Wetterstein, Zugspitzbesteigung via Höllental


Publiziert von rennt0815 , 4. August 2015 um 14:34.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:31 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 5 Tage
Aufstieg: 3300 m
Abstieg: 4100 m
Strecke:...lang!
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖPNV bis Garmisch/ Talstation Alpspitzbahn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Pferdekutsche ab Olympiastadion GAP oder ÖPNV
Unterkunftmöglichkeiten:Höllentalangerhütte (Neubau 2015!), Münchener Haus, Knorrhütte, Schachenhaus, Meilerhütte

Der Klassiker: Zugspitzbesteigung via Höllental, aber nicht durch die Höllentalklamm, sondern ab Osterfelderkopf:

Das Wettersteingebirge mit seinem großen Einzugsgebiet einschließlich München und dem Publikumsmagneten „Zugspitze“ ist nur auf den ersten Blick ungeeignet für einsame Alleintouren. Wer Zeit mitbringt und sich weiter von Garmisch oder Ehrwald als den klassischen Ausgangspunkten und insbesondere von der Zugspitze weg in die Seitentäler wagt, trifft nicht allzu viele Wanderer- sogar in den Sommerferien. Ideal für „innere Einkehr“, tiefergehende Gedanken und für beeindruckende Naturerlebnisse.

Je nach Streckenwahl erlebt man hier trotzdem eine Achterbahnfahrt der Extreme zwischen Tourismus-Trubel und stundenlangem Alleinsein. Für meine Fünf-Tage-Tour habe ich den Spätsommer gewählt, da ich fest einen Zugspitzaufstieg über das Höllental geplant hatte und dort bis in den August hinein bekanntermaßen in Höhenlagen immer wieder Neuschnee fällt- wenige Wochen vor der Tour noch ca. 60 cm. Der Klettersteig würde dadurch ungleich komplizierter. Außerdem wollte ich bestimmte Pflanzen finden, die erst jetzt blühen. Ein Tourenüberblick vorab:

1. Tag: Fahrt mit der Alpspitzbahn zum Osterfelderkopf (2150 m), dann auf dem Weg 831A via Hupfleitenjoch und „Knappenhäuser“ gemütlich zur Höllentalangerhütte (1387 m).
2. Tag: Zum Ende des Höllentals, „Leiter“ und „Brett“ hinauf, anschließend über den Höllentalferner in den Klettersteig zum Zugspitzgipfel (2962 m).
3. Tag: Hinunter zum Zugspitzplatt, dort unterhalb des berühmten „Jubiläumsgrates“ durch eine Mondlandschaft zur Knorrhütte (2052m) und weiter hinab zum Übernachten in der Reintalangerhütte (1369 m).
4. Tag: Das Reintal entlang der schäumenden Partnach abwärts zur Bockhütte (1050m), hinauf zum Schachenhaus (1866 m); dort Besuch des Botanischen Gartens und des „Schachenschlosses“ von König Ludwig II. und weiter zum Tagesziel, der Meilerhütte (2366 m).
Schlußetappe: Abstieg via Schachenhaus und Kälbersteig durch sonnenerwärmten, duftenden Nadelwald zur Partnachklamm und zurück nach Garmisch-Partenkirchen.

Startet man von Garmisch, bieten sich zwei Wege an, nämlich über das Höllental und über das Reintal. Beide bieten eingangs sehenswerte, nachgerade spektakuläre Naturschauspiele, nämlich die Höllentalklamm und die Partnachklamm, außerdem den Höllentalferner und den Partnachursprung.

Durch das Höllental zu gehen, bedeutet aber, direkt zu Beginn (bei einer einzigen Etappe zum Zugspitzgipfel) eine konditionell anspruchsvolle Etappe von ca. 7-8 h Gehzeit mit 2200 HM Anstieg zu wählen. Alternativ kann man zur Bergstation der Alpspitzbahn fahren und ins Höllental absteigen (ca. 2h, 700 HM)- so habe ich es gemacht: Eine gemütliche Wanderung zum Eingewöhnen und um andere Gipfelaspiranten abends in der Hütte kennenzulernen. Gut ausgeruht laufen wir dann in mehreren kleinen Gruppen am zweiten Tag in Richtung Deutschlands höchsten Berg.

