Kurumdy-Range


Publiziert von jfk , 4. Juli 2019 um 02:00.

Region: Welt » Kirgisistan
Tour Datum:15 September 2018
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: KS 
Zeitbedarf: 24 Tage

Im Sommer und Herbst 2018 hatte ich im Kirgisischen Teil des Pamirs zwei Monate Zeit zum Bergsteigen. Pik Lenin und Kurumdy-Range. Hohe Berge, Erfolg und Misserfolg, eine wunderbare Kultur, spannende Menschen und Freundschaften begleiteten mich auf dieser Reise und bescherten mir viele unvergessliche Abenteuer und Erinnerungen. Festgehalten habe ich diese auf Mundart in meinem Tagebuch, woraus die ein oder andere Geschichte in diesem Bericht ihren Platz finden soll.

Teil I: *Selfie mit Herr Lenin, Teil II: *Wolfsjäger, Schneegeier und der Thron des Salomo, Teil III: 

Bevor es am nächsten Montag wieder nach Kirgistan geht, folgt noch der letzte Teil der Trilogie von letztem Sommer. Die Kurumdy-Range war der eigentliche Grund, weshalb wir überhaupt nach Zentralasien gereist sind. Unzählige kaum oder teilweise noch unbestiegene 5000er und 6000er in der Grenzregion von Kirgistan, Tadschikistan und China.
Um es vorweg zu nehmen, die Zeit am Kurumdy war zwar wie erwartet die interessanteste der ganzen Reise, rein sportlich gesehen war die kleine Expedition aber wenig erfolgreich. Das Risiko erst im Herbst, bei stabilerem, dafür kühlerem und etwas windigerem Wetter an den Berg zu gehen hat sich nicht ausbezahlt. Um unser Projekt in die Tat umzusetzen, hatten wir schlussendlich zu wenig stabile und sichere Verhältnisse. Wobei man ehrlicherweise auch sagen muss, dass es wohl auch früher in der Saison nicht geklappt hätte. Eine Expedition vom SAC, die mit einem anderen Projekt früher in der Region  war, war ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. Allgemein scheint der Berg für Schweizer Expeditionen kein gutes Pflaster zu sein. Bereits die erste Expedition, von der sich im Netz allerdings ein schöner Film findet, hatte ihre Ziele nicht erreicht. Einzig Delta konnte aus Schweizer Sicht an den niedrigeren Gipfeln des Massivs einige schöne Besteigungen *realisieren.
Unser Projekt haben wir dennoch nicht ganz begraben. Weshalb im Bericht und den folgenden Tagebucheinträgen bewusst keine exakten Ortsangaben zu finden sind.

10.9. ...Noch langer Fahrt stönd mer i de Steppe, am Ändi vonere schlächte Stross diräkt vor eme Tal, wo is Härz vo de Kurumdy-Range füehrt. De Talai macht sech chli Sorge, get üs es Schriibe of Kirgisisch wo eusi Absechte erklärt met of e Wäg ond de verabschede mer eus au scho. Of eus gstellt. Fühlt sech chli aa wie ne Neuuflag vo Ausgesetzt in der Wildnis, met eus i de Hauptrolle...

In den nächsten zwei Tagen treffen wir tatsächlich noch auf ein paar Hirten, die uns dank Talais Schreiben helfen, unser Gepäck mit ihren Pferden ins Basecamp zu bringen. Gerade noch rechtzeitig. Am Abend setze ein kleiner Schneesturm ein, der den Beginn einer instabilen Wetterphase markiert, in der wir nicht all zu viel machen können. Das etwas eintönig BC-Leben, dass vorwiegend aus Schlafen, Kochen, Lesen und einzelnen Akklimatisierungstouren besteht und weite Teile des Expeditionsalltags bestimmt, beginnt.

16.9. Usschlofe, Choche, Potze, Wäsche, Choche, Filme, wägem Filme verbrönnts Zmettag rette, potze, e chlini Schlächtwätterfront abwarte. Es polteret wie emmer vo de Moräne. Felsblöck bes zo me halbe Meter Dorchmässer. Zom Glöck hend mer de Platz för euses Basecamp guet gwählt! Am 5i de doch no los zo eusem erste Gepfel do im Gebiet. E schöni Gratwanderig bi nere super Stemmig of en guet 4400 Meter höche Gepfel. Nach guet zwoi Stond weder zrogg, Choche, Fotografiere, Ässe, Kamera potze, Tagebuech schriibe, Läse, Schlofe.  

Am nächsten Tag dann eine weitere Akklimatisationstour auf einen hübschen Gipfel etwas über Mont Blanc-Höhe. Es sollten die beiden einzigen Gipfel während unserer Zeit in der Kurumdy-Range bleiben. 
Die nächsten Tage verbringen wir mit Vorbereitungen für unser Projekt, Matrialtransporten und dem Einrichten des ersten Teils unserer Route. Die Wetterprognosen aus der Schweiz und die Verhältnisse vor Ort mit starken Winden und immer wieder Schnee sind unsicher und zwingen uns fortlaufend zur Anpassung unseres Plans.

