Eine Latemardurchquerung: Karerpass - Latemarspitze - Diamantiditurm - Cima Valbona - Oberholz


Publiziert von DiAmanditi , 6. September 2017 um 22:39.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:14 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2+ (WS+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 

Wenn man von Bozen aus durch die enge Schlucht des Eggentals Richtung Osten fährt, sieht man, sobald Birchabruck erreicht ist, über den Wäldern des Regglbergs schon die ersten Zacken und Grate der Dolomiten aufragen. Ein Bergmassiv mit unzähligen Felstürmen und gewaltigen Wänden steht hier vor dem Betrachter: der Latemar. Der Latemar ist eine der kleinsten Untergruppen der Dolomiten und liegt etwas südlich des größeren Rosengartens. Die Namensgebung basiert auf dem ladinischen Cresta de Lactemara, was in etwa Bergkamm über dem See im Kar bedeutet und sich auf den unterhalb gelegenen Karersee bezieht. Dieser See dürfte wohl den meisten bekannt sein, wenn auch nicht namentlich, denn das Fotomotiv mit dem Karersee vor den Latemartürmen ist neben dem der Drei Zinnen wohl das berühmteste der Dolomiten. Trotz der Popularität des Karersees ist der Latemar insgesamt weniger bekannt als der Rosengarten, allerdings wurde das Latemargebiet ebenfalls weitgehend touristisch mit Skigebiet, einigen Wegen und dem neuen latemar.ium erschlossen. Dennoch wagen sich nicht so viele Wanderer und Kletterer in die wilde Felslandschaft wie im Rosengarten. Das mag daran liegen, dass es nur eine einzige Hütte, das Rifugio Torre di Pisa, gibt und der Schlerndolomit, aus dem die Berge aufgebaut sind, durch den hohen Magnesiumanteil zum Klettern viel zu brüchig ist. Der bröslige Fels sorgt auch für viel Steinschlag, sodass sich über die Jahre riesige Lahnen und Kare auf der Nordseite gebildet haben. Weiteres Interessantes über die Gesteine in der Latemargruppe sind beispielsweise die Verkarstung im Bereich des Valsordakessels sowie die magmatischen Gänge, die gelegentlich in Rinnen und Scharten zutage treten und mit schwarzem Basalt Abwechslung in die weiße Kalklandschaft bringen. Einst lag nämlich ein riesiger Vulkan unter den Dolomiten und sorgte für die gelegentlichen Basaltvorkommen, etwa auch im Padongebirge. Es scheint, dass früher auch reichlich Erz im Latemar zu finden war, Flurnamen wie "Erzlahn" oder "Knappenstube" und unzählige Sagen von reichen Zwergen (Venedigern), die angeblich in der Rotlahnscharte lebten, weisen darauf hin. Wie auch immer, die Latemargruppe ist ein ziemlich interessantes Gebirge und aufgrund ihrer kleinen Größe ist es dem geübten Bergwanderer möglich, dies alles an einem Tag auf einer Nord - Süd - Durchquerung des Bergstocks über sieben Gipfel zu erleben. Wie man das anstellt, dazu komme ich jetzt.

Wir starteten für unsere Tour am Karerpass. Der ist mit 1752 Metern Höhe ein schon relativ hoch gelegener Ausgangspunkt, genau richtig also für längere Touren. Der erste Abschnitt führt in steilem Anstieg durch die Latemarrinne hinauf zur Kleinen Latemarscharte. Zunächst geht es dem Perlenweg folgend, durch ein kleines Waldstück aufwärts zur Latemarwiese, von wo wir einen wunderbaren Blick auf die Latemartürme im Morgenlicht genießen konnten. Es wird nun etwas steiler und wir tauchten wieder in den Wald ein, gelegentlich taten sich Blicke auf die immer näher kommenden senkrechten Nordwände der Latemarspitze auf. Schließlich verlässt der Steig die Waldregion, um direkt ins Felsgelände überzugehen. Gleich am Anfang stellt ein Felsrücken bereits eine kleine Herausforderung an die Trittsicherheit dar, danach geht es einfach, aber mühsam durch den Geröllkessel der Latemarrinne aufwärts. Um den Grat der Poppekanzel herum sowie in der Scharte hingen derweil noch dichte Wolken und erzeugten eine schöne geheimisvolle Stimmung. Nach gut 1 3/4 Stunden und einer kurzen, einfachen Kletterstelle im oberen Bereich der Rinne erreichten wir schließlich die Kleine Latemarscharte und der Blick nach Süden wurde frei. Alternativ könnte man hierher übrigens auch - etwas leichter und weniger steil - vom Karerpass über die Malga Vallace aufsteigen.