Der Weg das Höllental hinauf zur Zugspitze ist sehr abwechslungsreich. Etwa zwei Stunden oberhalb der Höllentalangerhütte beginnt mit „Leiter“ und „Brett“ eine erste spektakuläre Passage, die man aber unschwierig nimmt. Für einen Eindruck hiervon empfehle ich www.youtube.de mit dem Stichwort „Leiter, Brett, Höllental“. Es folgt leichtes Klettern (I) bis unterhalb des Höllentalferners, der nach etwa 3 ½ Stunden ab Hütte beginnt. Der Gletscher ist noch 23 Hektar groß und m.E. auch im Sommer oft ohne Steigeisen zu bewältigen, besonders, wenn es eine Spur gibt, die das Spaltenfeld umgeht. Dennoch Vorsicht- im Sommer 2014 ist eine Frau nach 80 Metern Rutschpartie in eine Spalte gestürzt und hing 2 Stunden kopfüber fest, bis die Bergwacht kam.

Im Spätsommer kann die Randkluft des Gletschers anspruchsvoll werden. In der Regel wird man dort aber nicht alleine sein und per Seilsicherung queren kommen. Ein Blick nach oben: etwa 2 ½ Stunden mit etwa 800 HM im Klettersteig trennen noch vom goldenen Gipfelkreuz am unverbauten Ostgipfel, der quasi den Anfang des hinter dem Gletscher verlaufenden Gebirgszuges markiert und den der „Jubiläumsgrat“ krönt. Grandiose Tiefblicke auf den Höllentalferner mit Spalten und Abrissen im obersten Teil sowie auf den weit unten im Gänsemarsch der Randkluft entgegenstrebenden Zug der Kletterer bieten sich aus allen Lagen im Steig. Der Klettersteig ist mit K3/C mittelschwer, schon aufgrund der Länge und Steilheit aber ist eine gute Grundkondition nötig. Weitere Herausforderungen im Steig: eine Felsrinne im mittleren Abschnitt mit im Frühsommer oft vereisten Seilsicherungen, schliesslich die unterhalb des Gipfels liegende Eisrinne. Der Steig ist ansonsten durchgehend versichert, der Weg deshalb nicht zu verfehlen. Stets aktuelle Auskunft über die Verhältnisse unter www.davplus.de/hoellentalangerhuette.

Legt man die Gipfeltour in die Mitte einer mehrtägigen Wanderung, stellt sich die Übernachtungsfrage. Wochenends kann man im direkt auf dem Nebengipfel stehenden Münchener Haus (www.muenchnerhaus.de) nicht reservieren. Um Punkt 15 Uhr heißt es, in Reih und Glied und mit gezücktem DAV-Ausweis höflichst ein Nachtlager zu erbitten. Danach wird ausschließlich zu jeder vollen Stunde erneut Lagerplatz verteilt.  Vorteil: Kein Zeitdruck beim Aufstieg. Der Wirt legt Wert auf Disziplin- man komme als nicht auf die Idee, im 15.09 Uhr nach einem Lager zu fragen. Alternativ kann man zur Übernachtung ein Stück abwärts zur Knorrhütte (oder zur- weniger günstig gelegenen- Wiener- Neustädter Hütte) weitergehen- das heißt aber, bis zu zweieinhalb Stunden dranzuhängen.

