Durch das Große Valbontal - totale Einsamkeit in der Rosengartengruppe


Publiziert von gero , 9. Juli 2015 um 00:19.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 6 Juli 2015
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1735 m
Abstieg: 1735 m
Strecke:Weißlahnbad - Tschamin-Schwaige - Tschamintal - Grasleitenhütte - Grasleitenpaßhütte - Große Valbonscharte - Purgametschjoch - Lämmerköpfe - Großes Valbontal - Tschamintal - Weißlahnbad (20,2 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Blumau im Eisacktal hinauf ins Tierser Tal, dort bis Weißlahnbad am Beginn der Nigerpaßstraße. Geräumige, gebührenfreie Parkmöglichkeiten oberhalb Weißlahnbad an der Tschaminschwaige.
Kartennummer:Tabacco Nr. 029 (Schlern-Rosengarten)

Der nachfolgend beschriebene Rundweg führt durch das vielbesuchte Tschamintal und den Grasleitenkessel bis zur Grasleitenpaßhütte. Der Rückweg ist in punkto Einsamkeit kaum zu überbieten: zurück geht es durch das weltabgeschiedene, landschaftlich phantastische Große Valbontal. Nur selten sind dort Steigspuren zu finden, die Zustiege sind mühsam, und am Dornröschenschlaf dieser Gegend wird sich auch durch meinen Beitrag nichts ändern.

Den Weg zur Grasleitenpaßhütte habe ich anläßlich meines Tourenberichtes des Kesselkogels bereits hier beschrieben, auf Details kann ich also verzichten. Um der Affenhitze dieser Tage zu entgehen, starte ich noch vor 4 Uhr am P oberhalb Weißlahnbad bei der Tschaminschwaige (1184 m). In der Morgendämmerung geht es durch das romantische Tschamintal in 3 Std. zur Grasleitenhütte (2134 m), danach in den Grasleitenkessel und das Geröllfeld hinauf zur Grasleitenpaßhütte (2600 m; 4 1/2 Std. ab Weißlahnbad).

Teil 1: Mißerfolg an den beiden Valbonkögeln

Damit liegt der wesentliche Höhenunterschied des heutigen Tages hinter mir; nun beginnt bergsteigerisches Neuland für mich. Allerdings zunächst mit einem Mißerfolg: ich habe mir vorgenommen, den Großen und den Kleinen Valbonkogel zu erklimmen. Sie liegen beide unmittelbar hinter der Grasleitenpaßhütte; zunächst gilt es, die Kleine Valbonscharte zu erreichen. Sie trennt die beiden Felsspitzen voneinander und stellt gleichzeitig den Zugang zum Kleinen Valbontal dar. Aber ach: das Gelände dort hinauf ist extrem kleinsplittrig, brüchig und steil. Alle Gemeinheiten gleichzeitig - ich quäle mich ein Weilchen den scheußlichen Hang hinauf, immer darauf bedacht, keine Steine loszutreten - sie würden sozusagen auf der Terrasse der Grasleitenpaßhütte landen. Dann kommt kurz unterhalb der Kleinen Valbonscharte auch noch ein hartgefrorenes Altschneefeld dazu, und jetzt reichts: ich steige wieder hinab und überlasse die beiden Valbonkögel anderen alpinisten Masochisten.

Teil 2: Weiterweg zum Großen Valbontal

Wenn ich im folgenden von der Valbonscharte und dem Valbontal spreche, meine ich immer die GROSSE Valbonscharte und das GROSSE Valbontal.

Der Hüttenwart rät mir, für meinen Weiterweg zunächst ein Stück auf gebahntem Weg ins Vajolettal abzusteigen, um dann von dort aus problemlos zum Valbonpaß oder zur Valbonscharte bzw. dem Purgametschjoch anzusteigen. Wie sich zeigen wird, ein guter Rat! Man könnte auch unterhalb der Felsnadeln der Jungfrauen ohne Höhenverlust zum Valbonpaß queren, hätte dann aber wieder das oben beschriebene scheußliche Schuttgelände unter den Sohlen. Laut Aussage des Hüttenwarts käme dort auch noch eine 6m lange, nicht unschwierige Kletterstelle dazu.

