ferner hinauf und querte -als die Felsen der Hinteren Getschnerspitze plötzlich über mir auftauchten und ich schon fast in der Wand hing- die paar Meter über Blockgelände links hinüber zur Getschnerscharte. Cool! Ich war wirklich ziemlich erleichtert, die Scharte im Blindflug fast genau "getroffen" zu haben, war ich doch schon kurz davor, die Moral zu verlieren und die Aktion abzubrechen und entlang meiner Spuren zurück zur Bielerhöhe zu steigen!

An der Getschnerscharte hatte es ca. 20 cm Neuschnee auf der noch immer dicken Altschneedecke. Die Besteigung der Mittleren Getschnerspitze (2965 m)  oder der Madlenerspitze (2977 m) mit Überschreitung der Hinteren Getschnerspitze konnte ich mir bei diesen Verhältnissen natürlich abschminken! Die Kraxelei über den Grat über die verschneiten Urgesteinsblöcke- und felsen verbot sich von alleine...

Vielmehr machte ich mir Gedanken über den Abstieg nach Osten Richtung Jamtalhütte. Beim Blick über die steile Wächte auf der Ostseite der Getschnerscharte in den Nebel und damit ins Bodenlose beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Witzigerweise riss der Himmel nun im Westen komplett auf und gab den Blick zurück zum Silvrettastausee wieder frei - mir half das reichlich wenig, hielt sich doch der Nebel auf der Seite, wo ich absteigen wollte, hartnäckig. 

An einigen Felsen waren rote Markierungen auszumachen, die unter den Felsen der Mittleren Getschnerspitze entlang nach Norden führten, um dann offenbar links des Schutt- und Schneekars zum Bergfuss führten. Mir erschien dieser Abstieg über schneebedeckte Blöcke und Schrofen zu heikel, so dass ich ziemlich direkt über die steile Firn-/Geröllrinne östlich der Scharte in das Kar abstieg. Es ist sicherlich kein Fehler, bei diesen Verhältnissen einen Eispickel dabei zu haben - ich war jedenfalls froh darum. Bei guten Firnverhältnissen dürfte dieser Abstieg überhaupt kein Problem darstellen, ich hingegen wurde um den Spass einer Abfahrt auf Bergschuhen gebracht, musste ich doch aufpassen, bei dem schweren Neuschnee ncht noch ein Schneebrett auszulösen! Nach vorsichtigem Abstieg teils über Schnee, teils über schneebedeckte Blöcke erreichte ich die Felsstufe bei P. 2567. Von dort ging´s noch einmal über unangenehm rutschige Rasen- und Schrofenhänge zu einem weiteren Kar, nach dessen Durchschreitung ich endlich wieder auf die markierte Route traf. Der weitere Verlauf des Pfades hinunter zum Jambach war allerdings auch nicht wirklich angenehm: die schmale Pfadrinne glich einem reissenden Bergbach, die nassen Sträucher ergossen ihr gesammeltes Regenwasser über meine Hosen und Schuhe, so dass ich schlussendlich nach ca. 4 h (ab der Bielerhöhe) völlig durchnässt an der Jamtalhütte (2165 m) ankam. 

Glücklicherweise verfügt die Jamtalhütte, die fast schon Hotelcharakter besitzt, über einen Trockenraum, der (angeblich) nachts beheizt wird. Frisch gestärkt durch eine grosse Portion Kaiserschmarrn mit Apfelkompott konnte ich bei am Nachmittag zunehmend heiterem Wetter noch die Besteigung des "Hüttenbergs", das Westliche Gamshorn (2987 m), in Angriff nehmen. Spontan entschloss sich Heimo, ein Teilnehmer eines AV-Eis- und Kletterkurses aus Wien, mich zu begleiten (Herzlichen Dank!). Gemeinsam erreichten wir auf dem gut markierten Steig über Schrofen und ziemlich viel Schotter nach ca. 1 1/4 h den Gipfel, der sich just in dem Moment in Wolken hüllte. Es sollte an diesem Tag wohl einfach nicht sein, dass ich die Aussicht auf die herrlichen Silvrettagipfel geniesse... :-(  Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass sich das Gipfelkreuz nicht auf dem höchsten Punkt des Westlichen Gamshorns befindet. Dieser befindet sich mit 2996 m etwas weiter östlich und ist nur in Kletterei über den brüchigen Gipfelgrat (oder von etwas weiter unten direkt über Felsen und Blockwerk) erreichbar. Angesichts der Verhältnisse (schneebedeckte Felsen und Nebel) verzichtete ich darauf. 

Im Abstieg riss die Wolkendecke dann sofort wieder auf (war ja klar...) und wir kamen nach zügigem Abstieg um 18.30 Uhr gerade rechtzeitig zum Nachtessen in der Jamtalhütte an.

Fazit: Der Übergang von der Bielerhöhe zur Jamtalhütte über die Getschnerscharte ist bei trockenem Wetter und guter Sicht sicher eine sehr schöne Tour, die sich auch gut als Halbtagestour eignet. Wenngleich man sich in alpinem Gelände befindet, ist der Übergang auch Ungeübten mit entsprechender Ausrüstung (festes Schuhwerk, je nach Verhältnissen Eispickel) zu empfehlen. Die Route ist durchgehend markiert, grösstenteils sind Wegspuren vorhanden.  

Tour im Alleingang

 


Tourengänger: marmotta


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