Piz Bernina-Überschreitung


Publiziert von garaventa , 12. August 2015 um 20:56.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:28 Juli 2015
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Piz Bernina   Bernina-Gruppe   Palü-Gruppe   I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 2244 m
Abstieg: 1349 m
Strecke:wie im Text beschrieben
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PKW
Kartennummer:SLK Blatt 1277 Bernina

Besteigungsbericht:
 
 Piz Bernina-Überschreitung  via Biancograt / Spallagrat am 27-28.07.2015
 
Eines Vorweg: Den östlichsten aller Alpen-Viertausender hatte ich zunächst einmal überhaupt nicht auf der aktuellen Gipfel-Wunschliste für 2015.
 
Viel eher hatte ich näherliegende Gipfelziele im Berner Oberland wie z. B. Schreck-Lauteraarhorn  oder etwas in der Region von Chamonix im Hinterkopf.

Aber wieder einmal trafen Umstände ein, die ein Umdenken erforderlich machten.
Ausgesetzte Gratüberschreitungen im BO waren für den angestrebten Tour-Termin infolge starken Windes als sehr ungünstig einzustufen und von Klettereien am Mont-Blanc-und Umgebung wurde infolge starken Steinschlages ebenfalls dringend abgeraten.

So geht es am frühen Morgen des 27 Juli  mit dem Auto einmal quer durch die Schweiz nach Graubünden, hinein ins schöne Engadin.

Von Pontresina aus nehmen wir den schattigen Waldweg hinein ins wunderschöne Val Roseg. Diesem Weg, der parallel zur unbefestigten Fahrstraße ins Tal hinein führt, sollten Fußgänger unbedingt den Vorzug geben. Ansonsten müsste man den dort ständig hin und her pendelnden Pferdekutschen und deren Hinterlassenschaften ausweichen, was auf Dauer keine Freude macht.

Nach einem kurzen Zwischenstopp am Hotel Roseg nehmen wir den Weg hinauf zur Tschiervahütte entspannt in Angriff, welche wir nach ca. 2 Stunden erreichen.
Von der Hüttenterrasse aus hat man einen wunderschönen Blick hinauf zum Piz Bernina und der Biancograt zeigt sich in seiner ganzen Schönheit und Länge als Vorgeschmack für den morgigen Tag.

In Anbetracht der Jahreszeit wird bereits um 2:30 Uhr geweckt und nach einem kurzen Frühstück geht es auch kurz nach 3 Uhr schon los. Zunächst folgt der Pfad in südöstlicher Richtung weiter dem Moränenrücken, bevor es dann 200m oberhalb der Hütte an Ketten eine Steilstufe hinauf geht.
In unregelmäßigen Abständen ist der Weg durch die Felsen und Blöcke mit Reflektoren versehen, um die Route in der Nacht besser finden zu können.

Wir erreichen den Rand des Tschiervagletschers und biegen nach Norden ab in eine Gletscherbucht, welche vom Piz Prievlus herabzieht und uns zum Aufstieg in die Fuorcla Prievlusa dienen wird.
Das Gelände steilt deutlich auf und es geht mal über Fels aber zunehmend häufiger durch Schnee und Firn steil hinauf, der Fuorcla Prievlusa (3430m) entgegen, welche wir noch vor Sonnenaufgang erreichen.
Es gilt nun einen breiten Felskopf zu übersteigen, bevor es ostseitig über ein schuttiges Band hinab an den Rand des steilen Gletschers geht, der uns hinauf zum Beginn des Biancogrates leiten wird.

Unsere Konzentration wird plötzlich durch ein lautes, weit entferntes Rumpeln und Grollen unterbrochen.
Wir werden Zeugen eines riesigen Felssturzes auf der gegenüberliegenden Talseite, welcher  aus der Westflanke des Piz Cambrena herausbricht und talwärts donnert.
Eine Staub- und Geröllwolke rutscht auf den Gletscher unterhalb der Cambrenaflanke hinab und kreuzt dabei offenbar auch die dort verlaufende Steigspur. Dieses Ereignis soll unsere weitere Tagesplanung später noch beeinflussen.

Wir setzen unseren Aufstieg jedoch bald fort. Die Steigeisen greifen sicher im noch festen Firn des wunderschönen Schneegrates, der jedoch, der Jahreszeit geschuldet, nicht ganz so (Bianco) aussieht, wie man ihn von Fotos aus Bergbüchern oder Postkarten her kennt.
Der Firngrat steilt alsbald deutlich auf und führt uns an seinem Ende auf den Piz Bianco, der mit 3995m den höchsten Punkt des Biancogrates markiert.

Von dort öffnet sich der Blick auf den weiteren Aufstiegsweg und es wird deutlich, dass wir lange noch nicht am Gipfel sind. Der Felsgrat beginnt zunächst horizontal, bevor er steil in die Berninascharte abbricht.
Nach dem Abseilen hinab in die Berninascharte folgt ein luftiger Turm, der in ansprechender Kletterei direkt überstiegen wird, bevor der letzte steile Grataufschwung in luftiger Kletterei zum Gipfel hinauf führt.