Von der Scharte aus fiel uns ein nordöstlich vorgelagerter Graskopf auf, nur 5 Minuten Gehzeit entfernt, unterhalb dessen sich ein außergewöhnlicher Pflanzenbestand vorfand. Also ließen wir unsere Rucksäcke in der Scharte liegen und erkannten, nachdem wir uns diesem genähert hatten, dass es sich um einen "Wald" aus Eisenhut handelte. Inmitten von weißen Kalk plötzlich eine kleine Wiese mit hunderten Eisenhutpflanzen. Sehr interessant und schön, doch wir konnten sogar noch eine zweite Entdeckung machen, nämlich zwei Murmeltiere, von denen sich eins nur 5 Meter entfernt befand. Danach bestiegen wir noch den erwähnten Graskopf, von dem man einen tollen Blick auf die Poppekanzel mit ihren unzähligen Grattürmen hat. Apropos Poppekanzel: Ich habe bei den Wegpunkten diesen Graskopf als "Obere Poppekanzel" bezeichnet. Es ist nämlich so eine Sache mit der Poppekanzel, denn viele meinen, man könne sie vom Karerpass aus schnell und einfach erreichen. Damit ist jedoch nur der in Kompass und Tabacco als "Signalkopf" benannte Vorgipfel gemeint. Die eigentliche Poppekanzel ist jedoch die eigenständige, 2480 Meter hohe Felsspitze im Grat. In einem Buch über das Eggental habe ich hingegen gelesen, dass der Signalkopf die Poppekanzel ist und P. 2480 Poppespitze heißt. Eine schwierige Sache, Fakt ist jedoch, dass "unser" Grasgipfel die höchste Erhebung im Poppegrat ist und sich ein Abstecher lohnt.

Weiter geht es im Aufstieg. Das Gelände wird bald nach der Kleinen Latemarscharte felsiger, der Weg führt in die Südflanke und es gilt einige Basaltrinnen zu queren. Gelegentlich gilt es auch, leichte I-er Stellen zu überwinden. Eine Sache stimmt meiner Meinung nach jedoch nicht: In manchen Wegbeschreibungen habe ich gelesen, der Aufstieg auf die Latemarspitze sei ausgesetzt, was ich nicht so empfand. Klar, man sollte schon etwas Trittsicherheit und Bergerfahrung besitzen und ausrutschen sollte man auch nicht, aber es besteht keine unmittelbare Absturzgefahr, die eine Ausgesetztheit für mich ausmacht. Nach einiger Zeit wird der Weg wieder einfacher und führt zum Grat zurück, von wo der Gipfel schon zum Greifen nahe ist. Da wir heute möglichst viele Latemargipfel besteigen wollen, machen wir auch noch einen kurzen Ausflug aufs Latemarhorn, auch Col Cornon genannt. Dieses ist in leichtem, aber weglosem Gelände schnell zu erreichen und bietet einen ebenso schönen Ausblick wie die Latemarspitze (bei gutem Wetter, heute gab es ziemlich viele Wolken). Letztere ist - nun wieder auf markiertem Weg - über den schuttigen Ostrücken ebenfalls kurz darauf bestiegen und zeigt sich als äußerst geräumiger Gipfel mit Kreuz- und Hauptgipfel. Die Himmel war wie bereits erwähnt recht bewölkt, aber alles halb so schlimm, denn zwischen den Wolken zeigten sich trotzdem immer wieder ein paar Berge. Außerdem bekamen wir schon einmal einen guten Überblick über den nachfolgenden Klettersteig und die Latemartürme. Vom Karerpass bis hierher haben wir inklusive Abstecher 3 Stunden gebraucht.