19.9. ...Knapp 25 Kilo Gepäck. Feuf Stond ufe is Gletscherbecki, wo mer's Camp 1 planet hend. Sträng, vell spuure. Onderwägs fende mer of em Gletscher e Schädel met eme komplette Ghörn vo me alte Sibirische Steibock. Idröcklech! Wiiter obe, of guet 4700 Meter, stosse mer näbem Gletscher of es Felsband, wo komplett us versteinerete Moschle ufbout esch. Onglaublech! So öpis hani no nie gseh...

20.9. ...Bim steile Hang vom Ufsteg (50°) probiere mer bim abe go öpis us. Gäge onde lauft er flach us und d Verhältniss send ned schlächt. Mer woge d Methode Loretan vom Everest. Heist ofem Hosebode aberotsche ond Peckelbräms as Secherig. De Damian filmt. Bi mer chont grad no ordeli Schnee met. Werde zemli schnell! Bim Brämse wot i chorz d Füess zor Helf neh. Dommerwis hänkt de grad e Stigiisezagge ii ond es öberstellt mi. Ha aber schnell weder die rechtig Lag, de Peckel griift guet bim brämse ond i stoh sofort stell. Sälber gschold, we me för setig Aktione z fuul esch, chorz d Stigiise ab z zieh...


Dann, endlich melden die Prognosen ein vermeintlich stabiles Schönwetterfenster von gut einer Woche. Dass sollte knapp reichen für unsere Tour. Am 22. wollen wir starten.

21.9. ...Ha mi scho fitter gefühlt. Trotzdem froh, wenns morn ändli los got. Gmeschti Gfühl, weis dass es wohl s hertischt oder zomendest öpis vom hertischte werd sii, woni besher im Läbe gmacht ha. Of die Ander Siite werds aber eifach nome huere geil und es esch es ächts Privileg e so öpis dörfe z woge.
D Wätterprognose send för die hisige Verhältniss guet. Zwifel trotzdem ome. Schaffe mers ächt wörkli? Normali Gedanke bi me some Projekt. Jetzt gelts mental die rechtig Istellig z fende. Volle Fokus of d Öberschriitig ond s Glenge, debi aber trotzdem d Risike ned us de Auge verlüre! ...


Die nächsten beiden Tage geht es über Camp 1 hoch auf 5800 Meter. Die Verhältnisse am Berg selbst sind streng, wir müssen viel spuren, aber eigentlich gar nicht mal so schlecht. Der Schnee hat sich gut gesetzt, die Schneedecke ist stabil. Nur teilweise dichter Nebel macht uns zu schaffen. Und uns wird endgültig bewusst, dass das Gelände im Falle eines Wetterwechsels und Rückzugs durchaus heikel werden kann. Damians Füsse haben zwischendurch etwas kalt, lassen sich im Schlafsack aber zum Glück wieder aufwärmen. Alles in allem sind wir immer noch guter Dinge, bis in der Nacht auf Tag 3 ein unerwarteter Sturm aufzieht.

24.9. I de Nacht zieht en Storm uf. Orkanartige Wend, dezue Schnee. Zwar ned vell, aber trotzdem langets för omfangriichi Triebschneeasamlige. Üse Zältplatz im Spalt büütet doch ned ganz e so en guete Wendschotz wie mer dänkt hend. S wendet ständig Schnee i euses chline Zwoimaazält ine (Esch zwar sehr liecht, wäge Ersteckigsgfohr ond em Kondänswasser müend mers aber ame chli offe lo). Alles füecht. A Schlof esch bi dem Storm ned z dänke. Chalt.

Am Morge s Wätter zwar besser, es schneit nöm, aber emmer no starche, zu starche Wend. Wiiter ufe chönd mer ned, Ushare im Zält esch au kes Thema. Was wenn d Bedengige plötzlech no schlächter werde? Mer wärid do obe inere Musefalle gfange! Scho jetzt send d Verhältniss öber Nacht usgsproche heikel wore. Erheblechi Lawinegfohr ond Spalte wo gester no offe gsii send, send jetzt vo nere dönne Triebschneeschecht öberdeckt.
S esch eifach es z grosses Risiko, mer müend abe! So packe mer im Orkan müehsam ond met chalte Händ ond Füess zäme. Im Damian got zo allem Öbel no s Ventil vo sim Mäteli kappot, ich flueche weder emol öber mini La Sportiva... ...Wo mer zom Hang zwösche 5700 ond 5500 Meter chömid, hani es molmigs Gfühl. Mer müend do abe, s get kei Omwäg. De Damian got gsecheret vorus. Chum setzt er si erst Fuess i Hang, löst sech of ere Breiti vo 150 Meter es Schneebrätt. De ganz Hang got s Loch ab. Zom Glöck hend mer gsecheret! De Schreck setzt trotzdem tüüf. Emmerhin esch de Hang jetzt safe.
Guet 150 hm wiiter onde versenkt de Damian vor mine Auge plötzlech wie nes Moorhuen im Gletscher, s Seil strafft sech augeblecklech. Spaltestortz! Es wot mer bi dem weiche Schnee chum glenge e vernönftigi Verankerig z boue. Bangi Minute. Zom Glöck esch er ned verletzt ond cha met Microtrax & Prusik weder sälber ufstiige.
De Absteg öber die folgend Reppe esch müehsam ond teilwiis heikel. Dezue emmer no de orkanartig Wend. Am Änd vo de Reppe weder de 50° steili Hang. Vell Triebschnee denne, heikel. Zersch im Fern, denn im Iis onde dra, chönd mer au do zom Glöck sechere. S got alles guet. Of em Gletscher onderhalb weder akuti Spaltegfohr. Langsams vortaste met em Peckel. Ond trotzdem hang au ich einisch anere Spalteleppe. Diräkt öber em Schwarze Nüüt.
Ohni wiitere Vorkommnis a Gletscherrand. Ufff... Gschafft! Onfassbar wie krass i einere Nacht d Verhältniss gwächslet hend. Be no nie vorher bi so heikle Verhältniss i de Berge onderwägs gsii ond hoffe, dass i das au nie me sii mues... ...Auf em Wäg is BC deför nomol am "Moschelband" verbii cho ond as chline Trostpriis no chli chönne schöni Versteinerige sammle...

