Biancograt am Piz Bernina - auch im Nebel ein besonderes Erlebnis


Publiziert von rhenus , 28. August 2019 um 12:31.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum: 2 August 1975
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Piz Bernina   Bernina-Gruppe   I   Palü-Gruppe 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1500 m

Nur wenige Monate nach unserer herrlichen Skitour zum Piz Bernina besuchten wir diesen höchsten Gipfel der Ostalpen erneut, und zwar über die "Himmelsleiter", den Biancograt hinauf und den Spallagrat hinunter. Leider herrschte oberhalb der Fuorcla Prievlusa Nebel, sodass wir die vielgerühmte Aussicht vom ausgesetzten Grat nicht geniessen konnten. Ich habe die lange Tour nicht allzu schwierig in Erinnerung, auch zu dem heute häufigen Stau bei der Fuorcla Prievlusa kam es damals nicht.

Der Übergang vom Pizzo Bianco über die sog. Berninascharte zum Berninagipfel galt lange Zeit als unmöglich: "Absolument impossible", so die Aussage des damaligen französischen Topalpinisten Henry Cordier. Die Überschreitung  über die Berninascharte gelang erst 1878, 28 Jahre nach der Erstbesteigung der Bernina durch Johann Coaz. Am 12. August 1878 stiegen die beiden Pontresiner Bergführer Hans Grass und Johann Gross mit ihrem deutschen Gast und bekannten Alpinisten Paul Güssfeldt über den Biancograt zum Piz Bianco. Güssfeldt schilderte seine Eindrücke zur Schlüsselstelle in den "Alpen" von 1878 wie folgt: "Am Ende des (Bianco-)Grates erhob sich, schaurig anzusehen, starr in die Lüfte ragend, die Felsenpyramide der höchsten Berninaspitze; zwischen dieser und unserm Standpunkt aber lag ein Stück Weges, das nicht für Menschen bestimmt schien. Anfänglich in geringem Fall gegen Süden laufend verschwand die Gratlinie plötzlich, indem sie senkrecht zur Scharte sprang und sich aus dieser wieder zu einer thurmartigen Felsenbildung erhob, die durch eine zweite Scharte von der Berninaspitze getrennt war....In den Anblick dieser ergreifenden Scenerie versunken ... hörte ich Hans Grass hinter mir sagen: "Jetzt sehen sie nun selbst, Herr Doktor, dass man da nicht hinüberkommt.""  Güssfeldt stachelte daraufhin den Ehrgeiz seiner Bergführer an und erzwang mit ihnen die bis dahin für unmöglich gehaltene Überschreitung der Berninascharte zum Gipfel. Nach einer Mordstour von über 18 Stunden ab der Alp Misaun im Rosegtal erreichten sie das Restaurant Morteratsch. Seither sind wohl Tausende von Bergsteigern ihrer einzigartigen Route auf einem der wohl schönsten Grate der Alpen gefolgt.


Beschreibung der Tour
Nach einer kurzen Nacht - am Vortag hatten wir auf der Hüttenterrasse noch den 1. August gefeiert - starteten wir in aller Früh so um halb vier Uhr morgens von der gut belegten Tschiervahütte in Richtung Fuorcla Prievlusa. Obwohl wir am Vortag den Piz Scerscen über die Eisnase besteigen hatten, waren wir drei (Felix N., Heini M. und ich) alle zwäg. Mit etwa einem Dutzend Bergsteigern mit gleichem Ziel stiegen wir im Dunkel der Nacht hoch zu den ersten Felsen. Die Wegfindung wurde durchvorangehende Seilschaften erleichtert.  Der steile Firnhang unterhalb der Fuorcla Prievlusa war mit Steigeisen gut begehbar, die Kletterstelle bis zum Biancograt war einfach (II). Obwohl am Vortag noch prächtiges Bergwetter herrschte, waren wir nun bis zum Erreichen der Marco e Rose Hütte in Nebel eingehüllt. So stiegen wir mit unseren währschaften, schmiedeisernen Steigeisen und den für diesen Zweck durchaus geeigneten Pickeln mit langen Holzstielen bei gutem Trittschnee den langen und steilen Biancograt hinauf zum Pizzo Bianco. Vorsichtig und gut gesichert traversierten wir alsbald die Berninascharte (III), denn der Nebel hatte in der Zwischenzeit an den surreal wirkenden Gipfelfelsen glitschigen Rauhreif angesetzt. So erreichten wir den Piz Bernina und sahen - nichts! Welch ein Kontrast zum einzigartigen Gipfelpanorama vor wenigen Monaten.

Bei diesen doch nicht allzu freundlichen Verhältnissen mit entsprechend kühlen Temperaturen kriegten wir rasch ein kaltes Füdli. So blieben wir nicht lange auf dem Gipfel sitzen und stiegen über die Normalroute (Spallagrat) hinunter. Dabei kamen uns einige wenige Seilschaften entgegen. Etwa auf Höhe der Marco e Rosa Hütte, die damals einen etwas vernachlässigten Eindruck auf uns machte und wo wir nur kurz rasteten, stiegen wir unter das Nebelmeer und die Sicht wurde endlich besser. Unter der Crast Agüzza und der Bellavista Terrasse vorbei stapften wir auf guter Spur in Richtung der Fuorcla Bellavista. Von dort in ziemlich genau nördlicher Richtung zügig zum Fortezzagrat und zur Isla Persa hinunter, die ich von unserer Skitour her bereits kannte. Dann querten wir unschwierig den Persgletscher und stiegen zum Berghaus Diavolezza empor. Ob sich die Hochnebeldecke in der Zwischenzeit verzogen hatte, habe ich nicht mehr in Erinnerung. Jedenfalls freuten wir uns sehr über die bei besonderen Verhältnissen durchgeführte, tolle Tour. Mit der Diavolezza-Bahn und der RhB fuhren wir nach unseren zwei herrlichen Bergtouren im Berninagebiet müde aber glücklich nach Hause. Leider sind die damals aufgekommenen Farbfotos inzwischen stark abgeschossen und nur von mässiger Qualität.


Tourengänger: rhenus


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