Zur Einleitung dieses Berichts zurück: Einsamkeit und Ruhe stellen sich auf dem Zugspitzgipfel erst ein, wenn die letzte Bahn talwärts abgeht. Unfassbar, was sich bis dahin dem Auge bietet und welch unfassbares Gewimmel hier herrscht (nicht, dass ich es nicht erwartet hätte…)! Exemplarisch: Araberinnen, schwarz gewandet in der Burka und mit Sandalen; asiatische Reisegruppen vor dem Kameraautomaten vor dem Gipfelkreuz (man kann das Foto im WWW ansehen und kaufen!) Menschen, die auf über 2900 m in Flipflops und ärmellosem Shirt fotografieren und frieren- und über Bergwanderer mit Helm und Klettersteigset grinsen, weil doch die (Rück-)Fahrkarte nur 51 Euro und, pro Weg, keine 20 Minuten Zeit kostet. Babylonische Sprachverwirrung durch sich mit jedem Schritt auf der Gipfelplattform verändernde Gesprächsfetzen in russisch, portugiesisch,… Eigentlich ist es unbeschreiblich. Täglich werden übrigens etwa 390 Kilo Müll ins Tal gebracht. Der Gedanke vom „kollektiven Freizeitpark Alpen“ kommt auf, ebenso Reinhold Messners Frage, ob man die Erhabenheit der Berge durch Massentourismus und Extremläufe auf populäre Gipfel wie die Zugspitze nicht „entweiht“.

Der nächste Morgen bringt Neuschnee auf dem Gipfel, Sichtweite unter 20 Metern und unter 2600 HM Nieselregen. Ich packe auch meinen Müll ein und steige in südlicher Richtung zum Zugspitzplatt ab. Von dort gehe ich jenseits des Jubiläumsgrats „auf dem Platt“ über ausgedehnte Geröllhalden Richtung Brunntalgrat. An dessen Fuß wartet die Knorrhütte. Im Winter herrscht hier Skibetrieb, in der Talmitte stehen die Lifte.

In unwirklicher Geschwindigkeit zieht der Nebel in großen, immer wieder von Sonnenstrahlen grell erleuchteten Klumpen das Tal hinauf. Es regnet kräftiger, der Weg führt immer steiler bergab über groben Schotter. Langsam ändert sich die Vegetation und es taucht, von Glocken der im Hüttenumfeld grasenden Schafe angekündigt, die Knorrhütte aus dem Nebel auf. Nach Regenpause mit Kasknödel folge ich dem Weg E4/ 801 gen Reintal.
Die Sonne setzt sich durch, und nach etwa einer Stunde Laufen gibt der Nebel den Blick frei auf das obere Reintal mit der Reintalangerhütte (1366m) und auf den Partnach-Ursprung.

Noch dreissig Minuten, dann hört man die Partnach rauschen, sieht auf dem Talboden unzählige Blüten Feld- Enzians und um die nächste Kurve direkt am Fluß die mit Gebetsfahnen geschmückte Hütte. Hier geht es „anders“ zu:  ein junges Team bewirtschaftet die Hütte. Sie haben wohl eine besondere Beziehung zum Himalaya, wie die Hausdeko verrät. Abends gibt es Hausmusik mit Gitarre, Geige, Flöte und Co. im Speiseraum, morgen um sechse den Reintalanger-Weckruf mit Geige und Akkordeon- ein Riesenspaß in großer Runde zum Mitsingen! Die Hütte ist halb belegt, so wie das Münchener Haus- aber dennoch: welch ein Unterschied an Gelassenheit und Freundlichkeit bei Gästen und Gastgebern. Homepage: www.reintal.de. Von Garmisch aus startend ist die Hütte ein beliebtes Tagesziel, das man, immer entlang des Flusses via Bockhütte als Brotzeitstation, gut auch mit Kindern ansteuern kann (ca. 13 km und 950 HM).

Zur nächsten Tagesetappe: Im Reintal kehrt der Herbst ein; das Laub färbt sich und viele Pflanzen bilden schon Samen. Wie bunt muss es auf dem Weg flussabwärts entlang der Partnach im Hochsommer aussehen: Türkenbundlilien, Eisenhut, Enziane und Orchideen stehen verblüht im Mischwald. Man soll sich nicht täuschen lassen: es geht zur Bockhütte (1050 m) nicht nur bergab, sondern es hat einige Gegenanstiege. Von dort zum nächsten Zwischenziel, der unterhalb der Leutascher Dreitorspitze auf der Landesgrenze zu Tirol gelegenen Meilerhütte auf 2366 m addiert sich jede Steigung im Reintal noch hinzu. Kurz nach der Bockhütte wechselt der Weg auf das rechte Partnachufer und zweigt rechts ab. Am nächsten Abzweig führt der Weg rechts ins Oberreintal zur gleichnamigen Hütte, einem absoluten Kletterermekka. Hüttenhomepage: www.hbgap.de. Ich folge aber an diesem Abzweig dem Weg E4/ 801 links zur Meilerhütte via Schachenhaus (www.schachenhaus.de): ein schöner, langgezogener Steig mit sehr ordentlicher Steigung und einzelnen versicherten Stellen. An kleinen Wasserfällen läßt sich gut Wasser nachfassen. Blickt man zurück, glänzen am westlichen Horizont die Schneereste des Zugspitzplatts; von dort nach rechts schweifend erkennt man die Zugspitze und den Jubiläumsgrat, linkerhand, im Südwesten, den Hochwanner (2744 m, Deutschlands zweithöchster Berg!) und zu Füßen seines Massivs das Reintal.