Nach 4,5h stehen wir zunächst alleine auf dem Piz Bernina und geniessen von dort die imposante Aussicht in die verschiedenen Himmelsrichtungen. Im Westen sind deutlich die Walliser Alpen zu erkennen, im NW zeigen sich die Berner Alpen, im NO sind Ortler und Königsspitze klar auszumachen.

Nach einer angemessenen Gipfelrast treten wir den Abstieg nach Süden über den Spallagrat an, auf dem sich inzwischen etliche Seilschaften, von der Rifugio Marco e Rosa-Hütte (3597m) kommend, den Weg nach oben bahnen. Bei der Gratschulter La Spedla (4020m) verlassen wir Schweizer Boden und steigen in SO-Richtung auf italienischem Hoheitsgebiet hinab zur Rifugio Marco e Rosa.

Von dort telefoniert mein Führer mit der Schweizer Bergwacht um den grossflächigen Felssturz in der Piz Cambrena-Westflanke zu melden, den wir vom Biancograt aus beobachtet hatten.
Ein Helikopterpilot hat inzwischen die Situation aus der Nähe in Augenschein genommen und kommt zu dem Ergebnis, dass der Felssturz einen beträchtlichen Teil der Abstiegsroute vom Piz Palü hinunter getroffen hat und damit auch unseren weiteren Weg und Tagesablauf maßgeblich durcheinander gebracht hat.

Eigentlich war die weitere Route  an der Bellavista vorbei und dann wieder hinauf zum Piz Spinas-Piz Palü fest eingeplant. Aufgrund der geschilderten Vorkommnisse müssen wir aber von dieser Idee Abschied nehmen, denn wir erfahren, dass immer noch kleinere und grössere Blöcke und Steine aus der Cambrena-Flanke auf die Abstiegsroute herunterfallen und somit dieses Unterfangen als viel zu gefährlich darstellen würden.

Somit verlassen wir die Rifugio Marco e Rosa und begeben uns auf die vollständige Traversierung der Bellavista und steigen dann über die Fortezza hinab auf den Vadret Pers.
Dieser Gletscher muß vollständig überquert werden bevor uns dann noch einmal 300 Höhenmeter hinauf zur Bahnstation Diavolezza (2973m) erwarten.

Diese erreichen wir kurz vor 13 Uhr mit dem Eindruck, eine traumhaft schöne und abwechlungsreiche Bergtour in einer extrem wilden und ursprünglichen Umgebung beendet zu haben.

Die Einflüsse dieses heissen Sommers und das dadurch hervorgerufene Zurückweichen des Permafrostes haben unsere Tourenplanung zwar (leider) etwas durcheinandergebracht. Es überwiegt aber andererseits das Gefühl, das verantwortbare gemacht zu haben ohne ein unkalkulierbares Risiko für Leib und Leben eingegangen zu sein.

Die Wünsche und Ziele des Bergsteigers sollten immer den körperlichen Fähigkeiten  und den aktuellen Verhältnissen am Berg angepasst werden. Ein Beharren darauf, Geplantes zu 100% zu verwirklichen, sollte das Gespür für Gefahren nicht trüben.  

Zu guter Letzt:

Diesmal habe ich es vielleicht mit der Menge an Bildern übertrieben, aber es viel mir so schwer, eine Auswahl zu treffen.

Nächstes Jahr gibt´s dann zum Ausgleich nur Text.

Gruss garaventa

Tourengänger: garaventa


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Kommentare (4)


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Zolliker hat gesagt: Grossartig
Gesendet am 13. August 2015 um 07:51
Wunderbar beschriebene Tour. Ich werde sie auf meine ToDo Liste nehmen!

Danke für die Mühe und die schönen Bilder,
Edwin

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 13. August 2015 um 09:44
Hey Garaventa

Gratuliere herzlich zu dieser Tour - fantastische Bilder hast Du da mitgebracht!

Und ja nicht, es wäre schade, nächstes Jahr nur Text zu senden - egal ob wenig oder viele Bilder, Hauptsache zeigen, was Du erlebst hast :-)

Weiter so, wirklich schön.

Grüsse
Bombo

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 23. August 2015 um 14:26
Da hast du aber mal wieder ein echtes Garaventa-Tempo vorgelegt!! 4,5 Stunden von der Tschiervahütte auf den Piz Bernina... und dabei noch soo viele Fotos machen können, Reespekt, junger Mann. Bezüglich der Fotos schließe ich mich den anderen Kommentatoren an... schöne Bilder!
Bei mir geht's in 3 Wochen nochmal ins Wallis. Hoffe, dem Sommer geht dann noch nicht die Puste aus!!
Grüße aus Flachlandhausen
WoPo

morphine hat gesagt:
Gesendet am 25. September 2015 um 20:12
Gratulation zum Piz Bernina! Bilder zu so einer schönen Tour kannst Du gar nicht genug hochladen! Bitte weitermachen :-)!

Gruß
morphine


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