Ich steige also 15 Minuten und schätzungsweise 100 Hm ins Vajolettal ab und quere pfadlos die Hänge unter der Vajoletspitze (sie ist aus dieser Perspektive ein kühner Felszacken, s. Foto) in Richtung auf eine große Wiese, auf der aus Steinen in riesigen Lettern "AVS" zusammengelegt ist. Diese Wiese, weiter oben durch ein kleines karges Seitental, geht es nun auf dünnen Steigspuren und entlang einiger weniger Steinmänner aufwärts. Man erkennt droben am Horizont rechts die Valbonscharte, links das Purgametschjoch, beide gut erreichbar. Ich entscheide mich für die Große Valbonscharte (2650 m, Steinmann, knapp 1 Std. ab Grasleitenpaß), zu der zuletzt sehr steile Rasenflecken hinauf leiten.

In dieser Scharte steht man zwischen einem Steilaufschwung zur Vajoletspitze einerseits und einem schmalen Kamm andererseits, der in 10 Minuten zum Purgametschjoch (2631 m) hinüberführt; dieses Steiglein gehe ich natürlich auch noch. Das Purgametschjoch (ebenfalls ein kleiner Steinmann) ist ein langgestreckter Wiesensattel mit phantastischem Blick nach Westen (steile Felsabbrüche leiten hinunter zum Gebiet des Nigerpasses) und nach Osten über das Vajolettal zum Kesselkogel.

Sowohl Valbonscharte als auch Purgametschjoch werden maßgeblich geprägt vom Riesenzahn der Östlichen Tschaminspitze, die mit kühnen Wänden aufragt. Sie wird aufgrund der Abgeschiedenheit (alle Zustiege sind sehr lang, von Wegen kann man dabei sowieso nicht sprechen) und Schwierigkeit (es gibt keinen unschwierigen Anstieg) extrem selten besucht.

In wenigen Minuten besteige vom Purgametschjoch aus die beiden Buckel des Ersten und des Zweiten Lämmerkopfes (2678m bzw. 2655m). Der Erstgenannte zeigt kurz die Zähne in Form eines (schon wieder) sehr brüchigen, 5m hohen Absatzes, aber in beiden Fällen wird nochmals Aussicht pur geboten: der Erste Lämmerkopf eröffnet grandiose Tiefblicke ins Valbontal, der Zweite Lämmerkopf auf die Westwände der Vajolettürme, der Rosengartenspitze und der Laurinswand.

Dann wandere ich in wenigen Minuten zurück zur Valbonscharte; ich versuche mich noch kurz am Weiterweg zur Vajoletspitze, aber auch hier weist der oben erwähnte, kurze Aufschwung wieder extrem scharfkantiges, brüchiges Gestein auf; ich lasse es gut sein, der mir unbekannte Abstieg ins Valbontal schaut noch grimmig genug aus. Gottseidank ist hier die Situation aber gerade anders: die sehr steile Schuttrinne, die von der Valbonscharte hinunter ins gleichnamige Tal zieht, ist gut begehbar, denn im feinen Geröll läßt es sich mit gehöriger Vorsicht prima abfahren (bei normeln Verhältnissen; falls aber der Untergrund gefroren ist, dürfte dieser Steilabstieg sehr heikel sein). Ich erreiche ziemlich problemlos den oberen Grund des Valbontales; die Abstiegsrinne mündet an einem merkwürdigen Doppelzacken ins Valbontal ein, der für etwaige aufwärtsgehende Bergsteiger als Orientierungspunkt dienen kann (aus dem Valbontal ist diese Rinne nur mäßig gut erkennbar; sie liegt etwas versteckt hinter Felsflanken. Es ist die mittelere von drei Rinnen, die aus dem Valbontal aufwärts ziehen).