Fast zwei Stunden nach dem Abzweig an der Bockhütte lohnt eine Rast im „Bellevue“, einem nah am Schachenschloss (1866 m), von Ludwig II. erbauten Aussichtspavillion. Im Schachenschloss selbst gibt es stündliche Führungen durch königliche Privatgemächer und den „Türkischen Saal“ im Obergeschoss. Daneben liegt ein Botanischer Garten, der alpine Pflanzen Europas und Skandinaviens bis hin zu Raritäten aus dem Himalaya präsentiert. Hier gibt es erstmals wieder Mobilnetzabdeckung.

In der Mittagssonne erwärmt sich die Luft und bringt rund um das Schachenhaus die bis zu 500 Jahre alten Zirben zum Duften- Augen schließen und an den Sonnenuntergang denken, der auf der Meilerhütte, 500 Meter höher, mit noch viel besserem Panorama lockt!

Das Tagesziel Meilerhütte (www.alpenverein-gapa.de) liegt exakt auf der Landesgrenze zu Tirol. Von hier aus kann man in leichter Kletterei (I) die Törlspitzen (alle um die 2440 m, ich nehme die Westliche Törlspitze mit) und in ca. eineinhalb Stunden über den „Hermann-von-Barth-Weg“ die Leutascher Dreitorspitze (2682 m) erreichen (I/II). Am Klettersteig einzementiert: ein Schalter für den Fahrstuhl mit der Bemerkung „Bitte nur einmal drücken“… Westwärts blickend erkennt man das Kreuzeck (1340 m) und den Osterfelderkopf (2150 m), wo die Bergstationen der beiden von Garmisch ausgehenden Bahnen nahe der Alpspitze enden. Man ahnt von hier aus das Gewimmel an der Bergstation und der „AlpSpix“, einer umstrittenen, weil landschaftlich unpassenden Aussichtsplattform- was leicht erreichbar ist, wird eben stark frequentiert. In der Meilerhütte hingegen nächtigen heute ganze drei Gäste, und keiner von ihnen kann sich dem magischen Sonnenuntergang über Alpspitze und Hochwanner entziehen, der den Himmel glühen läßt.

Für den Heimweg lasse ich mir viel Zeit, um die Abgeschiedenheit noch möglichst lange zu genießen. Vorbei am Schachenhaus, dann über den Fahrweg talwärts und irgendwann links in den warmen Nadelwald, den „Kälbersteig“ hinab, vor der Sonne geschützt und vom Hämmern der Spechte und dem Summen der Insekten begleitet. Der Steig zieht sich, mit Übergang in den Laubwald wird er heller, Orchideen zeigen am Ende Ihrer Blütenstängel die letzten Farben, Schwalbenwurz-Enzian leuchtet blau- und irgendwann kündigt sich die Partnach mit einem laut vernehmbaren Rauschen an. Wie schnell einer doch unten ankommt, wenn der Pfad trocken ist und zum schnellen Gehen einlädt… Zum Abschluß noch durch die Partnachklamm, in der es schäumt und gurgelt. Sie ist ein Magnet für Tagestouristen, weil in einer guten Dreiviertelstunde vom Olympiastadion aus erreichbar. Deshalb ist es mit der Einsamkeit spätestens hier vorbei.

Tourengänger: rennt0815


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