Überschreitung Kesselkogel (3004m) - Larsecspitze (2889m) - Lausakofel (2876m)


Publiziert von gero , 5. Mai 2009 um 21:42.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:14 August 2008
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 2075 m
Abstieg: 2075 m
Strecke:St.Zyprian - Tschamintal - Grasleitenhütte - Grasleitenpaßhütte- Kesselkogel - Antermojapaß - Grasleitenpaß und zurück
Kartennummer:Freytag & Berndt WKS 1 + WKS 5

Weil es heuer leider nur sehr zögernd Frühling werden will (zumindest in mittleren und höheren Lagen), muß ich meine Ungeduld weiterhin zügeln und zähneknirschend in Erinnerungen schwelgen ..... an den schönen Bergsommer des Jahres 2008. Die Überschreitung des Kesselkogels will ich Euch hier vorstellen - einerseits eine Modetour par Excellence, andererseits als Tagestour von und zurück nach Zyprian im Tierser Tal ganz schön knackig .....

Mit meinem australischen Freund Denis startete ich zu gewohnt früher Stunde gegen 5 Uhr vom Parkplatz am Eingang zum Tschamintal (ca. 1200m; etwa 1,5km oberhalb St.Zyprian an der Nigerpaßstraße). Der erste Teil des Aufstiegs ist identisch mit dem Weg, den ich im Zusammenhang mit der Tour über den Maximilianssteig hier beschrieben habe; ich brauche ihn nicht nochmal zu erläutern und beginne meine Erzählung etwa 2 Stunden nach Abmarsch an jenem Verzweigungspunkt im hinteren Ende des Tschamintals, wo es nordwärts in das Bärenloch hineingeht: anders als damals folgten wir jetzt aber dem Weg hinauf zur Grasleitenhütte (Rifugio Bergamo, 2129m); wir passierten sie gegen 7:45 Uhr und setzten unseren Weg gleich fort, in den Grasleitenkessel hinein, der so ungemein eindrucksvoll von den wilden Wänden und Schluchten des Molignon, des Seekogels und des Kesselkogels umrahmt wird.

Etwa 15 Minuten oberhalb der Grasleitenhütte teilt sich der Weg: gen Norden führt er sehr steil hinauf zum Molignon-Paß, nach Süden nicht ganz so steil aufwärts zum Grasleitenpaß. Hier geht es durch die immense Steinwüste eines zwischen den Abbrüchen des Kesselkogels und des Valbonkogels eingeschlossenen Kars dahin - gegen 9:00 Uhr hatten wir uns zur Grasleitenpaßhütte (auf dem gleichnamigen Paß gelegen; 2601m, auch Passo Principe genannt) hinaufgearbeitet. Ein relativ kalter Wind blies über diesen Sattel, so daß wir gleich weitergingen.

Wir folgten dem Wegweiser "Via ferrata Ovest del Catinaccio d'Antermoja" - also westlicher Klettersteig auf den Kesselkogel, Wegnummer 585. Gute 10 Minuten oberhalb der Grasleitenpaßhütte beginnt die Kraxelei, die nirgends sonderlich schwierig oder ausgesetzt, und immer bestens mit Fixseilen abgesichert ist (Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, allgemein: alpine Erfahrung sind natürlich notwendig). Man zwängt sich gleich zu Beginn an einer Engstelle unter einem kleinen Überhang hindurch: "Bauch einziehen" heißt hier die Devise wie Leute für mich. Nun ja, Bergsteiger mit kleinen Konfektionsgrößen und Minimalrucksack tun sich hier leichter :-) Kurz darauf erreicht man bereits die vielleicht am meisten ausgesetzte Stelle des Klettersteiges: von einem Absatz führt eine Leiter schätzungsweise 10m abwärts auf ein bequem gangbares Band, man hat hier einen eindrucksvollen Tiefblick auf die Grasleitenpaßhütte. Es folgen eine Art Rampe, an deren oberes Ende ein Wandl anschließt und auf den nächsten Absatz hinaufleitet. Überhaupt sind Rampen und Absätze das Markenzeichen dieses westseitigen Kesselkogel-Aufstiegs. Es ist müßig, hier die einzelnen Abschnitte im Detail zu beschreiben: mal Gehgelände, dann wieder eine Rampe, dann ein wenig Kraxelei - hinauf, dem Gipfel zu, so heißt hier die Devise für die 400m Höhenunterschied, bis man droben steht auf dem höchsten Punkt der Rosengartengruppe. Die Fotos, die ich anschließend veröffentliche, geben einen ganz guten Eindruck vom alpinen Gehlände, in dem man sich hier bewegt.

Übrigens hatten wir Glück und konnten den Aufstieg praktisch allein genießen - ein absolutes Highlight auf diesem normalerweise stark frequentierten Klettersteig! Eine gewisse Bewölkung einerseits und die relativ frühe Stunde waren der Grund für die unerwartete Einsamkeit an diesem sonst überlaufenen Dolomitenberg.

Der Klettersteig endet schließlich auf einem Gipfelgrat, den man zuletzt in wenigen Minuten unschwierig hinübersteigt zum Kreuz. Mit diesen letzten Schritten durften wir wieder einmal ein grandioses Schauspiel erleben: von einem Moment auf den nächsten lichteten sich die Wolken und machten dem blauen Himmel Südtirols Platz; wie Phönix aus der Asche entstiegen wir dem Grau der Wolken und wurden von den wärmenden Strahlen der Sommersonne begrüßt. Wer kennt dieses Gefühl nicht: alle Anstrengung ist vergessen, es ist einfach nur noch schön!

