Ortler, 3905m - ein Traumtag!


Publiziert von Linard03 , 8. Juli 2016 um 05:32.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 3 Juli 2016
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:K2 Hütte - Tabaretta-Hütte - Payer-Hütte - Ortler
Zufahrt zum Ausgangspunkt:per PW nach Sulden

Der Ortler stand schon lange auf meiner Projektliste, ebenso bei Markus und so war es nur logisch, dass wir diesen Gipfel zusammen besteigen würden. Irrtümlicherweise hatten wir die Tour zunächst für Freitag/Samstag gebucht, was wir jedoch noch korrigieren konnten – und damit letztlich goldrichtig lagen: während man am Samstag auf dem Ortler noch im Nebel sass, sollte es am Sonntag ein Prachtstag werden.
 
Anreise und Hüttenzustieg
Der Ausgangsort liegt nicht gerade ums Eck; nach 4 Std. Autofahrt via Flüela und den mir bestens vertrauten Ofenpass gelangten wir schliesslich nach Sulden. Die Sesselbahn machte gerade Mittagspause, was uns gelegen kam, denn wir wollten sowieso noch etwas „Kleines“ essen. Ein Teller Spaghetti schien mir gerade richtig – ich hatte jedoch nicht mit den Südtiroler Portionen gerechnet: ich erhielt eine ganze Pfanne von Spaghetti, was locker für 3 Personen gereicht hätte …
 
Mit vollem Bauch liessen wir uns mit den Langenstein-Sesselbahn bis zur K2-Hütte (2330m) hochschaukeln. Von hier aus sollte die Payerhütte angeblich in „ca. 2 Std.“ erreichbar sein, was ich im Nachhinein jedoch als sehr sportlich empfinde … Der Wanderweg, zunächst eher abwärts gehend (Steig Nr. 10), führte alsbald in eine nicht enden wollende Hangquerung (Weg Nr. 4A). An deren Ende begann der Aufstieg zur Tabarettahütte (2556m).
Nach einer kurzen Verschnaufspause ging’s gleich weiter, bald steiler aufsteigend, hoch zur Bärenkopfscharte (2879m). Ich bekundete einige Mühe im Aufstieg, lag doch die riesige Spaghetti-Portion schwer auf dem Magen … Nun folgt man auf der nördlichen Kammseite weiter dem Wanderweg, welche an einer Stelle leicht ausgesetzt ist und deshalb wohl mit Ketten gesichert ist.
 
Schliesslich erreichten wir die Payerhütte (3020m) nach ca. 2 ½ Std. Aufstiegszeit. Wir erhielten ein kleines 4er-Zimmer zugewiesen, welches wir nur wir beide belegen durften – angenehm! Überhaupt war ich erstaunt, dass die Hütte nur mässig belegt war, und dies an einem Wochenende! Uns sollte es recht sein … Obwohl mein Bauch vom Mittagessen immer noch voll war, konnte man das leckere Nachtessen (ein 4-Gänger!) einfach nicht ausschlagen ;-). Unser Bergführer Josef gesellte sich beim Nachtessen ebenfalls zu uns und so konnten wir auch gleich den morgigen Tag besprechen.
Während sich etwa 10 Leute um einen kleinen Laptop-Bildschirm scharten, um das Fussballpiel DE-IT zu verfolgen, legten sich Markus und ich ins Bett, schliesslich wollten wir ja wieder früh raus …
 
Gipfeltag
03.30 Uhr Tagwache, 4 Uhr Frühstück, 4.40 Uhr Abmarsch. Noch lag viel Nebel um die Hütte, aber es sollte später besser werden. Angeseilt wurde gleich schon bei der Hütte. Wir starteten als erste Seilschaft, drei weitere werden folgen – mehr war an diesem Sonntag nicht! Also Helm auf und los geht’s!
Gleich nach der Hütte gilt es bereits, sich zu konzentrieren. Eine teilweise heikle Querung im nicht ganz so festen Schnee, welche immer wieder mit Eisblasen durchsetzt ist. Dies gilt auch für das folgende Felsgelände, wo es ebenfalls auf eisige Stellen zu achten galt. Weiter nun durch felsiges Gelände, in einem ständigen Auf- und Ab, weshalb man auch nach ca. 1 Std. kaum einen Höhenmeter gewonnen hat.
 