Deshalb bleiben wir nicht allzu lange, denn wir haben noch viel vor uns. Zunächst kam der Abstieg in die Große Latemarscharte. Dieser ist zwar nicht besonders schwer, aber ziemlich steil und schuttig, außerdem gibt es viel brösliges Gestein und die Wegfindung fällt auch nicht ganz einfach aus. Trotzdem waren wir recht bald in der Scharte, wo sich das gemütliche Mario - Rigatti - Biwak mit Schlafplatz für 6 Leute befindet. Gleich dahinter muss man sich zwischen Wanderweg und Klettersteig entscheiden, die beide die Südflanke der Latemartürme auf 2600 bzw. 2750 Metern Höhe queren. Wir entscheiden uns für den Klettersteig, den Sentiero Attrezzato dei Campanili del Latemar. Am Einstieg gilt es zunächst, die Klettersteigausrüstung anzulegen und danach gut gesichert im oberen I. Grad eine steile, ca. 20 Meter hohe Felsschrofenflanke zu erklimmen. Oben angekommen kann man sich kurz ausruhen, dann folgt auch schon die Schlüsselstelle: Als erstes muss man am Drahtseil ein 7-Meter-Wandl abklettern, um in eine basaltgefüllte, nordseitig ausgesetzte Scharte zu gelangen und danach mithilfe von Metallbügeln einen beinahe ebenso hohen Überhang wieder hinaufsteigen, bevor es wieder einfacher wird. Aufgrund Gegenverkehrs mussten wir kurz warten, danach absolvierten wir die Schlüsselstelle ohne Probleme. Der Klettersteig führt ab jetzt über Gehgelände mit schuttigen Bändern weiter und man kann schon die Aufstiegsroute zum Diamantiditurm ausmachen. Also verließen wir den Weg und stiegen über Pfadspuren durch die Schuttflanke aufwärts. Eine Viertelstunde später kamen wir dann am Gipfel an.

Endlich war es soweit! DiAmanditi auf dem Diamantiditurm! Der Gipfel des Diamantiditurms an sich trägt kein Gipfelkreuz, dafür aber eine schöne Madonnenstatue. Wir machten hier eine größere Pause und schauten dem wilden Wolkenspiel um die Latemartürme zu. Ähnlich wie schon vorhin blieb uns die Fernsicht leider verwehrt. Einige Zeit später stiegen wir wieder zum Klettersteig ab und setzten den Weg zur Diamantidischarte fort. Dies ist eine besondere Scharte, denn sie ist extrem tief eingeschnitten und so schmal, dass ein eingeklemmter Felsblock eine natürliche Brücke über die sogenannte Diamantidirinne bildet. Von der Begehung ist jedoch abzuraten, man sollte lieber auf dem Weg bleiben, der an einem losen Stahlseil eine Felstufe hinunter und durch die Scharte auf die andere Seite führt. Die Gröbste ist nun geschafft, nur kurz vor dem Ausstieg muss man noch einmal hinab zur Rotlahnscharte etwas klettern.

Die Klettersteigausrüstung verschwindet wieder im Rucksack und es geht auf einfachem Wanderweg über die weiten Schuttfelder des Valsordakessels weiter. Immer eindrucksvoller wird der Rückblick auf die Latemartürme, wo wir vorhin noch waren. Der Weg quert unterhalb von Erzlahnspitze, Reiterjochspitze und Schreppwand die wilde Felslandschaft Richtung Rifugio Torre di Pisa. Kurz vor dieser gibt es noch ein paar besonders schöne Felstürme zu bestaunen, darunter den Torre di Pisa, eine besonders schiefe Felszinne und gleichzeitig das Wahrzeichen der gleichnamigen Hütte. In diese kehrten wir natürlich kurz darauf auch ein, um frisch gestärkt den Weiterweg antreten zu können. Der nächste Gipfel befindet sich direkt hinter der Hütte, die Cima Cavignon, der "Hausberg" des Rifugio auf dem ein Hubschrauberlandeplatz angelegt wurde. Die folgende Spitze ist wieder etwas weiter entfernt: Um zur Cima Feudo zu gelangen, muss man über den vom Cavignon aus nach Osten laufenden Grat wandern. Schwierig oder ausgesetzt ist dieser nicht, es gibt sogar einen zwar nicht offiziellen, aber gut mit roten Punkten markierten Weg. Auf ungefähr der Hälfte der Strecke stießen wir auf eine rätselhafte große, schräge Metallplatte, ähnlich einer Solaranlage oder einem Spiegel (siehe Foto), die wir schon aus der Ferne gesehen haben. Wir haben jedenfalls keine Idee, wozu das gut sein soll. Ein paar Meter weiter leitet der Weg in eine schmale Spalte zwischen zwei Felsen. Eine wirklich ziemlich schmale. Wegen unseres Rucksacks mussten wir sogar obendrüberklettern, denn mit Rucksack ist es so gut wie unmöglich, da durch zu passen. Danach erreichten wir schnell den Südrücken der Cima Feudo und stiegen über diesen zum Gipfel hinauf.

