Alpinisteig


Publiziert von gero , 16. Februar 2009 um 22:13.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 9 August 2008
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1470 m
Abstieg: 1470 m
Strecke:Fischleintal (Dolomitenhof) - Comici-Hütte - Alpinisteig - Sentinella-Scharte - Dolomitenhof
Kartennummer:Freytag&Berndt WKS 3 - Pustertal - Bruneck - Drei Zinnen

Bevor es losgeht, sehe ich mich nochmals veranlaßt zu dem Hinweis:

der Alpinisteig ist in technischer Hinsicht nirgends wirklich schwer und an allen entscheidenden Stellen mit Fixseilen versehen - aber er führt durch hochalpines Gelände mit langen, exponierten Querungen - alpine Erfahrung, Trittsicherheit und absolute Schwindelfreiheit sind ein ABSULUTES MUSS!

Außerdem ist der Steig bekannt dafür, daß er auch im Hochsommer bei Wetterstürzen sehr schnell winterliche Verhältnisse aufweisen kann, die dann Steigeisen und Pickel erfordern. Deswegen: Vorsicht bei unsicherem Wetter - im Zweifelsfall rechtzeitig umkehren oder gar nicht erst einsteigen!


Eine Tour ohne Gipfel? Ist bei mir eher die Ausnahme, aber manchmal ist eben der Weg das Ziel. Und dieser Weg lohnt sich: höchst eindrucksvoll quert er die wilden Westhänge des Sextener Elferkofels, um im letzten, anspruchsvollen Drittel gen Osten umzubiegen zur Sentinellascharte. Und außerdem ist der Steig in höchstem Maße geschichtsträchtig ... aber auf dieses düstere Kapitel der Vergangenheit will ich nicht eingehen.

Im Sommer 2008 beging ich mit meinem australischen Bergkameraden Denis diese Steiganlage - wir starteten um 5:45 Uhr am Dolomitenhof (1454m, gebührenpflichtiger Parkplatz) im wildromantischen Fischleintal der Sextener Dolomiten. Es würde ein langer, anstrengender Tag werden - für mich umso mehr, als ich mich ordentlich beeilen mußte, um meinem mir sowohl technisch als auch konditionell haushoch überlegenen Freund hinterherzukommen. Aber so ist das halt: der Eine schafft 1000 Hm pro Std., der Andere ist schon auf die halbe Leistung stolz .....

Schon bald erstrahlten die Felszinnen der Dreischustergruppen in der Morgensonne, während wir das Fischleintal hinterwanderten. Vorbei an der Talschlußhütte (1526m), danach erst steigt der Weg an zur Comicihütte (hier ist es dann das Bacherntal): dabei hat man zunächst die imposante Nordkante des Hochleist (2413m) im Blickfeld, die später, weiter oben, zur Bedeutungslosigkeit verblassen wird. Dann nämlich, wenn nebenan das türmereiche Massiv des Zwölferkofels (3094m) in erdrückender Wucht aus dem Kar emporwächst. Wow, welch gewaltige Felsszenerie sich hier in den östlichen Dolomiten wieder auftut - vieles davon für mich als Vertreter der minderbemittelten Spezies der Normalbergsteiger nicht erreichbar, da technisch zu schwer.

Längst schon kann man gegenüber hoch oben am Westhang des Elferkofels den Alpinisteig vermuten, wie er über Bänder die ganze lange Flanke entlangzieht, während man noch hier unten durch das Bacherntal zur Comicihütte aufsteigt. Kurz vor 8 Uhr hatten wir sie erreicht, auf 2235m Höhe in aussichtsreicher Lage gelegen.

Von der Hütte weg hat man, immer bestens Richtung Alpinisteig beschildert und markiert, das Kar unter dem Zwölferkofel Richtung Giralbajoch zu queren. Kein Problem - und schon bald zweigt der Weiterweg zum Alpinisteig ab, er trennt sich nochmals kurze Zeit später vom Aufstieg zur Hochbrunnerschneid (3046m), einem der wenigen Dolomitendreitausender, die wohl verhältnismäßig einfach (und ebenfalls gut beschildert) zu erreichen sind.

Kurze Zeit später steigt man etwas ab zum Beginn des Alpinisteiges beim "Inneren Loch" (9 Uhr, ca. 2300m). Nun geht es richtig los: es wird Zeit, den Klettersteigset anzulegen und den Helm aufzusetzen. Man hat nämlich in zunehmendem Maße lange, ausgesetzte Bänder zu begehen - nie wirklich schwer, immer mit Fixseil versehen, aber in höchstem Maße alpin: Wandfluchten rechts, Abbrüche unmittelbar zur Linken! Zwischendurch heißt es auch mal "Kopf einziehen", etwa, nachdem man noch ziemlich zu Beginn um eine scharfe Ecke herum auf einem schmalen, überdachten Band 50m in eine tiefe Schlucht hinein und auf der gegenüberliegenden Seite aus dieser auf ebensolchem Band wieder herauslaufen muß. Eine höchst eindrucksvolle Szenerie, auf unendlich vielen Fotos veröffentlicht - die Alpini haben hier den Steig in den Fels hineingesprengt, dabei entstand eine künstliche Überdachung. Mit Seitenkammern für die Kanonen ....

Im hintersten Einschnitt dieser Schlucht findet sich auch im Hochsommer ein harter Schneerest, der auf Trittspuren etwa 5m weit zu überqueren ist. Grödeln sind gerade noch nicht nötig - oder manchmal doch? Sicher gut, wenn man welche sicherheitshalber dabei hat, wir brauchten sie aber nicht .... Eine Schaufel lehnt seitlich am Fels, wohl, falls man mal die vorhandene Spur weichhacken oder verbreitern muß.