Immer noch im Nebel erreichen wir das berühmte „Wandl“, eine ca. 70m hohe Wand, die es zu durchsteigen gilt. Diese Wand ist meistens gut gestuft und zusätzlich mit Ketten versehen, weshalb sich die Schwierigkeiten in Grenzen halten (bei Schnee, Nässe oder gar Vereisung sieht dies wohl wieder anders aus). Nach dem Holzkreuz erfolgt schon bald die Schlüsselstelle. Mit dem Tipp des Bergführers, welchen Fuss wohin stellen, war die Stelle dann problemlos zu meistern.
 
Irgendwann war die Kletterei im Fels zu Ende und vor der Scharte, welche zum Gletscher führt, zogen wir die Steigeisen an. Weiter ging’s also jetzt im Firn; die Spur war angenehm hart. Wie so oft empfand ich allerdings die ungleichen und v.a. hohen Stufen als etwas mühsam … Der Aufstieg erfolgt relativ lang in der direkten Falllinie von potentiellen Serac-Abstürzen – nicht unbedingt angenehm …
 
Bald hatten wir das Bärenloch erreicht und nachdem die unmittelbare Gefahrenzone verlassen hatten, musste ich mal nach einer Fotopause fragen ;-). Kurze Zeit später erreichten wir den Sattel und somit auch die Sonne; herrlich! Uns bot sich bereits jetzt eine phänomenale Aussicht. Auch der Gipfel war jetzt in Sichtweite, aber der Weg dorthin zieht sich noch.
 
Während wir hier eine Pause einlegten, folgte die zweite Seilschaft. Diese wurde von einem Bergführerkollegen Josef’s geführt; er beschied seinen zwei Gästen „… ist erst die Hälfte hier!“. Na ja, fand ich jetzt leicht übertrieben; so ganz hätte ich das jetzt nicht unterschrieben (von hier aus waren's noch ca. 1 1/2 Std. ...). Die bedauernswerten Gäste erschraken erst mal …
 
Tatsächlich ging’s aber jetzt nochmal zur Sache, denn eine weitere steile Gletscherrampe stand an. Ist diese gemeistert, flacht das Gelände ab; der Gipfel ist in Sicht. Die letzte Passage zieht sich jedoch noch ziemlich in die Länge. Schliesslich erreichten wir um 08.20 Uhr den Gipfel des Ortlers (3905m). Heute waren wir die ersten auf dem Gipfel; was für eine Aussicht! Trotz vielen Wolken (Waschküchenwetter …) sah man bis zu den Berner Alpen (Finsteraarhorn), die Wildspitze, Weisskugl und andere Bekannte. Einzig die Dolomiten waren komplett in den Wolken.
 
Die 2. Und 3. Seilschaft kam nach; natürlich wurden gegenseitig viele Fotos gemacht … Unseren Lunch nahmen wir an der windgeschützten SO-Seite ein; ziemlich exponiert und mit vieeel Luft unter den Füssen … ;-). Wir waren etwa 40 Min. auf dem Gipfel, was wohl eher ungewöhnlich ist auf einer Hochtour. Aber Josef war derart mit uns als Gästen zufrieden, dass er keine Eile hatte ;-)).
 