Von hier hatten wir noch einmal einen schönen Überblick über die heutige Tour sowie auf die Fassaner und Fleimser Dolomiten. Ein Kreuz gibt es auch, das steht allerdings etwas unterhalb auf dem Südrücken. Für den Rückweg zur Latemarhütte beeilten wir uns etwas, da wir rechtzeitig zur Bushaltestelle in Obereggen kommen mussten, um zurück zum Karerpass zu gelangen. Doch wir hatten noch einen Gipfel vergessen, die Schaflahnspitze (Cima Valbona). Dabei handelt es sich um das Kreuz etwas unterhalb der Pisahütte. Schnell bahnten wir uns den Weg über erdige Pfadspuren zum Gipfelkreuz, dann war es endlich geschafft. Wir hatten (fast) den ganzen Latemar durchquert. Beim Abstieg sputeten wir uns ziemlich und rutschten möglichst schnell über die Schuttfelder von Weg 23 A ab. Diesen Weg zu finden, ist nicht ganz einfach, deshalb eine kurze Wegbeschreibung: Von der Schaflahnspitze über den markierten Weg hinab bis zu mehreren Lawinenverbauungen, an diesen auf einer Steigspur vorbei und dem Pfad bis zum großen Weg hinab folgen. Ab hier ist es nicht mehr weit und wir kamen mehr als rechtzeitig an der Bergstation des Oberholzlifts an. Die Fahrt hinab dauert 11 Minuten und in Obereggen hatten wir noch etwas Zeit, um auf den Bus zu warten. Wir hatten eine wunderschöne Tour hinter uns, die lange in Erinnerung bleiben wird.

Schwierigkeiten:
°Vom Karerpass in die Kleine Latemarscharte:T3
°Abstecher zur Oberen Poppekanzel:T2
°Von der Kleinen Latemarscharte auf die Latemarspitze:T4-, I
°Sentiero Attrezzato dei Campanili del Latemar: T4, B/C (WS+)
°Abstecher auf den Diamantiditurm:T3
°Von der Rotlahnscharte zum Rifugio Torre di Pisa:T2
°Grat zur Cima Feudo:T3+, Überkletterung der Spalte I
°Cima Valbona: T3
°Abstieg nach Oberholz:T2, weiter unten T1

Fazit und Schlussbemerkung:
Wunderbares Unternehmen, um die Latemargruppe in ihrer ganzen Größe zu erleben. Man kann die Tour auch in umgekehrter Richtung begehen, wir finden aber, dass unsere Richtung die bessere ist, da man den schwierigeren Teil der Tour hier eher am Anfang hat. Mit einem schnelleren Gehtempo oder einer Übernachtung auf der Pisahütte ist es zudem möglich, noch Christomannosturm, Erzlahnspitze, Reiterjochspitze und Schreppwand vom Weg aus zu besteigen. Dies nimmt allerdings noch mal viel Zeit in Anspruch. Wer hingegen nicht den Klettersteig gehen und trotzdem den Diamantiditurm besteigen möchte, kann ab der Großen Latemarscharte dem Wanderweg zur Rotlahnscharte folgen und über die selbe Flanke wie der Klettersteig zu diesem aufsteigen. Die Buslinie zurück zum Karerpass ist die 181, in Birchabruck muss man allerdings einmal umsteigen. Ach ja, wir haben schon einmal eine Wanderung im Latemar gemacht: hier.

Tourengänger: DiAmanditi


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Kommentare (4)


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Vielhygler hat gesagt:
Gesendet am 6. September 2017 um 22:50
Schöne Eindrücke und Fotos!

VG Anreas

DiAmanditi hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. September 2017 um 08:21
Dankeschön!

Die Latemargruppe ist bekannt für schöne Stimmungen und deswegen habe ich auch so viele Fotos gemacht.

VG Arne

scan hat gesagt:
Gesendet am 7. September 2017 um 10:27
Glückwunsch zur schönen Tour. Wirklich schöne Fotos!

Schöne Grüße,

scan

DiAmanditi hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. September 2017 um 12:44
Vielen Dank! Das Murmeltier zum Beispiel hat's mir aber auch leicht gemacht! ;-)

Schöne Grüße,

Arne


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