Im Valbontal steige ich nun pfadlos ab, immer im Blickfeld die beiden Sattelspitzen, deren Zustieg durch eine ebenfalls markante Steilrinne erschlossen wird und die mit prallen Riesenwänden nordseitig ins Valbontal abstürzen. Die Richtung des Abstiegs ist klar vorgegeben: es gilt, das untere Ende des Tales zu erreichen, wo dieses im Bereich riesiger Felsblöcke in bewachsene Gras- und Latschenhänge übergeht, die letztlich ins Tschamintal hinunterleiten.

Man nehme sich hier genügend Zeit, um die gewaltige Szenerie zu inhalieren: welch eine herrliche Landschaft! Ich liege auf einigen Rasenflecken unter der sengenden Sonne dieses Hochsommertages und kann mich kaum sattsehen an der urtümlichen Kulisse, die uns Bergsteigern hier geboten wird. Wie ein riesiges Amphitheater kommt mir das kesselförmige Valbontal vor - es fehlt nur noch, das sich der imaginäre Vorhang hebt und von riesigen Kreaturen ein Schauspiel inszeniert wird. Mittendrin der kleine gero .....

Vom unteren Rand des Valbontales geht es dann auf dünnen Steigspruen westwärts in Richtung Plafetschkamm; man kann wohl auch zu diesem aufsteigen, ich aber wähle nun den Abstieg hinab ins Tschamintal. Hoch über einem auffallenden, runsenartig tief eingeschnittenen Bachbett erreiche ich auf dessen südseitigem, fast moränenartigen Rand über grüne, satte Wiesen, teils auch durch Latschen das hintere Tschamintal knapp oberhalb des Rechten Legers (1610 m, Wiese mit Almhütte). Zuletzt treffe ich sogar auf einen guten Steig, etwa dort, wo die Latschen in Wald übergehen.

Der Rückweg zur Tschaminschwaige ist das letzte Stück dieser langen Tagestour.

Anmerkungen:
- an der Grasleitenpaßhütte letzte Trinkmöglichkeit; insbesondere im Großen Valbontal kein Wassservorkommen
- GPS-Empfang teilweise schlecht, deshalb Genauigkeit des Tracks teilweise gering

Tourengänger: gero


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Geodaten
 25986.gpx Rundweg durch Tschamin- und Valbontal

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Kommentare (3)


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georgb hat gesagt: Grandios
Gesendet am 9. Juli 2015 um 09:53
Tolle Idee Georg! Wunderschöne Runde, wär mir nichtmal in den Sinn gekommen, hast du wieder sehr gut recherchiert! Bringt mich schon wieder auf Ideen ;-)
Weiter so Saluti Georg

Felix hat gesagt:
Gesendet am 10. Juli 2015 um 20:51
"ein gewaltiges Bergerlebnis" - das würde mir sehr gefallen!

Gratulation und liebe Grüsse an unseren Bergfreund Georg!

Es dürfte doch bald mal was Ähnliches in der Schweiz sein ;-)

Felix

bergteufel hat gesagt:
Gesendet am 25. September 2019 um 21:33
Servus Georg,
dies ist einer der (deiner) Berichte, die mir viel helfen. Herzlichen Dank dafür. Habe das Große Valbontal im Visier, Tschaminspitzen.....I.Grad, obere Grenze, so liest man.?! (Danke). Der georgb findet das eine tolle Idee. Ich sage, den Spielplatz schau ich mir an, wenn ich mal wieder alleine wandere, eine wunderbare Gegend, da ist man ganz schnell weg vom Mainstream.
Chapeau, wie du dir diese unbekannten Wege zurecht legst, erstürmst und stets auf deine Grenzen achtest. Das Letztere schätzt so mancher falsch ein.
Dir alles Gute, gib dein Bestes,
Rudi


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