Der Kesselkogel (3004m, um 10:15 Uhr waren wir oben) ist ein toller Aussichtspunkt: westlich gegenüber die Spitzen des Valbonkammes, dahinter - fast 20km entfernt und 2800m tiefer - die Bergsteigerstadt Bozen, daneben die grünen Matten des Schlern im Vordergrund - wenn es außergewöhnlich klar ist, kann man noch über 100km weiter im Westen die Ortlergruppe sehen. Außerordentlich eindrucksvoll sind die Mauern der Rosengartenspitze, an der wir 8 Tage später leider mangels freiklettertechnischem Können abblitzten. Osteitig kann man hinabschauen in den Antermojakessel mit dem kleinen Seelein .... so schön, guckt Euch die Bilder an. Auch die Marmolata, die Langkopfelgruppe und viele weitere Dolomitengipfel hat man natürlich im Blickfeld. Bergsteigen macht nicht nur glücklich, sondern auch süchtig.

Fast eine Stunde genossen wir die ungewöhnliche Einsamkeit auf dem Gipfel, dann ging es gegen 11 Uhr den ostseitigen Klettersteig wieder hinab. Er ist ebenfalls hervorragend markiert und im oberen Teil versichert. Der unterste Abschnitt im Einstiegsbereich weist allerdings keine Fixseile auf - er ist zwar nicht schwer, aber man bewegt sich dort vorübergehend in etwas ausgesetztem Schrofengelände, so daß die Aufmerksamkeit bis zuletzt nicht nachlassen darf. Das untere Ende des ostseitigen Klettersteiges hatten wir gegen 11:25 Uhr erreicht (an einer Leiter kurz oberhalb der Kesselkogelscharte, 2700m, die den Kesselkogel vom nordseitig gegenüberliegenden Seekogel trennt); der Abstieg über das Schrofengelände dauert etwa nochmals 15 Minuten.

Nachdem wir den kurzen Gegenanstieg hinauf zum Antermojapaß (2769m; 12 Uhr) bewältigt hatten, kamen nun doch zusehends mehr und mehr Berggänger von allen Seiten heraufgewandert, und die bisherige Stille wich unangenehm geschäftigem Treiben. Unser Auftrieb war nach wie vor nicht erlahmt, so erklommen wir noch die beiden Kuppen des benachbarten Lausakofels (2876m - hier muß man an etwas splittrigem Gestein mal kurz Hand anlegen) und der harmlosen Larsecspitze (2889m).

Dann schlenderten wir zurück zum Grasleitenpaß und wanderten den sehr langen Weg zurück durch den Grasleitenkessel, zur Grasleitenhütte und das Tschamintal hinaus zum Ausgangspunkt unserer Tour, jenem Parkplatz oberhalb St. Zyprian.

Zum Vergleich:
Ich bewerte beide Kesselkogel-Klettersteige etwa gleich wie den Oskar-Schuster-Steig am Plattkofel. Sowohl der Pössneckersteig als auch der Pisciadusteig sind anspruchsvoller.

Alle Abschnitte der hier geschilderten Tour sind vorbildlich beschildert und markiert - es erübrigt sich, darauf im Detail hinzuweisen.


Zum Schluß möchte ich aus aktuellem Anlaß noch etwas zur Thematik "Vergleich der Schwierigkeitsbewertungen von Klettersteigen" sagen + fragen:

8 Tage nach der Übergschreitung des Kesselkogels versuchten wir uns am Normalweg der Rosengartenspitze. Er ist eine Zweierkletterei (ohne jegliche Versicherung, also KEIN Klettersteig) und startet gleich mit einem unangenehmen Überhang - angeblich die Schlüsselstelle der Tour. Dort sind wir abgeblitzt, das war uns zu heikel, zumal unmittelbar darunter ein spitzer Felsblock droht.
Wir trafen dort ein schweizer Ehepaar, die beiden meisterten diese Stelle souverän - waren also VIEL besser als wir. Wir unterhielten uns kurz über Klettersteige, speziell im Vergleich in den Dolomiten und den Schweizer Bergen. Sie meinten, die Klettersteige in den Schweizer Bergen seien WESENTLICH schwieriger als in den Dolomiten, da mit viel weniger Fixseilen versehen und zum Tiel erheblich alpiner. Beispielsweise der KS am Daubenhorn über dem Gemmipaß sei unvergleichlich anspruchsvoller als die meisten Dolomitensteige.

Ich kann das nicht beurteilen - ich kenne zwar viele KS in den Dolomiten, aber keinen in den Schweizer Bergen. Speziell weder den am Daubenhorn noch den am Jägihorn. Letzterer wird hier mit ZS bewertet. Wenn der also anspruchsvoller als z.B. der Pößneckersteig ist, sollte ich letzteren in der Schwierigkeitsbewertung zurücknehmen - was mir doch nicht ganz gerechtfertigt scheint.

Nun ist Schwierigkeitsbewertung ja immer auch subjektiv geprägt: Tagesform, eigenes Können, aktuelle Verhältnisse, Wetter usw. Kann jemand von Euch einen Vergleich zwischen den genannten KS liefern AUS EIGENER ERFAHRUNG - also kennt jemand von Euch die vorgenannten Klettersteige? Das würd' mich interessieren!
 


Tourengänger: gero


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