Unser grosses Projekt, soviel ist nach diesem Versuch klar, ist nicht mehr zu realisieren. Zu heikel die Verhältnisse, zu viele Kräfte, physisch und mental, wurden verbraucht. Ganz aufgeben wollen wir aber noch nicht. Noch einmal harren wir eine knappe Woche im Basecamp aus und hoffen, dass wir immerhin noch eine einfachere, kurze Route an einem der 6000er klettern können. Es wird nichts mehr. Die Verhältnisse sind einfach nicht sicher genug. Ohne einen weiteren Versuch brechen wir die Expedition an dieser Stelle ab, packen unsere sieben Sachen und wandern mit schwerem Gepäck, dieses mal ohne Pferdeunterstützung, zurück zur Strasse. Kaum zu glauben, was so eine Strasse am Ende der Welt, mitten im Nirgendwo nach beschwerlichen Wochen in der Wildnis für Gefühle hervorrufen kann! Nach langem warten nimmt uns schliesslich ein LKW aus China mit nach Sarytasch. Zurück in die Zivilisation!

Bevor es noch eine Woche zur Erholung in den Süden geht, neigt sich eine unglaublich intensive und schöne Zeit in Kirgistan langsam dem Ende entgegen. Viele spannende Menschen und Geschichten, der Pik Lenin und die Expedition am Kurumdy. Ein echtes Abenteuer!









Tourengänger: jfk


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Kommentare (8)


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Delta Pro hat gesagt:
Gesendet am 4. Juli 2019 um 10:57
Fantastische Fotos von einem richtigen Abenteuer - genial!
Da kriegt man gleich etwas Fernweh, und schöne Erinnerungen kommen auf.

nprace hat gesagt:
Gesendet am 4. Juli 2019 um 11:24
Mir scheint, das Gelände eigentlich bestens für Skifahren geeignet? Vielleicht nimmt ihr die Latten mit für den nächsten Besuch...mehr schleppen aber mehr fun?
So oder so ein richtig cooles Trip, spannenden Bericht und grossartige Fotos aus diesem wilden Weltgegend.

jfk hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Juli 2019 um 19:10
Merci! Das Täuscht etwas. Auch auch au der leichtesten route hättest du Flanken 1000m+ um die 50 Grad oder ebenfalls sehr steile und vorallem gefährliche Hängegletscher. Wäre ziemlich ernsthaftes Steep Skiing und klar über meinem Niveau.

Gruäss Jonas

nprace hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2019 um 11:42
Ok! Das ist dann in der Tat ein ganz anderes Kaliber!

Felix hat gesagt:
Gesendet am 5. Juli 2019 um 15:16
absolute Hochachtung!

Felix hat gesagt:
Gesendet am 5. Juli 2019 um 15:24
und zum aussergewöhnlichen "trip" ebensolche Fotos - wild, toll, fantastisch, bewundernswert!

amphibol hat gesagt: Hammer!!
Gesendet am 9. Juli 2019 um 16:53
Gratuliere, den Kurumdi-Range kenne ich vom Ausblick von Sarytasch, als wir mit den Fahrrädern vom Pamir bzw. vom Kyzil-Art Pass runterfuhren. Da habt ihr eine wunderschöne Region in Zentralasien gesehen und v.a. euch in ein Gebiet begeben, dass nicht überlaufen ist und landschaftlich wunderschön. Grandioses Unterfangen, zu dem man nur gratulieren kann!

Weiter so!
LG Raphael

jfk hat gesagt: RE:Hammer!!
Gesendet am 20. August 2019 um 16:50
Ciao Raphael

Mit etwas Verspätung trotzdem noch ein Merci für deinen Kommentar! Komme gerade wieder von einer Expedition in Kirgistan zurück, wo ich über einen Monat ohne Internet war. Ist wirklich ein wahnsinnig cooles Land. Bestimmt auch mit dem Fahrrad, wie ihr es entdecken durftet!

Gruss Jonas


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