Und wieder weiter, immer und immer wieder auf exponierten Bändern. Auch der fanatischste Gegner von Klettersteigen wird hier von der Großartigkeit der Landschaft in Bann gezogen. Über provisorische Holzbrücken, zwischendurch mal das "Äußere Loch" querend, eine weitere hartschneeverfüllte Rinne. Und immer wieder höchst eindrückliche Felsmauern .....

Nach diesem ersten Drittel des Alpinisteiges folgt mit dem zweiten Drittel bis zur Elferscharte ein etwas leichterer, weniger anspruchsvoller Abschnitt. Fixseile gibt es keine mehr - man braucht auch keine, alles Gehgelände, das dort leicht aufwärts durch die Geröllflanke des Elferkofels führt.

Recht grimmig schaut das Terrain zur Elferscharte hin schon aus! Was erwartet uns danach, wie wird das letzte Drittel hinüber zur Sentinellascharte sein? Man kann das folgende Gelände nicht einsehen, bevor man die Elferscharte erreicht hat. Wieder einmal macht sich diese unvermeidliche seelische Anspannung breit .... wird man der weiteren Tour ebenfalls gewachsen sein?

Drüben, auf der anderen Talseite, liegt inzwischen die Comicihütte in der Sonne - und darüber schauen groß und mächtig die Drei Zinnen über das Büllelejoch herüber. Wir haben sie gar nicht bemerkt, so sehr hat uns die Großartigkeit des Alpinisteiges gefesselt.

Die Elferscharte (ca. 2600m) haben wir um 10:30 Uhr erreicht. Ui, da steht ja ein Wegweiser: ja, man kann hier vor dem letzten Drittel des Alpinisteiges flüchten (und sich um den letzten Genuß bringen): steil, aber unschwierig auf markierten Serpentinen zu den Rotwandwiesen ins Fischleintal hinunter absteigen! Aber wer dies tut, ist selber schuld, denn obwohl der folgende Abschnitt hinüber zur  Sentinellascharte der anspruchsvollste ist, ist er mit absoluter Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sehr gut zu begehen. Gut abgesichert, obwohl nicht immer ganz zuverlässig, da das Gestein nun zusehends brüchiger wird.

In ständigem Auf und Ab quert man die ausgesetzte Nordflanke des Elferkofels - einerseits geht es besser, als es manchmal aussieht, andererseits braucht es nahezu durchgehende Fixseile und etliche Leitern, damit wir Durchschnittsbergsteiger überhaupt eine Chance der Begehung haben! Aber die Moral ist gut und der Spaßfaktor hoch - trotz gelegentlich viel Luft unter den Sohlen!

Nach etwa 1 Std. kommt man wiederum an einem großen Wegweiser an .... mitten im Gefels, das Ende des eigentlichen Alpinisteiges! Hier gönne man sich das Vergnügen und steige, weiterhin bestens abgesichert, am Drahtseil aufwärts und dann querend hinüber in die Sentinellascharte. Obwohl man nachher alles wieder zurück muß, um den Abstieg ins Fischleintal abzuklettern.

An der Sentinellascharte (2717m) waren wir kurz vor 12 Uhr. Eine mächtige Kaverne haben die Alpini hier in den Fels gesprengt - beeindruckend und traurig gleichzeitig. Wie konnte man sich in dieser gewaltigen Landschaft nur gegenseitig beschießen! Wir sind unmittelbar unter der Südkante der Sextener Rotwand angelangt, könnten noch einen der (schwierigeren) Klettersteige dort hinauf begehen - aber wir faulenzen in der Sonne, haben eh noch einen genügend langen Rück weg vor uns!

Wie schon gesagt, man muß alles wieder zurückklettern bis zum Wegweiser am Ende des Alpinisteiges, mitten im Gefels. Und hat erst jetzt den meiner Ansicht nach technisch schwierigsten Teil des Klettersteiges vor sich, und das im Abstieg: hinunter, immer am straff gespannten Fixseil, von Felskanzel zu Felskanzel, in das gewaltige Schuttkar, das gegen das Fischleintal hinabzieht.  Etliche Male heißt es kräftig zupacken am Ende dieser langen Tour - ohne Fixseil wäre dies sicher ein glatter IV. Grad!

Den obersten Rand des Kares haben wir gegen 13:15 erreicht. Wer glaubt, dieses gewaltige Kar genüßlich abfahren zu können, der irrt: Schritt für Schritt auf ungemütlichem Untergrund hat man sich hinunterzuarbeiten, zusehends werden die Beine müde, man wünscht allmählich Entspannung für die Muskulatur - die erst ganz drunten im Fischleintal beim Erreichen der Talschlußhütte einsetzt.

Dann schlenderten wir noch zurück zum Dolomitenhof. Kurz vor 15 Uhr waren wir wieder am Auto. Und schon kehrten die erschöpften Lebensgeister zurück ....

Tourengänger: gero


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Kommentare (2)


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Lechtaler hat gesagt: danke....
Gesendet am 19. Februar 2009 um 21:56
Hallo

durchgehalten- durchgelesen- für gut befunden -:))
da wir schon auf der hüttte waren- und nur in die wand gesehen haben - weil wir zur 3 zinnen hütte weiter sind - hast du uns einen einblick vermittelt !

LG - charly

bilder sind hier

www.charlywinkler.net

gero hat gesagt: RE:danke....
Gesendet am 19. Februar 2009 um 22:04
Und nochmals Danke für Deinen netten Kommentar, Charly! Ist eine lange Geschichte, was? Einfach, weil es hinter jeder Ecke was Neues zu entdecken, zu genießen gibt, und somit auch hier beschrieben worden ist!


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