Irgendwann war’s halt doch Zeit, Abschied von diesem herrlichen Aussichtspunkt zu nehmen. Da auch noch 2-3 Seilschaften vom Hintergrat aufstiegen, waren im Abstieg etwas mehr Leute unterwegs. Stau gab es jedoch nirgends, denn wir waren auch wieder die erste Seilschaft, welche abstieg. Auf demselben Weg ging’s also zurück, wobei wir jetzt auch sehen konnten, wo wir im Nebel aufgestiegen waren … Bis auf die Schlüsselstelle, wo uns Josef abgeseilt hat, sind wir alles wieder abgeklettert.
Ohne Probleme erreichten wir die Payerhütte ca. 7 Std. nach unserem Aufbruch. Jetzt war natürlich ein Gipfeltrunk angesagt, was hier oben naturgemäss in Form eines Weizen geschieht …
 
Der Rest ist schnell erzählt: zügig stiegen wir zunächst zur Tabaretta-Hütte ab, wo wir uns von Josef verabschiedeten. Markus & ich gingen gleich weiter zur K2-Hütte, wobei der letzte der zahlreichen Gegenanstiege noch etwas zäh wurde. Gemütlich gondelten wir mit der Sesselbahn wieder nach Sulden runter und fuhren gleich anschliessend nach Hause.
 
Tour mit Markus.
 
Fazit:
Eine Traumtour bei besten Bedingungen, Kaiserwetter und wenig Leute unterwegs – was will man mehr? Jedenfalls war’s heute eine reine Genusstour! Ob Normalweg oder Hintergrat, beide Aufstiege sind fordernd, abwechslungsreich und interessant. Für mich definitiv ein Gipfel, welcher ins Tourenbuch gehört!
 
Bemerkungen:
Ohne Bergführer wäre diese Tour eine Nummer zu gross für mich. Ich empfand die Orientierung alles andere als leicht – nicht nur am Morgen im Nebel, auch bei bestem Wetter im Abstieg. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Josef für die äusserst angenehme und kompetente Führung!
Eine gute Routenbeschreibung gibt’s z.B. von roger_h in seinem Bericht
 
Zeiten:
  • K2 Hütte – Payer Hütte: ca. 2 ½ Std.
  • Payerhütte – Gipfel: ca. 3 ¾ Std.
  • Gipfel – Payer Hütte: ca. 2 ¾ Std.
  • Payer Hütte – K2 Hütte: ca. 1 ¾ Std.

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (15)


Kommentar hinzufügen

MaeNi hat gesagt: Toll!
Gesendet am 8. Juli 2016 um 07:42
Da hast Du in der Tat einen Traumtag erleben dürften! Herzliche Gratulation zum Ortler (der auch noch irgendwo auf unserer laaangen Projektliste steht)
LG und weiterhin gute Touren!
Nicole und Marcel

Linard03 hat gesagt: RE:Toll!
Gesendet am 8. Juli 2016 um 18:41
Danke Euch!
Eine garantiert lohnende Tour - und wenn die Bedingungen stimmen (also z.B. kein Blankeis, etc.), dann ist das Ganze umso schöner!
Euch wünsche ich ebenfalls weiterhin gute Touren!
LG, Richard

TeamMoomin hat gesagt: Hey Richard
Gesendet am 8. Juli 2016 um 15:35
ich gratuliere dir auch ganz herzlich zu diesem Traumberg und das bei solchem Traumwetter! Da hast du dir ja echt ein Berggourmetmenü gegönnt!

Wünsche wieterhin einen guten Bergsommer und immer sichere Touren.

Grüsse aus Island (wo ich seit 5Tagen perfektes Wetter geniesse ;-) )

Oli und Moomin

Linard03 hat gesagt: RE:Hey Richard
Gesendet am 8. Juli 2016 um 18:44
Hey Oli, Du Weltenbummler!

das hast Du schön formuliert; es war tatsächlich ein hervorragendes Berggourmetmenü ... ;-)
Dir wünsche ich weiterhin viel Spass in Island; natürlich nur schönes Wetter und möglichst wenig Gegenwind ... ;-))

Gruss,
Richard

TeamMoomin hat gesagt: RE:Hey Richard
Gesendet am 12. Juli 2016 um 20:10
Nur als Kurzinfo nach meinem Statement zum Wetter und Co. hbae ich nun schon seit 4Tagen Regen und Schräg oder Gegenwind *lach*, aber easy geht auch vorbei,

Grüsse aus Höfn

Linard03 hat gesagt: RE:Hey Richard
Gesendet am 12. Juli 2016 um 22:06
Dich kann wohl nichts umhauen ... ;-)
Aber ja, vom Hörensagen soll das Wetter in Island ziemlich abwechslungsreich sein ... ;-)))

Weiterhin viel Spass!
Gruss, Richard

TeamMoomin hat gesagt: RE:Hey Richard
Gesendet am 22. Juli 2016 um 22:14
Danke, wünsche dir einen guten udn sicheren Bergsommer.

