Gesamte Breithornüberschreitung "Kantenvariante"


Publiziert von Matthias Pilz , 2. August 2017 um 11:54.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:31 Juli 2017
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: 4 (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 2 Tage

Während der Mittel- und Westgipfel des Breithorns von Seilbahnbergsteigern regelrecht überrannt wird, so stellen die Breithornzwillinge ein eher selten besuchtes Ziel dar. Gleiches gilt für den Roccia Nera, wenngleich dieser Gipfel regelmäßig von Monte-Rosa-Überschreitern mitgenommen wird. Wegen ihrer mächtigen Nordwände werden beide Breithornzwillinge und der Roccia Nera als eigenständige 4000er nach UIAA gezählt. Die vielleicht lohnendste Variante, diese Gipfel zu besteigen, ist die große Breithorntraverse, bei welcher ausgehend vom Roccia Nera die beiden Zwillinge sowie der Mittel- und abschließend der Westgipfel bestiegen werden. 
Als Ausgangspunkt für unsere Tour wählten wir nicht, wie sonst für diese Tour üblich, Zermatt sondern die wesentlich ruhigere und ungleich schönere italienische Seite und als Übernachtungsmöglichkeit das Bivacco Rossi e Volante. Der Aufstieg von Saint Jacques bis zum Biwak schlägt sich mit knapp 2100 Höhenmetern zu Buche und stellt somit den anstrengensten Teil der Tour dar. Dafür aber folgt der Weg anfangs einem herrlichen Lärhenwald, dann erreicht man die malerische Hochebene des Pian di Verra Inferiore. Weiter geht es über Almen zur noch schöner gelegenen Verraz-Alm. Bis hierher kann man, wie wir, auch mit dem Mountainbike fahren. Die Alm selbst verfällt leider zusehends, dennoch ein herrliches Platzerl. Der weitere Aufstieg zur Mezzalamahütte wurde kürzlich von einem Hochwasser zerstört und derzeit ist der Bach wegen der zerstörten Brücke nur mühsam zu überwinden. Dennoch erreichten wir bald die Mezzalama-Hütte und bald darauf das Rifugio Guide della Val d´Ayas, wo wir unsere Turnschuhe gehen die Bergstiefel tauschten. Über den mittlerweile ziemlich sulzigen Gletscher ging es, meist im Nebel, hinauf zum Fuße des Pollux und über das Schwarztor zum kürzlich renovierten Bivacco Rossi e Volante. 
Das Biwak bietet Platz für 10 Personen und ist mit einigen, jedoch nicht übermäßig vielen Decken ausgestattet. Ansonsten muss Kocher, Gas, Essen (einige Grundnahrungsmittel sind vorhanden) und empfehlenswerter Weise ein Schlafsack mitgenommen werden. Schade ist, dass viele Bergsteiger in unmittelbarer Umgebung des Biwaks ihre Notdurft verrichten, das verleiht dem Platz nicht unbedingt großen Charme. Etwas oberhalb des Biwaks gibt es bei Plusgraden eine kleine Quelle. Da wir heute das Biwak alleine für uns hatten, wurde es eine angenehm ruhige, wenn auch kalte Nacht.