Lg Oli und Moomin

pika8x14 hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2016 um 01:10
Hallo Richard,

herzliche Gratulation - da habt Ihr ja wirklich perfekte Bedingungen erwischt. Nun müsste der Ärger über das Wetter während Eurer Island-Tour ja endgültig vergessen sein?-).

Mal sehen, ob wir den Ortler irgendwann auch angehen werden, wo dieser doch ein Gipfel ist, "welcher ins Tourenbuch gehört" ;-).

Viele Grüße, Andrea + André.

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2016 um 11:52
Danke Euch!

und ja, mit dieser Tour ist der Ärger über das miese Island-Wetter endgültig verflogen ... ;-))

Euch kann ich die Ortler-Tour nur empfehlen! Und falls ihr dafür einen kompetenten Bergführer sucht, kann ich Euch diese Bergschule nur empfehlen.

Gruss, Richard

roger_h hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2016 um 13:58
Salü Richard
Ich gratuliere dir zum Ortler, den ich ebenfalls in bester Erinnerung habe :-)
Gruss und weiterhin schöne Bergtouren
Roger

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2016 um 13:25
Hoi Roger,
merci für Deine Rückmeldung!

Grossen Respekt Dir und auch anderen Berggängern gegenüber, welche die Tour ohne Bergführer machen! Wie erwähnt, fand ich die Wegführung nicht so trivial, trotz Topo (welches ich übrigens erst mittels Link auf Deinem Bericht gefunden hatte ...).
Wenn es Schneespuren hat, geht es eher noch; ansonsten ...

Schönen Bergsommer und gutes Gelingen wünscht Dir
Richard

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 11. Juli 2016 um 21:26
Eine tolle Tour und schöne Bilder - ich gratuliere! Der Ortler steht auch auf meiner Liste. Ein gewaltiger Brocken! Viele Grüße aus Bayern!

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Juli 2016 um 21:53
Danke Dir!
die Tour kann ich wirklich nur weiterempfehlen - gute Bedingungen vorausgesetzt!
Gruss nach Bayern!

gero hat gesagt:
Gesendet am 30. Juli 2016 um 11:01
Servus Richard,

natürlich auch von mir Gratulation zum Höchsten der Ostalpen!

Was mich irritiert: als ich am 8. Juli 1996 auf den Ortler stieg, folgte als Schlüsselstelle nach dem von Dir geschilderten Wandl mit den Ketten das TSCHIRFECK - ein bißchen ausgesetzte Zweierkletterei, wir kamen unmittelbar oberhalb am LORENZI-Biwak vorbei.

Geht man heute nicht mehr diesen Weg? Gibt es die Biwakschachtel nicht mehr?

Grüße wieder mal vom Gero

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. Juli 2016 um 16:26
Servus Gero

Danke Dir für die Huldigung ... ;-)
Na ja, ev. war ich nicht so detailgetreu in dem Routenbeschrieb …:

Nach der Kettenpassage folgt eben die Schlüsselstelle (Tschierfek?), danach wird der Grat etwas flacher, bevor eine Scharte folgt. Unmittelbar nach der Scharte betritt man den Gletscher, traversiert zunächst, bevor man zum Bärenloch ansteigt, danach folgt eine weitere Steilpassage und erst dann erreicht man das Lombardi Biwak (welches ich jedoch im Aufstieg glatt übersehen habe …). Man passiert also weiterhin das Lombardi Biwak, das hätte sich somit in den letzten 20 Jahren nicht verändert …

Lorenzi-Biwak sagt mir allerdings nix (aber ich gehe mal davon aus, dass Du Lombardi gemeint hast …)
Gruss, Richard


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