Kurz vor Sonnenaufgang starten wir über den etwa 40° steilen Hang hinauf zum Roccia Nera, die Schneedecke ist wegen der nächtlichen Bewölkung nicht gut gefroren und der Anstieg mühsam. Zudem ist der Gletscher an einigen Stellen bereits wieder blank, was zusätzliche Konzentration erfordert. Im ersten Sonnenschein erreichen wir den Gipfel und wegen des eisigen Windes geht es gleich weiter Richtung östlichem Breithornzwilling. Dieser Gipfel wird über kurze, leichte Felsen erstiegen. Von hier leiten zwei sehr steile Abseilmanöver hinab in den Sattel zwischen den Zwillingen. Dank der Bohrhakenstände und des steilen Geländes ist das Abseilen angenehm. Aus dem Sattel ersteigen wir den westlichen Breithornzwilling, sein Gipfel wird in leichter Kletterei, bei welcher man immer den Steigeisenkratzern folgt, erreicht. Eine kurze Abkletterstelle leitet uns wiederum zu einem Bohrhakenstand, von welchem wir 2x25m abseilen. Die Felsen hier sind völlig vereist und wären wohl nur äußerst heikel bekletterbar. Eine kurze Stelle unter den Felsen weist Blankeis auf und wir sichern einige Meter an Eisschrauben. Dann aber geht es rasch über den mächtig überwechteten Grat hinab zur Selle. 
Hier erwägen wir wegen des nach wie vor eisigen Windes den Abbruch der Tour, entschließen uns dann aber doch für die Fortführung. Denn der nun folgende Grat zum Mittelgipfel weist herrliche Kletterei im 4. Schwierigkeitsgrad auf. Zudem ist eine Faulpelzvariante (3+) vorhanden. Unsere Steigeisen verschwinden im Rucksack und bald stehen wir am Beginn des ersten Aufschwungs. Eine ziemlich senkrechte Kante zieht hier zwei Seillängen hinauf, es gibt einige wenige Bohrhaken. Doch dank der etwas windgeschützen Lage ist es hier wärmer und wir können mit dünnen Handschuhen klettern. Der Fels ist fest und weist stets gute Henkel und Tritte für die Bergschuhe auf. Dennoch heißt es ordentlich zupacken, denn die Kante ist stark exponiert und steil! Die folgenden Aufschwünge (bis 3) werden immer wieder von leichterem Gelände unterbrochen und wir kommen rasch voran. Lediglich die schwereren Stellen sichern wir seilschaftsmäßig, der Rest geht am laufenden Seil. Die deutlichen Steigeisenkratzer weisen zudem den richtigen Weg. Bald stehen wir am Ende des 3. Aufschwungs und abermals ändert sich der Charakter der Tour: Wir wechseln wieder auf Steigeisen und in respektvollem Abstand zu den mächtigen Wächten geht es in Kürze auf den Mittelgipfel und weiter am, teils exponierten, Grat zum Westgipfel. Der folgende Abstieg über die breite Trasse zum Breithornpass ist nur mehr Formsache, dafür ist der folgende Rückweg zum Fuße des Pollux (die direkte Abstiegsvariante ist derzeit schlecht) mühsam. Nach einer Rast bei der Ayashütte mit einer Nudelstärkung geht es zurück zu den Fahrrädern. Eine rasante Abfahrt über die holprige Forststraße führt und in Windeseile zurück ins Tal!

Die "große" Breithorntraverse stellt sich als eine der lohnendsten Gratüberschreitungen der Walliser Alpen dar. Der steile, gutgriffige Fels wird von spektakulären Firngraten unterbrochen. Die Abseilmanöver verleihen der Tour zusätzliche Würze und lassen keine Langeweile aufkommen. Dank der SO-seitigen Lage der Kletterstellen weist die Tour oft gute Verhältnisse auf und man kann wie wir ohne Steigeisen klettern. Leider mussten wir uns den ganzen Tag mit dem kräftigen Wind ärgern, was sich vor allem auf die Anzahl der Fotos negativ auswirkte. Für die gesamte Überschreitung vom Biwak bis zum Westgipfel des Breithorns werden meist 6-9 Stunden gebraucht, wir benötigten heute knapp 6 Stunden inkl. einiger weniger Pausen bei seilschaftsmäßiger Sicherung von etwa 5 Seillängen.

ZUSTIEG: Von Saint Jacques folgt man dem Wanderweg zum Rif. Mezzalama. Ist man mit dem Moiuntainbike unterwegs, so muss man in Blanchard (Dorf ober Saint Jacques) etwa 30m nach der Kreuzung mit Kapelle nach rechts zwischen die Häuser abbiegen. Es geht vorbei an einer Fahrverbotstafel für motorisierte Fahrzeuge und dann in vielen Kehren über den Schotterweg zum Pian di Verra Inferiore. Hier nun am Forstweg geradewegs weiter, an den Häusern vorbei und bei der Brücke nach rechts. Wiederum viele Kehren leiten hinauf zur Alm Verraz, hier endet die Straße. Der Weg 7a leitet nun nach links auf die Moräne und weiter zur Mezzalamahütte. Entlang der gelben Markierungen geht es nun über Felsplatten hinauf und über einen Gletscherrest. Ein steiler Blockhang und einige Fixseile führen zur Ayashütte. Hier werden nun die Steigeisen angelegt und über den Gletscher geht es über eine Rampe immer leicht rechtshaltend Richtung Zwillingsjoch. Kurz vor Erreichen desselben geht es nach links, unter dem Pollux vorbei und hinab ins Schwarztor. Hier nun über einen steilen Firnhang hinauf zum Bivacco Rossi e Volante, welches anfangs gut versteckt in den Felsen liegt. Zuletzt leitet ein Felsband in leichter Kletterei (I) zum Biwak.
Von hier nun die Felsen etwa 30m hinauf zum Beginn des SSW-Rückens des Roccia Nera. Über diesen nun (40°) aufwärts und zuletzt kurz am Grat nach rechts zum Gipfel (ca. 45 Min. vom Biwak). Man folgt nun dem Grat in gehörigem Abstand zu den Wechten nach Westen zum Gipfelaufschwung des ersten Breithornzwillings. Der weitere Aufstieg wird nun durch einen kurzen Felsriegel versperrt, man überwindet diesen am besten durch eine kurze, häufig vereiste Rinne (45°, 5m). Über leichte Schrofen erreicht man den Gipfel. Jenseits einige Meter hinab zu einem Stand mit Normalhaken, hier noch etwa 3m abklettern auf einen großen Absatz mit Kettenstand. Von hier nun 22m überhängend abseilen auf ein schräges Band und an dessen äußerer Kante zu einem gut sichtbaren Bohrhakenstand. Hier nun 20m bis zum Schnee abseilen. Über den Firngrat kurz hinab und bald ansteigend zu den Felsen des westlichen Breithornzwillings. Am Grat dem leichtesten Weg folgend bis zu einem Felsriegel. Hier nun rechts hinauf und entlang der deutlichen Steigeisenspuren nach links klettern. Über leichte Felsen zum Gipfel. Jenseits den Steigspuren abwärts folgen und vor der Abbruchkante einige Meter nach links hinab zu Schlingenstand. Hier nun über die Stufe 1m ungut abklettern zu Bohrhakenstand insgesamt 4m unter Schlingenstand. Hier nun abseilen auf Rampe (Bohrhaken), 5m weiter abseilen zu Stand in der Platte (ges. 22m). Von hier erneut in Falllinie 25m hinab zum Gletscher. Am Grat absteigend ohne Schwierigkeiten in die Selle (1,5-2h vom Roccia Nera).
Hinauf zum Felsen (BH) und nach links zum ersten steilen Aufschwung. Diesen nun entweder nach links durch ein Colouir und über die links angrenzende Rippe umgehen oder direkt an der Kante: Diese nun 3m gerade hinauf (BH, verlängern!) und nach rechts um die Kante (3+). Am Reitgrat 10m waagrecht zum Stand in Scharte. Nun gerade an der Kante hoch, wobei der erste Aufschwung (BH) links und der obere Aufschwung rechts (2 BH) in einer steilen Wand umklettert wird (4). Zuletzt über eine Stufe gerade hinauf zur Gratschneide und wenige Meter nach links zu Stand (BH). Nun in eine Scharte und um eine abdrängende Ecke (3+) in leichteres Gelände. Bald erreicht man einen schiefen Turm. Dahinter über Riss in der geneigten Platte (3) hinauf. Über nun leichteren Fels (II) einen Buckel überklettern. Durch einen Kamin hinauf (II+) und wiederum den Steigeisenspuren folgend zum letzten Aufschwung (NH). Diesen tief links querend erklettern und in Kürze zum Beginn des Schneegrates. Auf diesem zum Gipfel des Mittelgipfels. Über den Hang hinab in den Sattel und am schmalen Grat zum Westgipfel. (1,5-2h ab Selle).

ABSTIEG: Vom Gipfel der breiten Spur zum Breithornpass hinab und der meist guten Spur anfangs abwärts, bald aber wieder ansteigend unter die Felsen des Bivacco Rossi e Volante folgen. Weiter wie Aufstieg.

SCHWIERIGKEIT: IV (eine Seillänge, umgehbar), sonst einige Stellen III+ und III, meist um II.
 
ABSICHERUNG: +++/++++, durchwegs gut. An den Breithornzwillingen neue Ketten- oder Bohrhakenstände (zudem alte Schlingenstände). An der direkten Kante (III+ und IV) Bohrhaken im Abstand von etwa 7m. Friends und Keile sind im leichten Gelände gut einsetzbar, an der Kante jedoch kaum.
 
WETTER: Grundsätzlich sonnig, jedoch immer wieder auch Nebelfetzen und stets kräftiger Wind aus SO. 
 
MIT WAR: Tanja
 
Tour beschrieben von Matthias Pilz (mammut-extreme@gmx.at), ©Matthias Mountaineering

Tourengänger: Matthias Pilz


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